"Es gibt vermehrt Meldungen von Missbrauchs- und Gewaltfällen, weil die Mitarbeiter sensibler dafür geworden sind, dass es neben sexueller auch andere Formen von Gewalt gibt", so Stabstellen-Leiterin Sabine Ruppert.
"Es gibt vermehrt Meldungen von Missbrauchs- und Gewaltfällen, weil die Mitarbeiter sensibler dafür geworden sind, dass es neben sexueller auch andere Formen von Gewalt gibt", so Stabstellen-Leiterin Sabine Ruppert.
"Stabsstelle für Prävention von Missbrauch und Gewalt" vor zehn Jahren gegründet - Leiterin Ruppert: "Mitarbeiter sind sensibler dafür geworden, dass es neben sexueller auch andere Formen von Gewalt gibt". Mehr als tausend haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitende geschult.
Seit mehr als zehn Jahren besteht in der Erzdiözese Wien die heute als "Stabsstelle für Prävention von Missbrauch und Gewalt" bekannte kirchliche Gewaltschutzeinrichtung. Der Akt der Gründung gilt bis heute als zeichenhaft dafür, dass die Erzdiözese dieses Thema ernst nimmt. Ziel ist es, kirchliche haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende für das Thema Missbrauch und Gewalt zu sensibilisieren, die Präventionsarbeit in der Erzdiözese zu institutionalisieren und Mitarbeitende zu beraten. Das zehnjährige Bestehen soll im Herbst gebührend gefeiert werden, so es die Pandemie zulässt, so Stabstellen-Leiterin Sabine Ruppert.
Wie die Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" zuletzt berichtete, ist für Ruppert die Präventionsarbeit als Teil der Erzdiözese Wien "selbstverständlich geworden". Die Pflegewissenschafterin und diplomierte Erwachsenenbildnerin hat 2020 die Stabsstelle von Martina Greiner-Lebenbauer übernommen. Um die Präventionsarbeit weiter zu festigen, sensibilisiert sie in verpflichtenden Workshops kirchliche Mitarbeitende für die vielfältigen Formen von Gewalt.
Inzwischen wurde die Eintausender-Marke der Workshop-Teilnehmenden übersprungen. Für Ruppert ist das in Meilenstein in der Aufklärungsarbeit, der sich auch praktisch bemerkbar macht: "Es gibt vermehrt Meldungen von Missbrauchs- und Gewaltfällen, weil die Mitarbeiter sensibler dafür geworden sind, dass es neben sexueller auch andere Formen von Gewalt gibt."
Viel ist vorwärtsgegangen in den vergangenen zehn Jahren, viel hat Ruppert für die Zukunft vor: Alle kirchlichen Verantwortungsträger sind laut der österreichweiten Rahmenordnung gegen Missbrauch und Gewalt mit dem Titel "Die Wahrheit wird euch frei machen" verpflichtet, für ihren Bereich Schutzkonzepte zu entwickeln. Das in die Tat umzusetzen, hat sich Ruppert neben vielem anderen zur Aufgabe gemacht. Mit einem Ziel: In der Kirche ein präventives Umfeld zu schaffen, in dem alle vor Übergriffen und Gewalt in jeglicher Form geschützt sind.
Dieses große Ziel hatte bereits Martina Greiner-Lebenbauer im April 2012, als sie ihre Arbeit als Leiterin der damals neu gegründeten "Stabsstelle für Prävention von Missbrauch und Gewalt, Kinder- und Jugendschutz" der Erzdiözese Wien begann. Das Bekanntwerden der Missbrauchsfälle 2010 seien der Anlass für die Gründung gewesen. "Ich hatte große Rückendeckung seitens der Kirchenleitung, denn das Thema Missbrauchsprävention war Kardinal Christoph Schönborn und dem damaligen Generalvikar Franz Schuster ein wichtiges Anliegen", erzählte die ehemalige Pastoralassistentin in der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag". Sie habe aber auch Widerstand in Kirche und Gesellschaft erfahren. Die falsche Annahme, Missbrauch und Gewalt könnten heutzutage nicht mehr passieren und gehöre der Vergangenheit an, habe sie immer wieder gehört. Gegen Bagatellisierung von Gewalt wollte sie entschieden vorgehen, betonte die frühere Stabsstellen-Leiterin.
Zu Beginn stand die Vernetzung innerhalb und außerhalb der Kirche, Schulungen für Pfarren, Gruppen und eigene Richtlinien für die Kinder- und Jugendarbeit sowie Beicht- und Seelsorgegespräche.
Zur Haupttätigkeit der Stabsstelle zählen Pfarrbesuche, Gruppenleitenden-Schulungen, Dekanatssitzungen und Veranstaltungen zum Thema Gewaltschutz. Zudem ist sie Kontaktstelle für 500 ehrenamtliche Präventionsbeauftragte in den Pfarren der Erzdiözese Wien, die auch den Osten Niederösterreichs umfasst. Die Stabsstelle stellt darüber hinaus berufsgruppenspezifische Weiterbildungsangebote etwa für liturgische Dienste, Schulungen für Ordensschulen, Ordensgemeinschaften, Schulamt, Schulstiftung, Dienststellen. Zum Alltag gehören auch Mitarbeitendentrainings im Bereich Kindeswohl und Beratungsgespräche.
2019/2020 war die Stabsstelle an der Ringvorlesung an der Universität Wien zum Thema "Sexueller Missbrauch von Minderjährigen - Verbrechen und Verantwortung" beteiligt. Inzwischen steht die Stabsstelle außerdem für Fachvorträge in Schulen zum Thema "Gewaltprävention in der Erzdiözese Wien" zur Verfügung. (Infos: www.hinsehen.at)
2010 beschloss die Österreichische Bischofskonferenz ein umfassendes Maßnahmenpaket in Sachen Missbrauchsbekämpfung. Es gilt im Großen und Ganzen bis heute und wird laufend evaluiert bzw. angepasst. Die kirchliche Rahmenordnung vom Juni 2010 stellt sicher, dass heute alle Diözesen und Ordensgemeinschaften sowie alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf die gleichen Maßnahmen und eine einheitliche Terminologie verpflichtet sind. Die Rahmenordnung wurde mehrfach überarbeitet, vom Vatikan approbiert und ist in ihrer dritten Fassung seit 1. September 2021 in Kraft.
Download/Online-Version unter www.ombudsstellen.at
Ziel der kirchlichen Maßnahmen in Österreich ist, erlittenes Unrecht so weit wie möglich anzuerkennen und Konsequenzen für die Täter festzulegen. Missbrauch und Gewalt beziehungsweise deren Duldung durch Wegschauen soll mittels breiter Präventionsmaßnahmen verhindert werden.
In jeder Diözese wurde zudem eine Stabsstelle für Missbrauchs- und Gewaltprävention eingerichtet. Unter dem Leitwort "Hinsehen statt wegschauen" soll fundiertes Wissen über Gewalt und Missbrauch und die Gefährdungspotenziale im kirchlichen Bereich Grundlage der Präventionsarbeit sein. Möglichst viele Mitarbeitende sollen ihre Verantwortung wahrnehmen, durch Sensibilisierung für die Themen verantwortungsvoller Umgang mit Nähe und Distanz, mit Macht, Gewalt und sexuellem Missbrauch. Gefordert sind eine Null-Toleranz-Haltung und ein konsequenter, professioneller Umgang mit Verdachtsfällen. Dazu liegen konkrete Checklisten und Verhaltensregeln vor.