Vor allem für Gemeinden, die abseits touristisch bereits bekannter und etablierter Zentren liegen, bietet der Pilgerweg eine Möglichkeit für die Weiterentwicklung.
Vor allem für Gemeinden, die abseits touristisch bereits bekannter und etablierter Zentren liegen, bietet der Pilgerweg eine Möglichkeit für die Weiterentwicklung.
In allen Jahrhunderten hatte Pilgern stets auch eine wirtschaftliche Komponente. Der heutige Pilgertourismus wird als ein zusätzliches Standbein für Gemeinden in ländlichen Regionen gesehen.
Pilgern entlang des Jakobsweges Weinviertel stellt neben Angeboten rund um Wein und Kulinarik sowie dem Radtourismus eine dritte, wichtige Säule im Nächtigungstourismus im Weinviertel dar. Und auch im Rest von Österreich spielen die Pilger oft eine wichtige Rolle.
"Der Jakobsweg Weinviertel wurde am Ostermontag 2010 eröffnet, jedoch war das Thema Pilgern im Weinviertel bereits durch den ehemaligen Bischofsvikar Matthias Roch in den Köpfen der Menschen verankert", sagt Projektmanagerin Sonja Eder.
Initiativen wie der Weinviertler Pilgerweg (2003 bis 2006) und der Weinviertler Glaubensweg (2008 bis 2012) motivierte Hunderte von Menschen mitzukommen. "Dieses Interesse und der gerade stattfindende Trend zum Pilgern tragen zu einem positiven Aufwärtstrend bei. Schätzungen liegen bei rund 2.000 Pilgern, die jährlich entlang dieses Pilgerweges unterwegs sind", erklärt die Mitarbeiterin von Weinviertel Tourismus.
Vor allem für Gemeinden, die abseits touristisch bereits bekannter und etablierter Zentren liegen, bietet der Pilgerweg eine Möglichkeit für die Weiterentwicklung. So ist eine direkte regionale Wertschöpfung aufgrund der Nächtigungen von Pilgerwanderern, dem Einkauf von Pilgern bei Lebensmittelhändlern, dem Besuch von Gastronomiebetrieben oder der Nutzung von Taxiunternehmen zu verzeichnen.
Die einzige verlässliche statistische Quelle sind die Nächtigungszahlen im Bildungshaus Großrußbach, weil diese Gemeinde eine Tagesetappe entlang des Weges darstellt. "Seit 2010 bis einschließlich April 2015 übernachteten 1631 Pilger in unserem Haus", berichtet dessen Direktor Franz Knittelfelder. "Als Zentrum der Pilgerbewegung im Weinviertel koordinieren wir seit 2009 Pilgergruppen und -initiativen rund um den Jakobsweg Weinviertel. Es gibt jährlich ein großes Pilgertreffen im Herbst und die Pilger-WEG-woche im Sommer – jetzt aktuell "Bibelweg". Seit 2010 fanden bereits drei Pilgerbegleiter-Lehrgänge mit insgesamt 32 Absolvent/inn/en statt."
Eine der Pilgerbegleiterinnen ist die Religionslehrerin Ingrid Kraus aus Poysdorf: "Ich gehe immer wieder in Eintages- bzw. Zweitages-Etappen mit den Gästen und bemerke, dass sie immer wieder kommen, um auch den ganzen Weg zu gehen." Es gebe viele Hinweise, dass das Pilgern in der Region zunehme, so Kraus: "Ich sehe es an den Pilgerbüchern, die in den Kirchen aufliegen. In unserem Gebiet gibt es Selbstbedienungskeller, die einladen, kühle Getränke, aber auch ein Glaserl Wein zu genießen. Die Tagebücher in diesen Kellern zeigen einen sehr regen Besuch."
Auch für die Gemeinden entlang der beiden Pilgerwege "Via Sacra" und "Wiener Wallfahrerweg" nach Mariazell bedeutet der Pilgertourismus ein zusätzliches wirtschaftliches Standbein. "Er bietet eine Chance, die Saison vom Frühjahr bis zum Herbst auszudehnen. Pilger sind meist eher wetterunabhängig, strahlender Sonnenschein ist somit keine Grundvoraussetzung", sagt Yvonne Simek von Mostviertel Tourismus.
Es könne außerdem eine breite Palette an verschiedenen Betriebsstrukturen und -qualitäten angeboten werden – vom komfortablen 4-Stern-Haus bis hin zu relativ einfachen Unterkünften. Die Basis des Gesamtprojektes "Via Sacra" seit dem Start 2008 ist eine Gruppe an Partnerbetrieben, die sich den Bedürfnissen der Pilgergäste verschrieben haben und auf diese ganz besonders eingehen. "Es zeigt sich immer wieder, wie dankbar die Pilgergäste für die zuvorkommende Unterstützung sind, die sie in den Quartieren erhalten, etwa Hilfe bei müden Füßen, Waschen und/oder Trocknen der Kleidung", berichtet Projektleiterin Simek.
Bereits vor der "Wiederbelebung" der Via Sacra konnte Richard Meyer in seinem Gasthof in Annaberg mehrmals jährlich organisierte Pilgergruppen beherbergen. Seit etwa zehn Jahren verdoppelt sich die Anzahl der Pilgernächtigungen. "In unserem Fall von etwa 350 im Jahr 2007 auf mehr als 700 im letzten Jahr. Zu den Einnahmen bei den Nächtigungen kommen die Zusatzkonsumationen dazu, sodass hochgerechnet auf die Gesamtheit der Betriebe entlang der Pilgerwege schon durchaus von einem Erfolgsmodell gesprochen werden kann", so der Gastwirt.
Der älteste Wallfahrerweg Österreichs ist die Via Sacra, die von Wien nach Mariazell führt. Wallfahrer können auf zwei Routen, der traditionellen Via Sacra und dem Wiener Wallfahrerweg 06 in rund vier bis fünf Tagen Fußwanderung nach Mariazell pilgern.