Pilger auf der "Kärntner Straße von Ephesus".
Pilger auf der "Kärntner Straße von Ephesus".
...und mit der Muttergottes in ihrer Küche stehen. Mit Jesus Freund sein, mit dem Kardinal Paulus zitieren "ich vertraue euch der Gnade Gottes an" und zu den Christen in der Türkei stehen.
Ein Blog-Beitrag von Pressesprecher Michael Prüller.
Sonntag: ein starker Tag. Ich bin mit Paulus die "Kärntner Straße" von Ephesus entlanggegangen, wo er zwei Jahre gelebt hat, und ich stand mit der Muttergottes in ihrer Küche.
Der Reihe nach: Der Sonntag beginnt, wie es sich gehört, mit einer Messe – in der schon bekannten Plüsch-Lounge an Bord. Das Schiff liegt bereits am Kai von Izmir, dem antiken Smyrna, der zweitgrößten Hafenstadt der Türkei (wer sich noch erinnert: Hier haben wir 1978 unsere Fußball-WM-Teilnahme erkämpft).
Kardinal Schönborn predigt – über Lazarus, Martha und Maria, und darüber, dass auch Christus Freunde gehabt hat: "Einfach Freunde, bei denen er sich ausruhen konnte. Martha, Maria und Lazarus waren nicht einmal Jünger im klassischen Sinn, die mit Christus umhergezogen sind. Einfach Freunde." Und wir müssten uns die Frage stellen, ob wir die Einladung Christus annehmen, der uns "nicht mehr Knechte, sondern Freunde" nennt. "Er sucht Menschen, bei denen er einfach nur sein kann – und möchte, dass wir ganz einfach bei ihm sind. Freunde Jesu."
Danach verlassen wir das Schiff, um – diesmal geplanterweise – erst am späteren Nachmittag zurückzukommen. Ziel ist Ephesos, in der Antike eine bedeutende Stadt, die in ihrer Blütezeit 150.000 Bewohner hatte. Paulus war für zwei Jahre einer von ihnen. Hier hat er seinen 1. Korintherbrief geschrieben, mit dem Hohenlied der Liebe ("Hätte ich die Liebe nicht…"). Und ganz in der Nähe, sechs Kilometer entfern, ist das Haus, in dem die Muttergottes entschlafen sein soll, die mit Johannes nach dessen Verbannung auf der Insel Patmos hierhergekommen war.
Das seit mehr als 100 Jahren in ständiger archäologischer Arbeit – hauptsächlich von Österreichern – ausgegrabene Ephesos ist sehr beeindruckend. So vieles ist erhalten, auch die alten Steinplatten, über die auch schon Paulus gegangen war. Als Paulus hierherkam, hatte man schon seit 2000 Jahren besonders die Göttin Artemis verehrt. Das riesige Amphitheater ist gut erhalten, in dem sich bis zu 30.000 Stadtbürger versammeln konnten.
Als die Silberschmiede, die Artemistempelchen herstellten, durch Paulus ihren Umsatz bedroht sahen, brachten sie die Volksmenge zum Brodeln. Man brachte zwei Gefährten des Apostels ins Amphitheater, und die Menge schrie zwei Stunden lang: "Hoch lebe die Artemis von Ephesos", bis der Stadtschreiber die Lage entschärfen konnte. Wir verhielten uns etwas ziviler im Amphitheater, denn sonst hätten wir nicht gehört, wie Veronika Prüller-Jagenteufel und Weihbischof Stefan Turnovszky uns den Text aus der Apostelgeschichte vorlasen. Ein starker Eindruck, genau an der Stelle, wo sich das damals abgespielt hatte.
Der Kardinal verrät uns dann, dass seine Lieblings-Bibelstelle über die Gemeinde in Ephesos in Milet spielt, etwa 150 Kilometer entfernt. Später nämlich, als Paulus in Milet darauf wartete, zu seinem Prozess in Rom gebracht zu werden, hat er die Gemeindevorsteher aus Ephesos gebeten, zu kommen. Das, was Paulus ihnen zu sagen hatte, so der Kardinal, ist auch ein Schlüssel für die Diözesanerneuerung.
Denn Paulus weiß, dass er selbst nicht mehr den Weg der Gemeinde in Ephesos begleiten wird können. So sagt er ihnen: "Und jetzt vertraue ich Gott und dem Wort seiner Gnade an, das die Kraft hat aufzubauen." Der Kardinal, der unten in der Ellipse der Bühne steht, zu uns allen: "Ich möchte das auch euch sagen und der ganzen Diözese. Nicht, dass ich nach Rom gehen muss und schon gar nicht, weil ich dort den Tod finden werde. Aber weil es für unseren Weg wichtig ist und hinter allem anderen steht: Ich vertraue euch Gott und dem Wort seiner Gnade an, das die Kraft hat aufzubauen."
Vom Aufbauen erzählt – bevor das offizielle Gruppenfoto aller Wahlfahrer geschossen wird - auch ein junges Ehepaar, das von Papst Johannes Paul II gebeten wurde, in Istanbul die kleine katholische Gemeinde zu ver- und bestärken. Sie leben nun schon einige Jahre mit ihren Kindern dort und berichten von den 50.000 Christen in der 17-Millionen-Stadt Istanbul. Und wie ihr Sohn in der Volksschule auch beim muslimischen Religionsunterricht zuhören darf, und sie mit der Religionslehrerin vereinbart haben, dass er jedes Mal, wenn ein Kapitel im Unterricht zu Ende ist, die christliche Vorstellung davon erklären darf. Als das Kapitel "Beten" durch war, hat er über das Vater Unser gesprochen. Und die Religionslehrerin hat alle muslimischen Schüler aufgefordert, das Vater Unser aufzuschreiben.
Kontakte zwischen den Kirchen gibt es viele. Mittwochs und Samstag hält das Ehepaar Katechesen ab, und aus den verschiedensten Kirchen kommen die Menschen, um zuzuhören. Nicht weniger als sieben Bischöfe sind für die Istanbuler Katholiken zuständig…
Ein gemeinsames Heiligtum der Christen und Muslime ist das Haus der Muttergottes, zu dem wir als Nächstes unterwegs waren. Nach einer Vision der seligen Katharina Emmerich hat man eine winzige Kirche, eigentlich ein Kapellchen, aus dem 1. Jahrhundert entdeckt und Reste eines kleinen Wohnhauses, wohl die Küche, von der aus man in die Kapelle kommt.
Christen und Muslime pilgern an diesen Ort, dessen Verehrung als letzte irdische Stätte Mariens Paul VI. offiziell anerkannt hat. Eine lange Wand ist voll von handgeschriebenen Bitten, viele auf Papiertaschentüchern, Servietten und was man so bei der Hand hat, geschrieben. "Maria, bitte für uns Sünder…" Auch für die Muslime, sagt unsere Führerin, sei es ganz normal, extra hierherzufahren, wenn man eine große Bitte habe, um sie der Mutter des Propheten Jesus anzuvertrauen.
Ich gehe neben der womöglich ältesten Teilnehmerin unserer Wallfahrt. Sie ist 93 Jahre alt und schon länger Witwe, als ich auf der Welt bin. "Ich habe in meinem Leben viel bitten müssen", sagt sie mir und erzählt ein bisschen vom frühen Tod ihres "wunderbaren Mannes" und wie sie die kleinen Kinder trotzdem gut durchgebracht hat. Und das in so fröhlichem, freundlichem Ton, dass ich mich innerlich nur ganz tief verbeugen konnte. Wunderbar, was man für Menschen auf einer solchen Wallfahrt kennenlernt. Freunde Jesu…
Ich hoffe, die Muslimischen Pilger hat es nicht gestört, dass wir beim Anstehen nicht anders konnten, als "Glorwürdge Königin" zu singen, und "Maria, breit den Mantel aus". Für mich war dieses Lied ("sei aller Zuflucht und Gezelt") auch ein Gebet um Fürsprache für die ganze Christenheit im Nahen Osten, um das uns das Ehepaar aus Istanbul gebeten hat. Es ist ein wunderbarer, ganz friedlicher Ort. Ein kleiner Vorgriff auf das Paradies.
Sehr irdisch war der letzte Stopp vor dem Hafen: eine Verkaufsveranstaltung in einem Lederwarenshop. Das muss offenbar sein, ist irgendwie im Preis inbegriffen. Mein Eindruck war, dass aber nicht allzu viel Geschäft zustande kam. Wir waren wohl nicht ganz die Zielgruppe. Oder vielleicht auch nur gedanklich einfach noch zu weit weg…
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