In jener Zeit nahm Jesus Petrus, Jakobus und Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg, aber nur sie allein. Und er wurde vor ihren Augen verwandelt; seine Kleider wurden strahlend weiß, so weiß, wie sie auf Erden kein Bleicher machen kann. Da erschien vor ihren Augen Elija und mit ihm Mose, und sie redeten mit Jesus.
Petrus sagte zu Jesus: Rabbi, es ist gut, dass wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija. Er wusste nämlich nicht, was er sagen sollte; denn sie waren vor Furcht ganz benommen.
Da kam eine Wolke und warf ihren Schatten auf sie, und aus der Wolke rief eine Stimme: Das ist mein geliebter Sohn, auf ihn sollt ihr hören.
Als sie dann um sich blickten, sahen sie auf einmal niemand mehr bei sich außer Jesus. Während sie den Berg hinabstiegen, verbot er ihnen, irgendjemand zu erzählen, was sie gesehen hatten, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden sei. Dieses Wort beschäftigte sie, und sie fragten einander, was das sei: von den Toten auferstehen.
Markus 9, 2-10
von Kardinal Schönborn
Zum Leben gehört Veränderung. Wir wandeln uns ständig. Vom Baby zum Kind, vom Kind zum Jugendlichen. Und auch der Erwachsene kennt keinen Stillstand. Junge Erwachsene werden zu Menschen „im besten Alter“, wie man sagt, und schneller als wir denken kommt das Älterwerden.
Wandel gibt es nicht nur in der Folge der Lebensalter. Auch seelischen Wandel erleben wir, zum Guten oder zum Schlechten, zum Besseren oder zum weniger Guten. Probleme lösen sich oder werden belastender. Unsere „Grundstimmung“ im Leben kann heller oder dunkler werden, freudiger oder trauriger. Wir bemerken es an anderen und sagen dann: er oder sie haben sich zum Guten oder nachteilig verändert.
Ich durfte es bei meinem Vater erleben. Er war an Lungenkrebs erkrankt und wusste, dass es mit seinem irdischen Leben zu Ende ging. Wir erlebten an ihm eine Verwandlung. Körperlich ging es langsam bergab, aber seelisch war er wie verändert: gelassen, irgendwie gelöst, fast heiter. Seine Freunde bemerkten es: er wirkte wie „verklärt“. So ist er uns in Erinnerung geblieben.
„Verklärt“! So beschreibt der Evangelist Markus den geheimnisvollen Vorgang, den drei Apostel mit Jesus auf einem hohen Berg in Galiläa erlebten. „Metamorphose“ ist das griechische Wort, das Markus gebraucht. In der Tierwelt sprechen wir von Metamorphosen wenn etwa aus der Kaulquappe ein Frosch, aus der Raupe ein Schmetterling wird: Gestaltwandel!
Jesu „Verklärung“ war anderer Art. Seine Gestalt hat sich nicht äußerlich gewandelt, sondern von innen her zu leuchten begonnen. Sein „inneres Licht“ wurde für eine Weile in seinem Leib sichtbar. Sein Gottsein leuchtete in seinem Menschsein auf. Die Stimme Gottes nennt den Grund für diese „Metamorphose“: „Dieser ist mein geliebter Sohn. Auf ihn sollt ihr hören“. Jesus ist ganz und gar, durch und durch mit Gott verbunden, ja er ist selber Gottes Sohn. Für eine kurze Zeit dürfen die drei Zeugen sehen, wie Jesus Gottes Glanz in seiner Menschengestalt verborgen trägt.
Dann ist es wieder wie zuvor. Sie sehen Jesus wie auch sonst. Der Alltag ist wieder da. Aber das Erlebte bleibt unvergesslich in ihren Herzen.
Es geht um unsere Verwandlung. Um eine echte „Metamorphose“. Der alte Mensch soll abgelegt, der neue Mensch „angezogen“ werden. Leben ist Wandel. Vieles wandelt sich leider zum Schlechteren. Immer ist die Gefahr, dass unter uns Menschen „die Liebe erkaltet“, wie die Bibel sagt.
Aber es gibt auch Wandel zum Guten. Es ändern sich Menschen zum Besseren. Die Verklärung Christi ist wie ein Leitstern. So soll es auch bei uns werden. Gott will in unserem Leben aufleuchten, es zum Leuchten bringen. Dabei wird das Leid nicht ausgespart. Jesu Weg ging über das Kreuz. Das Ziel aber war Verwandlung.