Der Blick der Pilger auf Athen.
Der Blick der Pilger auf Athen.
Michael Prüller berichtet vom Tag in Athen, im Rahmen der Diözesanwallfahrt 2014.
Dienstag: Athen! Unser Schiff ankert in der Frühe im Hafen von Piräus. Nach dem Frühstück die nun schon gewohnte Prozedur des Landgangs: Zuerst kommen alle Pilger im Theater der MSC Armonia zusammen und holen sich dort Busnummern (wir sind gewöhnlich mit zehn Bussen unterwegs). Wenn alle eine Nummer haben, verlassen wir busweise das Schiff. Freundliche Stewards der Armonia scannen unsere Bordkarte – dasselbe tun sie dann auch bei der Rückkehr. So weiß man an Bord immer, wer an Land gegangen ist und wer schon wieder zurück ist. Von uns ist gottseidank noch niemand an Land zurückgeblieben.
Am Hafen bringt uns ein ordentlicher Fußmarsch zu den Bussen. Wie eigentlich jeden Tag läuft alles friedlich und in bester Laune ab. Der Bus führt uns zuerst durch Piräus und dann ins benachbarte Athen. Am Fuß der Akropolis spuckt er uns aus, und wir machen uns an den Aufstieg – bei perfektem Tourismuswetter, sonnig bis leicht bewölkt, und nicht heiß.
Das eigentliche Wallfahrtsziel ist freilich nicht der Parthenon, der große Tempel auf dem Hügel, der der Athene geweiht war. Sondern auf halber Höhe erklimmen wir den Areopag, einen großen, flachen Felsen, auf dem die Gerichtsversammlungen der Athener abgehalten wurden. Dort hat man Paulus gebeten, dem Gerichtshof zu erklären, was es mit dem Messias auf sich habe. Ursprünglich war geplant, dass wir uns alle auf dem Areopag versammeln, um die Rede des Paulus aus der Apostelgeschichte zu hören. Aber irgendwie ging sich das nicht aus, und so haben zumindest einige Busgruppen das dann für sich getan.
Eine Gruppe hörte den Kardinal, eine andere Weihbischof Franz Scharl. Bei uns im Bus war Weihbischof Stephan Turnovszky, der mit lauter Stimme den Part des Paulus übernahm. Ich muss sagen, dass dort, mit Blick auf den Parthenon und das zu Füßen liegende Athen, der Text eine ganz neue Dimension gewinnt. Kardinal Schönborn wird später, zu Beginn der Messe auf dem Schiff, erklären, was für Provokationen Paulus sich hier geleistet hat.
Paulus ist laut Apostelgeschichte ja zuerst empört über die vielen Götzenbilder in Athen. Auf dem Areopag entfaltet er aber dann freundliche Ironie, als er den Athenern sagt, dass sie ja offenbar sehr fromm seien, denn sie verehrten auch ein Standbild mit der Aufschrift: "Einem unbekannten Gott." Und genau diesen Gott verkünde er, Paulus. Aber dann sagt er in Sichtweite des so berühmten Parthenon, dass Gott nicht in Tempeln wohnt, "die von Menschenhand gemacht sind". Gott brauche auch keine Opfergaben, er, "der allen das Leben, den Atem und alles gibt".
Dann die nächste Provokation: "Gott hat das ganze Menschengeschlecht aus einem einzigen Menschen geschaffen", also als eine große Familie. Wo doch die antiken Athener, wie der Kardinal erklärt, die Menschheit in zumindest zwei klar getrennte Gruppen geteilt haben: "Wir - und die anderen." Und dann sagt er noch den auf ihre Weisheit und Bildung so stolzen Athenern, dass Gott bis jetzt über ihre Unwissenheit "hinweggesehen" hat.
Was mich aber zum ersten Mal an diesem Text so besonders berührt hat, sind folgende Zeilen, die den Unterschied machen zwischen der sehr formelhaften und oft auf Opferungsriten beschränkte Religiosität der damaligen Griechen und der Liebesgeschichte mit Gott, die das Christentum verkündet: Die Menschen "sollten Gott suchen, ob sie ihn ertasten und finden könnten; denn keinem von uns ist er fern. Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir." Aber eine Brücke baut Paulus den Athenern: "Wie auch einige von euren Dichtern gesagt haben: Wir sind von seiner Art."
Nach der Akropolis besuchen wir das auch architektonisch wunderbare Akropolis-Museum, das –sagt zumindest unsere Führerin - von Fachleuten zum drittbesten Museum der Welt gekürt wurde (nach dem Metropolitan Museum of Modern Arts in New York und dem British Museum). Hier wird die Verbindung zwischen der vorchristlichen Kultur und unserer kulturellen Tradition deutlich, etwa in den Votivgaben, die Menschen den griechischen Göttern geopfert haben, wenn sie etwa von Krankheit geheilt oder aus einer Not errettet wurden. Oder in der sehr berührenden Darstellung einer Frau, die ihren im Krieg gefallenen Sohn in ihrem Schoß hält – ganz die Darstellung nach dem späteren Muster der Pietá: Maria mit ihrem gekreuzigten Sohn.
Auf das Schiff zurückgekehrt erwartet uns noch ein Impuls von Wolfgang Müller über Paulus auf dem Areopag und die letzte Messe in der Plüsch-Lounge. Dompfarrer Toni Faber greift in seiner Predigt die Entrüstung des Paulus über die Götzenanbetung in Athen auf: Paulus hat trotzdem versucht, sich den Athenern in ihrer Welt zu nähern, um sie mit Gott vertraut zu machen. Wenden wir uns nicht manchmal zu schnell ab von den Menschen, die die falschen Götter anbeten, die Gier, den Ruhm, die Bekanntheit. Erliegen wir der Versuchung, sie zu verachten? Und dann schildert er Prominente, denen er in seiner Arbeit der City-Pastoral begegnet, manchmal auch ausgewichen ist, und die sich aber doch trotz all ihrer Schwächen und Eitelkeiten als aufgeschlossen für das Wort Gottes erwiesen haben.
Und den von Paulus genannten Umgang mit Gott, dieses Suchen und Ertasten und Finden, "denn keinem ist er fern", den fasst der Dompfarrer in dem Abendgebet eines Zweijährigen zusammen, den er einst getauft hat: "Lieber Gott: Bitte, danke, Bussi, amen."
Dann Abendessen, dann einmal wieder ein freier Abend. Und ich glaube, ich bin nicht der einzige, der mit einer gewissen Wehmut schlafen geht, weil unsere Pilgerreise nun definitiv begonnen hat zu Ende zu gehen. Und die abendliche Lektüre unseres 200 Seiten (!) dicken Pilgerhandbuchs macht mich auch nicht entspannter. Denn dort lese ich, dass Paulus zwar eine Handvoll Athener bekehrt hat, darunter auch das Gerichtsmitglied Dionysius, der dann wahrscheinlich der erste Bischof der Gemeinde von Athen wurde. Doch durchgesetzt hat sich das Christentum in der Stadt der Denker noch sehr lange nicht. 100 Jahre nach Paulus, im 2. Jahrhundert gelten die Christen dort noch als kleine, abergläubische Sekte. Erst im 5. Jahrhundert wird das Christentum die bestimmende Religion der Athener.
Wappnen wir uns also mit Geduld.
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