In jener Zeit trat Johannes in der Wüste auf und verkündete: Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich; ich bin es nicht wert, mich zu bücken, um ihm die Schuhe aufzuschnüren. Ich habe euch nur mit Wasser getauft, er aber wird euch mit dem Heiligen Geist taufen.
In jenen Tagen kam Jesus aus Nazaret in Galiläa und ließ sich von Johannes im Jordan taufen. Und als er aus dem Wasser stieg, sah er, dass der Himmel sich öffnete und der Geist wie eine Taube auf ihn herabkam und eine Stimme aus dem Himmel sprach:
Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden.
Markus 1, 7-11
von Kardinal Christoph Schönborn
Jede Geburt eines Kindes (eigentlich schon jede Empfängnis) ist ein Neuanfang. Wirklich, etwas ganz Neues, Einmaliges tritt in die Welt. Genauer: Jemand Einmaliger. Die Geburt Jesu hat freilich etwas absolut Neues in die Welt gebracht: Gott selber wird Mensch, der Gottessohn ein Menschenking: das Christuskind!
Bei jeder Frage auf: was wird wohl aus diesem Kind? Welche Chancen hat es im Leben? Welches Glück, welches Leid erwartet es? Diese Frage hat wohl ganz besonders Maria und Josef bewegt, und die Hirten, und die Weisen aus dem Osten: Was wird wohl noch aus diesem Kind dessen Geburt in so armen Verhältnissen geschah, aber zugleich so viel himmlischen Glanz erlebte?
Hier, bei der Taufe Jesu, ist wieder von einem Anfang die Rede. Da geht es um den Anfang des öffentlichen Wirkens Jesu. Von jetzt an wird Jesus voll für seinen Auftrag leben. Und wieder stellt sich die Frage: Was wird wohl aus ihm? Was wird aus diesem Anfang, da Jesus mitten unter den Sündern ins Wasser steigt, und sich von Johannes taufen lässt, und wieder der Himmel sich auftut und sein Glanz erfahrbar wird?
Auch wir stehen oft an einem Anfang, und viele fragen sich: was wird noch daraus werden? Was kommt da auf uns zu? Was erwartet uns noch?
Was geschah nach Weihnachten, nach der Geburt Jesu im Stall von Bethlehem? Es kam ganz anders als die Eltern es wohl erwartet hatten. Es ging sozusagen gleich einmal bergab. Sie mussten mit dem Kind von dem gewalttätigen, skrupellosen König Herodes nach Ägypten flüchten. Und als sie nach seinem Tod sich wieder heim trauen und daheim in Nazareth niederlassen, da kommen lange Jahre wo scheinbar aus diesem Kind „nichts wird“. Nur Alltag und Arbeit, nichts Besonderes, nichts Aufregendes, außerhalb den Sorgen, die fast jeder Berufstätige kennt: gibt es genug Aufträge – und somit Arbeit? Klappt es mit den Mitarbeitern im väterlichen Zimmerbetrieb?
Ich meditiere gerne über diese 30 Jahre, die Jesus im Verborgenen gelebt hat: Gottes Sohn wollte durch die Schule des normalen Alltags in Familie und Beruf gehen. Dich eines Tages bricht er plötzlich auf, verlässt die Familie, den Beruf, die Heimat. Was bewegt ihn? Warum dieser Neuanfang? Das bleibt wohl sein Geheimnis. Er geht zu Johannes, seinem Verwandten, der Scharen von Menschen anzieht, aufrüttelt, sodass sie ihre Fehler erkennen, ihre Sünden bereuten, sich von ihm im Jordan untertauchen lassen. Als Jesus sich wie einer von ihnen taufen lässt tut sich der Himmel auf über ihm: „Du bist mein geliebter Sohn“.
Die Taufe Jesus zeigt aber einen Neuanfang. Den brauchen wir dringen. Jesus stieg mit den anderen demütig ins Wasser des Jordan hinunter. Gut wird die Zukunft, wenn wir von unseren hohen Rössern herabsteigen, Fehler zugeben, Sünden bereuen, zur Umkehr bereit sind. Vielleicht tut sich dann der Himmel auf, vielleicht wird und dann bewusst, wie Jesus: „Du bist mein geliebtes Kind.“ Das wäre ein guter Anfang.