Zuständiger Nationaldirektor Kraljic: Katholiken mit Migrationshintergrund sind Bereicherung für ihre Wohnpfarren, haben aber teils noch Berührungsängste zu Pfarrgemeinderatswahlen.
Eine halbe Million Katholiken in Österreich haben eine andere Muttersprache als Deutsch und nehmen zum Teil auch religiöse Angebote in dieser Sprache wahr. Der Pfarrgemeinderat (PGR), der österreichweit am 20. März gewählt wird, kann Chancen eröffnen, die Integration in die deutschsprachige Wohnortpfarre zu stärken - oder auch nicht. Denn nicht bei allen Gläubigen mit Migrationshintergrund ist das Wahlmodell bereits etabliert, hat Alexander Kraljic, Nationaldirektor für die katholische fremdsprachige Seelsorge dargelegt.
Die Kirche unterstütze ausdrücklich, dass Menschen nicht-deutscher Muttersprache für den PGR kandidieren, betonte Kraljic. "Finden sich keine Kandidaten mit Migrationshintergrund, obwohl es in einer Pfarre eine bedeutende Gruppe von ihnen gibt, oder erreichen solche Kandidaten nicht die nötigen Stimmen, so besteht dennoch die Möglichkeit einer Kooptierung oder einer gezielten Einladung zu PGR-Sitzungen, wenn Themen behandelt werden, die sie betreffen." Speziell bei der Jahresplanung oder bei der Vorbereitung für gemeinsame Aktivitäten seien solche Einladungen äußerst sinnvoll.
Fremdsprachige Gläubige haben in Österreichs Kirche eine sehr wichtige Funktion, zeigte sich Kraljic überzeugt. Besonders in den Städten würden Menschen mit Migrationshintergrund oft eine große Gruppe der aktiven Kirchgänger und Gemeindemitglieder stellen. Die Anerkennung und Wertschätzung für diese als "Teil der kirchlichen Landschaft" nehme ständig zu. Auch würden die von Migranten mitgebrachten Glaubenstraditionen über mehrere Generationen in der Religiosität und Spiritualität nachwirken, selbst wenn längst Deutsch Umgangssprache geworden ist. Diese Präsenz verschiedener Sprachgruppen sei eine "Bereicherung für das Pfarrleben".
Eine Sonderrolle haben dabei laut dem Nationaldirektor die über 30 in den Großstädten verorteten "anderssprachigen Gemeinden", in denen der Gottesdienst in der jeweiligen Muttersprache gefeiert wird. Eigene Pfarrgemeinderäte gäbe es nur in den größten dieser Gemeinden, in Wien etwa in der polnischen, philippinischen oder kroatischen Gemeinde, während anderswo Vertreter in die deutschsprachigen Pfarrgremien entsandt werden. Speziell bei den außereuropäischen Gemeinden seien die anstehenden PGR-Wahlen jedoch nur wenig Thema, sagte Kraljic. Ein Hauptgrund sei, dass Demokratie und Mitbestimmung in kirchlichen Belangen in vielen Herkunftsländern noch vergleichsweise wenig ausgeprägt seien.
So sei etwa bei koreanischen Katholiken in Österreich das Wahlmodell unüblich, da hier vielmehr der Priester bestimmt, wer in ein solches Gremium kommt. Ganz anders die Situation bei afrikanischen Gemeinden: Dort sei das Mitbestimmen per Wahl "etwas ganz Wichtiges, da viele Mitglieder noch keine Staatsbürgerschaft haben und im politischen Bereich nicht wählen dürfen", erklärte Kraljic. Mancherorts komme es sogar zu regelrechten Wahlkämpfen, bei denen Kandidaten für bestimmte Funktionen eigene Wahlprogramme erstellen und dann gegeneinander antreten. Vorsicht hält Kraljic hier für angebracht, könne doch das Ergebnis einer solchen Wahl auch inhomogen sein - "dass das Gemeindeleben dann über Monate belastet ist. Auch das kommt vor."
Die Gründe, eine anderssprachige Kirchengemeinde zu besuchen, seien sehr unterschiedlich, schließlich gebe es für Katholiken mit Migrationshintergrund ja immer auch die Möglichkeit, am Leben der deutschsprachigen Wohnpfarre teilzunehmen. "Manche bevorzugen es aus emotionalen Gründen, den Gottesdienst in der eigenen Sprache und mit Menschen des eigenen Kulturraumes zu feiern. Manche wechseln auch und sind aktive Mitglieder in ihrer Wohnpfarre, kommen dann aber zu bestimmten Festen in die anderssprachige Gemeinde." Auch dies sei sinnvoll, so der Nationaldirektor. "Ziel ist, dass man sich im eigenen religiösen Leben wohlfühlt. Jeder soll, sofern es das Angebot gibt, aussuchen können, was er dafür in Anspruch nehmen will."
Darüber hinaus seien anderssprachige Gemeinden "wichtige Brücken und Integrationshilfen, besonders für Neuzuziehende", würdigte Kraljic. Formen der Hilfe, die sonst kaum oder nur schwierig möglich seien, könnten dort oft rasch und persönlich vermittelt werden. Kraljic: "Etwa, wenn jemand ein Problem mit seiner Aufenthaltsbewilligung hat, wird in der normalen deutschsprachigen Pfarre niemand weiterhelfen können. In der Sprachgemeinde ist immer ein Teil der Gläubigen selbst davon betroffen und kann mit Rat und Tat zur Seite stehen." Freilich: Wo es Unterschiede gibt, kommt es auch zu Spannungen, worin kirchliche Gemeinden keine Ausnahme machen. Für einen konstruktiven Umgang damit sei das Bewusstsein wichtig, "dass es teils ganz andere kulturelle Vorstellungen, Grundverständnisse und Geschwindigkeiten gibt - etwa was das Thema Gleichberechtigung betrifft".
Das Angebot einzelner Sprachgruppen solle nicht dazu führen, "dass lauter Sondergruppen entstehen, die dann nicht miteinander kommunizieren", betonte Kraljic. Versucht werde daher auch, die Gemeinden nicht nur mit der österreichischen Mehrheitsgesellschaft, sondern auch untereinander in Kontakt zu bringen. "Wir legen Wert darauf, dass sich beispielsweise die Chinesen für die Lateinamerikaner interessieren oder die Polen für die Ungarn und Albaner, dass man übereinander weiß und sich wertschätzt. Zu bestimmten Zeitpunkten versuchen wir daher, die verschiedenen Gemeinden zusammenzubringen bei Anlässen, an denen dann gemeinsam gefeiert wird." Am "Sonntag der Völker" im September werden daher die europäischen Gemeinden in die Domkirchen geladen, am "Sonntag der Weltmission" im Oktober dann für die außereuropäischen. Hier lerne man, "unterschiedliche Stile zu verbinden", so der Nationaldirektor.
Zu den verbindenden Elementen gehören schließlich auch Zeichen konkreter Solidarität. Seit einigen Jahren ist man bestrebt, in den fremdsprachigen Gemeinden auch Projekte zu unterstützen, die auf Leid im Bereich einer bestimmten Sprachgruppe reagieren - sprich, Spendensammlungen oder Benefizveranstaltungen, bei denen dann Sprachgrenzen überwunden werden. So habe es beispielsweise nach dem Kroatien-Beben, nach der Flüchtlingstragödien in Bergkarabach oder nach Wirbelstürmen in Philippinen in mehreren fremdsprachigen Gemeinden Spendenaktionen in der Fastenzeit gegeben. "Dieses Jahr steht die Hilfe für die Ukraine im Mittelpunkt", berichtete Kraljic. Meist gebe es dabei ein "sehr großzügiges Echo".