Wenn 500 Wallfahrer ein Schiff in Beschlag nehmen, dann führt das bei den anderen Passagieren doch zu einiger Verwunderung und viel freundlicher Neugierde.
Ein Blog-Beitrag von Pressesprecher Michael Prüller.
Donnerstag, der zweite Tag unserer Fahrt auf den Spuren des Heiligen Paulus - auf hoher See in der Adria, ganz am Horizont auf steuerbord kann man das italienische Festland erahnen. Erst gegen Abend passieren wir Korfu.
Noch haben wir 48 Stunden auf See vor uns, bis wir wieder an Land gehen, in Thessaloniki. Und es ist eine interessante Erfahrung, mitten in der üppigen Konsumwelt eines Kreuzfahrschiffes auf Pilgerreise zu sein. Das Business Center ist für die ganze Reise als Kapelle angemietet. Aber dort passen wir nicht alle hinein.
So versammeln wir uns in der Früh im Bordtheater La Fenice, um miteinander zu singen, die Tageslesung zu hören, uns von den Spitzen der Erzdiözese auf die Pilgerfahrt einstimmen zu lassen und einen Impuls von Wolfgang Müller zu hören, Dogmatiker und österreichweiter Chef des Pfarrgemeideräte-Verbandes.
Kardinal Schönborn sagt bei dieser ersten Morgenversammlung, wie erleichtert er ist, dass sein Handy nicht funktioniert, er also endlich einmal Handy-Urlaub hat. Und dass ihn bei dieser Diözesanwallfahrt – der dritten, die er miterlebt, nach dem Heiligen Land und Rom – besonders die Frage bewegt: Wie hat Paulus damals Gemeinden gegründet, wie macht man das? "Paulus", so der Kardinal, "hat ja nicht alles vorgefunden, wie wir, sondern hat angefangen. Wie sind er, wie die anderen ersten Christen dabei vorgegangen?"
Die Pastoralamtsleiterin Veronika Prüller-Jagenteufel zieht eine Parallele zwischen unserem Schiff, der MSC Armonia, und der Erzdiözese Wien: "Jedes ist ein Riesending, und man braucht eine Weile, um sich auszukennen – und auch zu wissen, wer die Leute sind, die man braucht, um sich Zugang zu verschaffen." Zu Paulus sagt sie, es bewegt sie beim Lesen seiner Briefe, wie sehr sich die Menschen damals gefreut haben, Christen werden zu dürfen: "Da wird ein Weg, eine Freundschaft mit Gott eröffnet, und wir haben die Gnade, dabei sein zu dürfen!" Und sie fragt: Kennen wir das auch heute? Droht uns nicht immer wieder der Grund für unser Christsein abhanden zu kommen? Ihr Wallfahrtsziel ist es, diesem Grund neu nachzuspüren.
Auch Weihbischof Stefan Turnovszky sieht das Schiff als Metapher, mit seinen 2.000 verwöhnten Passagieren und den 900 Besatzungsmitgliedern: Gott möchte, dass es uns gut geht, er will unsere Freude und Entfaltung. Und dass Menschen ihm helfen, das zu vermitteln. Und auch unsere Hoffnung, die sich auf Gott richtet, wird durch Menschen vermittelt. "Meine Hoffnung ist, dass wir einander von dieser Hoffnung Zeugnis geben können."
Deutlich geprägt von seinen Erfahrungen an Bord war Generalvikar Nikolaus Krasa. Denn seine Keycard, die die Kabine aufschließt, ist schon zum dritten Mal defekt. Ihm wird diese Keycard zum Sinnbild: "In meinem Leben gab es immer wieder Momente, wo Gott wie mit einer Keycard in meinem Leben angedockt hat, wo es click gemacht hat, ein grünes Licht erschienen ist und sich der Raum geöffnet hat. Wo ich gemerkt habe: Ich bin sein geliebtes Kind, er mag mich." Auf einen solchen Click hofft er auch bei dieser Wallfahrt.
Das Boot ist eine mächtige Metapher. Auch andere nehmen es zum Ausgangspunkt, ihre Pilgerhoffnungen zu beschreiben. Etwa Stefan Krummel, der Vikariatssekretär im Süden, der schon einmal in einer echten Seenot war, die ihn zu Gott geführt hat: "Das Unterwegssein am Meer ist ein Tiefes Bild für das Unterwegssein der Kirche." Oder Zeremoniär Martin Sindelar, der für die Gottesdienste der Reise zuständig ist. Er liebt das Lied "Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt". Und zwar vor allem wegen der letzten Strophe. Sindelar: "Da wird es nämlich klar, dass ein Schiff seiner Bestimmung nur dann gerecht wird, wenn es den sicheren Hafen verlässt. Wir müssen aufbrechen, müssen Entdecker sein."
Zum Entdecken war am Donnerstag viel Zeit. Austauschgruppen – viele im doch recht kühlen Fahrtwind an Deck abgehalten – dienten dem Kennenlernen. Die Workshops am Nachmittag brachten erneut die reizvolle Situation einer Pilgerfahrt am Kreuzfahrtschiff zur Geltung. So nahmen etwa meine Frau und ich an der ersten Probe des soeben gebildeten Wallfahrtschores teil: in der "Roten Bar"! Immer wieder kommen Touristen vorbeigeschlendert, den Sangesfreudigen verwunderte Blicke zuwerfend, aber immer freundlich.
Und bei der Messe am Nachmittag – in der großzügigen, wenn auch (wir sind ja auf einem Schiff) sehr niedrigen Armonia Lounge, in Plüschsesseln rund um Cocktailtische – sind dann auch schon die ersten Gäste dabei, Italiener, Spanier und vielleicht auch andere. Das Ambiente ist ungewohnt, doch wie Martin Sindelar sagt: "Das Wesentliche ist, dass wir uns in Seinem Namen versammeln. Dann kann jeder Raum als Gottesdienstraum erfahrbar werden."
Am Abend war dann das bei solchen Reisen offenbar übliche Galadiner, angeblich mit Kapitän, den wir in meinem Eck des Restaurants Marco Polo aber nicht zu Gesicht bekamen. Das Essen ist köstlich. Mittlerweile verirrt man sich auch nicht mehr so leicht in den langen Gängen des Schiffes mit drei Stiegenhäusern und zwölf Stockwerken. Zum Abendlob ins Business Center oder ans Sonnendeck fanden viele, ebenso auch zur Nachtanbetung. Obwohl die Nacht um eine Stunde kürzer war, weil wir um 3.00 Uhr früh eine Zeitzonengrenze passierten und die Uhr um eine Stunde vorstellen mussten, waren selbst in den "schwachen" Stunden nach Mitternacht nie weniger als zehn Pilger um den Herrn versammelt.
Und sonst? Die Stimmung ist sehr gut. Das Wetter: leicht bewölkt, aber ganz ruhiger Seegang. Die Tropfen gegen Seekrankheit sind alle noch fest eingepackt.
Und zum Schluss noch ein Zitat: Kardinal Schönborn wurde auf der Theaterbühne gefragt, was es denn mit dem Wort Matheteuo – griechisch für "Jünger sein" – auf sich habe, das auf die Pilgerrucksäcke gedruckt ist. Der Kardinal: "Es ist ein Schlüsselwort des Evangeliums. Jesus macht Jünger. Nein, nicht jünger - obwohl eigentlich doch auch; das ist eine gute Nachricht für die Älteren."
Darüber später noch mehr. Zunächst nur so viel: Jünger fühle ich mich tatsächlich schon nach zwei Tagen Pilgerfahrt.
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