Unzählige wunderbare Erlebnisse, große und kleine, erwarten die Pilgerinnen und Pilger am Jakobsweg. Wie dieser Sonnenuntergang als Lohn für einen harten Tag.
Unzählige wunderbare Erlebnisse, große und kleine, erwarten die Pilgerinnen und Pilger am Jakobsweg. Wie dieser Sonnenuntergang als Lohn für einen harten Tag.
Ein Weg der fordert, stärkt, inspiriert. Zwingt, über sich selbst hinauszuwachsen.
Die junge Wiener Religionspädagogin und Jugendgruppenleiterin Alma-Maria Becker ist den Jakobsweg zweimal gegangen. Allein.
Wie ist sie, diese junge Frau, die beschließt, den Jakobsweg zu gehen? Ganz allein zu gehen. Sie heißt Alma-Maria Becker, war damals 24 und hatte soeben einen Erasmus-Studienaufenthalt in Spanien beendet. Und was hat die junge Frau dazu bewogen? „Die Suche nach dem Sinn begleitet mich schon mein ganzes Leben. Ich wollte Gott suchen und gleichzeitig zu mir selber finden.“ Der „Camino“, der Jakobsweg, versprach ihr das: „Ich habe meine Eltern vor vollendete Tatsachen gestellt. Sie gebeten, mir meinen Rucksack mitzubringen, da ich bald den Jakobsweg gehen möchte.“
Alma-Maria Becker hat ihr Masterstudium Religionspädagogik abgeschlossen. Sie unterrichtet als Religionslehrerin im 22. Bezirk in Wien. Jugendgruppenleiterin in Ober-St.Veit ist sie auch und arbeitet im Begegnungszentrum „Quo vadis?“ im Zwettlerhof nahe dem Stephansdom.
Die meisten Jakobsweg-Pilger entscheiden sich dafür, allein aufzubrechen. Nur wenige machen sich bereits als Gruppe auf den Weg. Sie selbst habe bewusst für sich entschieden, alleine zu gehen, um bei sich anzukommen. Und das, obwohl sie am Jakobsweg „zu den ganz Jungen“ gehörte.
Das Besondere am Jakobsweg, wie Alma-Maria Becker es sieht: „Jeder kann für sich allein gehen und hat dennoch das Gefühl, innerhalb einer Gemeinschaft geborgen und anderen willkommen zu sein.“ Je nach Bedürfnis und Tagesverfassung zwischen dem Für-sich-Sein und dem Gemeinsam-Gehen wählen zu können, und dann zu entscheiden – diese Freiheit war für Alma-Maria Becker stimmig.
Die Hilfsbereitschaft und Herzlichkeit der „Camino-People“ hat sie auf ihrem Weg besonders geschätzt. Ob jemand Hilfe bei wunden Füßen benötigt habe oder einfach nur Zuspruch und aufbauende Worte, – die Mitpilgerinnen und Mitpilger hätten stets offene Augen und Ohren für andere gehabt.
Diese Haltung vermisst Alma-Maria Becker im städtischen Getriebe. Ganz anders beim Pilgern: Das gemeinsame Ziel – Santiago – verbindet: „Innerlich war da nach ein paar Tagen Gehen die Gewissheit im Hinterkopf: Wenn ich selber einmal etwas brauche, dann wird mir auch geholfen. Das beruhigt und stärkt.“
Eine Frage, die jeden zukünftigen Pilger und jede zukünftige Pilgerin bewegt. Es kursieren regelmäßig Gerüchte über Menschen, die am Jakobsweg spurlos verschwunden seien oder Medienberichte über Gewaltdelikte. Alma-Maria Becker hat auf ihren zwei Jakobsweg-Routen keine negativen Erfahrungen gemacht.
Sie erzählt: „Beim Abschied hat mein Vater zu mir gesagt: ,Alma, ein Anruf genügt! Egal, wo immer in Spanien Du bist, in zwei Tagen bin ich mit dem Auto bei Dir und kann Dich holen.“ Das zu wissen habe sie unendlich beruhigt und ihr Sicherheit gegeben.
Für den Pilgerberater Florian Heumayer, der den Jakobsweg bereits dreizehn Mal gegangen ist, ist der „Camino“ nicht mehr oder weniger gefährlich als ein anderer Ort. Was er rät? „Auf das eigene Bauchgefühl hören! Und – wie überall – das Handy zur Sicherheit dabeihaben.“ Das Mobilnetz ist in Spanien nahezu lückenlos. Das Wichtigste für Heumayer: „Sein eigenes Tempo finden. Achtsam mit sich und seinem Körper umgehen.“
Unterwegssein am Jakobsweg – ein Weg mit vielen Parallelen zum Lebensweg: Gehen und Innehalten. Aufbruch und Rast. Anstrengung und Mühelosigkeit. Aufgebenwollen und Durchhalten. Tage mit leichten Beinen und Tage mit schmerzenden Füßen und vielen Blasen: Es sei ein Auf und Ab wie im wirklichen Leben. Gerade durch die Schmerzen habe sich Alma-Maria Becker Jesus näher gefühlt, der ja auch Schmerzen leiden musste.
Becker spricht von dieser ganz eigenen „Camino-Spiritualität“: „Die vielen kleinen Kirchen am Weg laden immer wieder dazu ein, den Blick auf den eigenen Glauben zu richten. Geht man diesen Weg, verbinden sich Himmel und Erde. Es verändert einen wirklich!“ Davon ist Alma-Maria Becker überzeugt. Sie hat unterwegs nur Menschen gesehen, die gestrahlt haben. Es sei ein gewisses „Etwas“ spürbar gewesen, das diesen Weg für jeden einzelnen zu etwas Besonderem mache. Als sie davon erzählt, leuchten ihre Augen, ihre Stimme wird noch lebendiger, ihre Begeisterung fassbarer.
Wer einmal Pilgern war, der möchte dieses Erlebnis wiederholen. Auch Alma-Maria Becker war bereits zwei Mal auf dem Jakobsweg unterwegs. „Und ich bin gern bereit, mich wieder auf den Weg zu begeben“, bekennt sie. Letztes Jahr ist sie von Wien nach Melk auf dem Österreichischen Jakobsweg gegangen. Und nach Mariazell.
Natürlich könne man das Pilgern einfach als Erlebnis, körperliche Herausforderung oder sportlich motiviert sehen – und es gäbe bestimmt auch Menschen, die sich ausschließlich aus diesen Beweggründen aufmachen. Sie jedoch habe erlebt, dass alle Menschen, die sie getroffen hat, Spiritualität und die Begegnung mit Gott suchten.
Was das Pilgern mit einem mache, müsse jeder und jede selbst herausfinden. Niemand komme weiser oder geläuterter zurück, aber erfüllter und gefestigter. Und was genau der Weg mit einem selber vorhabe, welche Erkenntnisse man aus dieser besonderen Erfahrung gewinnen könne, das erschließe sich erst beim Gehen.
Allzu viel Planung und Vorbereitung sei nicht notwendig: „Vieles ergibt sich beim Gehen von allein. Dabei ist es wichtig, auf den eigenen Körper zu hören“, sagt Alma-Maria: „Nur so lange an einem Tag gehen, wie es sich für einen selber stimmig anfühlt. Sich keinen Druck machen, sich nicht gewaltsam zu einem bestimmten Tagespensum an Kilometern zwingen.“
Für sie selbst habe es keinen Schlüsselmoment oder kein einzelnes bedeutsames Erlebnis gegeben, das sie herausgreifen und anderen mitteilen möchte, erzählt Alma-Maria Becker.
Es seien viele wunderbare Dinge gewesen, die ihren Weg gesäumt haben. Diese Fülle und die vielen Begegnungen seien für sie prägend gewesen. Das wünscht sie auch jenen, die sich auf den Weg machen: „Der Weg selber trägt dich. Und stärkt dich. Im Glauben. Fürs Leben.“
Nicht nur eine Route führt nach Santiago, sondern aus den verschiedensten Himmelsrichtungen kann man sich auf den Weg zum Grab des Hl. Jakobus machen.
Auch durch Österreich führen einge Pilgerwege zum Wallfahrtsort im Nordwesten Spaniens. (siehe auch: www.meinplan.at/unterwegs/jakobsweg-wien)
JAKOBSWEG-INFOS
Pilgerberatung er im „Quo vadis?“ beim Stephansdom im Zwettlerhof, Wien 1, Stephansplatz 6.