In jener Zeit sprach Jesus zu Nikodemus: Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, in ihm das ewige Leben hat. Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hergab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.
Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des einzigen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat.
Denn mit dem Gericht verhält es sich so: Das Licht kam in die Welt, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse. Jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Taten nicht aufgedeckt werden. Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind.
Johannes 3, 14-21
von Kardinal Schönborn
Ein österreichischer Spitzendiplomat bei der UNO in New York stellte mir eine sorgenvolle Frage: Ist die Welt noch zu retten? Ist die Klimakatastrophe noch aufzuhalten? Dramatische Szenarien zeichnen sich ab.
Eng verbunden damit sind die sozialen Spannungen. Fünf der sieben Milliarden Menschen auf unserer Erde leben ohne jegliche Sozial-, Kranken-und Altersversicherung. Die Schere zwischen Arm und Reich ist in den letzten Jahren nochmals gewaltig auseinandergegangen. Die Arbeitslosigkeit besonders der jungen Menschen ist gewaltig angestiegen. Die Verschwendung nicht erneuerbarer Energiequellen wächst explosiv. Ist die Welt noch zu retten?
Nach dem Gespräch mit unserem hohen UNO-Mitarbeiter bekam dieses Evangelium für mich einen neuen Klang. Ja, es klingt fast verrückt, in diese Situation hinein laut und deutlich zu rufen: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn dahingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht Zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.“
Und damit das ganz deutlich und klar wird, fügt Jesus hinzu: „Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“ Die Welt kann also gerettet werden. Sie ist nicht verloren. Gott hat sie nicht abgeschrieben. Er liebt sie. Sie ist ihm wert, gerettet zu werden. Und Gott lässt sich diese Rettung etwas kosten, viel sogar, alles, Sein Kostbarstes, Seinen Sohn.
Schön und recht! Aber wird das am Weltklimagipfel helfen? Werden die Staatenlenker einlenken und umdenken? Werden sie mutig und entschieden die notwendigen Änderungen vornehmen, ohne sich durch die mächtigen Lobbies abhalten zu lassen?
Und geht es Jesus seinerseits um die Rettung des Klimas? Verheißt er nicht vielmehr das ewige Leben, und nicht eine irdische Rettung? Sicher, Jesus spricht vom ewigen Leben, aber auch von dieser Welt. Er spricht von einem Gericht, das jetzt schon stattfindet. Und dieses Gericht wird von uns entschieden. Jesus spricht von Licht und Finsternis, von guten und bösen Taten, von Wahrheit und Lüge. Heute schon entscheidet sich, ob wir Menschen „die Finsternis mehr lieben als das Licht“, die Lüge mehr als die Wahrheit. Das Böse scheut das Licht: „Jeder, der das Böse tut, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Taten nicht aufgedeckt werden.“
Es ist im Großen wie im Kleinen: Lassen wir das Licht der Wahrheit zu oder scheuen wir es, damit die Wahrheit nicht aus Licht kommt? Die großen, dramatischen Weltprobleme wie auch die Probleme des eigenen Lebens können nur gelöst werden, wenn sie ehrlich angegangen werden. Der Glaube gibt uns dazu den Mut, dass Wissen, dass Gottes Liebe uns nie fallen lässt. Sie rettet die Welt!