Eine Nichtwählerbefragung wäre laut Filzmaier "der spannendere und größere Teil" parallel zur PGR-Wahl.
Eine Nichtwählerbefragung wäre laut Filzmaier "der spannendere und größere Teil" parallel zur PGR-Wahl.
Medienbekannter Wahlanalytiker zu Pfarrgemeinderatswahlen am 20. März: Kirchenverantwortliche sollten Mut haben, Gründe für geringe Wahlbeteiligung und Kritikpunkte zu erheben und Diskussionsprozess darüber zu starten. Kontakt zu "Fernstehenden" suchen.
Die österreichweiten Pfarrgemeinderatswahlen der Katholischen Kirche am 20. März sollten durch eine "Nichtwählerbefragung" ergänzt werden. Das regte der medienbekannte Politologe und Wahlanalytiker Peter Filzmaier im Magazin "inpuncto" an, das den heimischen Kirchenzeitungen im Vorfeld der PGR-Wahlen beigelegt ist. Kirchenverantwortliche sollten den Mut haben, die Gründe für die geringe Wahlbeteiligung und etwaige Kritikpunkte zu erheben und "über die Ergebnisse, auch wenn sie unangenehm sind, einen öffentlichen Diskussionsprozess zu starten".
Bei einer Wahlbeteiligung von zuletzt knapp mehr als 20 Prozent erachtet Filzmaier die demokratische Legitimität des Gremiums "als sehr geschwächt", wie er in dem Interview sagte. Dabei sei Österreich im internationalen Vergleich ein Land mit überdurchschnittlich hohem ehrenamtlichem Engagement. Warum die Kirche davon vergleichsweise wenig profitiert, sei ohne eine Studie nicht leicht zu benennen. Neben allgemeinen gesellschaftlichen Ursachen wie Demokratiemüdigkeit oder der Tatsache, "dass Menschen generell weniger in Mitgliederorganisationen sind", vermutet der Politikwissenschaftler "sicher auch hausgemachte Gründe".
Eine Nichtwählerbefragung wäre laut Filzmaier "der spannendere und größere Teil" parallel zur PGR-Wahl. Diese müsse aber gar nicht unmittelbar am Wahltag durchgeführt werden. "Vertreterinnen und Vertreter der Kirche, die sagen, ich will das wissen und öffentlich diskutieren, auch die Kritikpunkte, die sind persönlich unverdächtig, dass sie etwas unter den Teppich kehren oder schönreden wollen", meinte Filzmaier und appellierte: "Nur Mut dazu!"
Die vor gut 50 Jahren eingeführten Pfarrgemeinderäte bewertet der Experte als "einen vergleichsweise kleinen und abgegrenzten Bereich der politischen Beteiligung, der für sich genommen noch keine demokratische Kirche begründet". Klein sei nicht die Zahl der 30.000 gewählten PGR-Mitglieder, wohl aber "die Bereiche, in denen sie Entscheidungskompetenz haben", bemängelte Filzmaier. Dazu komme, dass rund ein Drittel des gesamten Pfarrgemeinderates nicht gewählt, sondern ernannt werde: "Stellen Sie sich einen politischen Gemeinderat vor, wo ein Drittel der Mitglieder ernannt und nicht gewählt würde."
Auf die Frage, ob mehr Mitbestimmung und Partizipation die Kirche aus ihrer Krise herausführen könnte, antwortete Filzmaier: "Ich glaube, es würde etwas bewirken." Freilich könne man gesamtgesellschaftliche Entwicklungen wie die wachsende Zurückhaltung der Menschen gegenüber Institutionen nicht umdrehen. Für die Kirchen - die katholische wie die evangelische - ginge es laut dem Politologen "vielmehr um eine Schadensbegrenzung". Er verwies auf "durchaus seriöse Studien", wonach diese sonst in absehbarer Zeit ein weiteres Drittel an Mitgliedern verlieren. Das Rezept dagegen könne nicht der Rückgriff darauf sein, "wie es früher einmal war", warnte Filzmaier: "Die Kirche muss den Mut haben, Dinge neu zu probieren."
Gerade in einer polarisierenden Situation wie jetzt in der Corona-Pandemie müsse sich die Kirche um jene bemühen, die ihr bzw. der Religion überhaupt fernstehen. "Das ist schwierig", meinte Filzmaier: "Denn die Kirche ist alt - wie sich schon bei den regelmäßigen Kirchgängern zeigt. Die Kirche müsste viel stärker an Jüngere herankommen."
Gesellschaftspolitisch "soll, darf und muss" sich die Kirche "selbstverständlich zu Wort melden", so Filzmaier weiter. Wie erfolgreich sie damit sein kann, sei offen. In einzelnen Bereichen könne die jedenfalls sehr wohl etwas ausrichten: "Gerade wie zuletzt, wenn es heißt, Lücken bei der dritten Impfung für ältere Menschen zu schließen. Da hat die Kirche die Chance, mehr Menschen zu erreichen als andere Organisationen."