Für Kardinal Schönborn gehört Zeilinger "zu jenen Naturwissenschaftern, die ihre Wissenschaft nicht als Grund sehen, die Transzendenz auszuschließen".
Für Kardinal Schönborn gehört Zeilinger "zu jenen Naturwissenschaftern, die ihre Wissenschaft nicht als Grund sehen, die Transzendenz auszuschließen".
Wiener Kardinal gratuliert neuem Physik-Nobelpreisträger aus Österreich: "Gesprächspartner und Naturwissenschaftler von Weltrang, der Wissenschaft nicht als Grund sieht, Transzendenz auszuschließen".
"Mit großer Freude" hat Kardinal Christoph Schönborn auf die Bekanntgabe der Verleihung des Physik-Nobelpreises an Anton Zeilinger reagiert und ihn als einen "transzendenzoffenen Naturwissenschaftler und Gesprächspartner von Weltrang" gewürdigt. "Ich stelle ihn die Reihe ganz großer Naturwissenschaftler", betonte der Wiener Erzbischof am Dienstag, 4. Oktober 2022 . Für ihn gehöre Zeilinger "zu jenen Naturwissenschaftern, die ihre Wissenschaft nicht als Grund sehen, die Transzendenz auszuschließen".
Bereits 1996 wurde Zeilinger, damals Professor für Experimentalphysik an der Universität Innsbruck, mit dem Kardinal-Innitzer-Würdigungspreis der Erzdiözese Wien ausgezeichnet. Kardinal Schönborn überreichte damals den Preis an Zeilinger, mit dem es in der Folge auch zu Begegnungen und Gesprächen kam. "Sehr gut erinnere ich mich an eine Diskussion mit Professor Zeilinger und seinen Doktoranden über Schöpfung und Evolution", so Schönborn. Das Verhältnis von Wissenschaft und Glauben sei für Zeilinger "immer ein Thema" gewesen.
Zeilinger sprach sich in seiner Laufbahn oftmals für ein Miteinander von Wissenschaft und Religion aus. Konflikte gebe es erst dann, wenn eine der beiden Disziplinen ihren Kompetenzbereich überschreite, so seine Ansicht. Habe zu Beginn des Mittelalters die Kirche teils unhaltbare Positionen vertreten, kämen solche Verstöße heute vonseiten der Naturwissenschaft. Deren Vertreter glaubten teilweise, eine religiöse Weltsicht widerlegen oder ins Lächerliche ziehen zu können - was "Unsinn" sei, denn: "Gott ist nicht fassbar". Eine Synthese beider Bereiche zu finden, sieht Zeilinger als eine der zentralen Zukunftsaufgaben.
Wiederholt referierte Zeilinger auch dezidiert zum Thema "Vernunft und Glauben". 2017 zitierte er dabei - aus Anlass des 25-jährigen Priesterjubiläums von Erzbischof Franz Lackner - einen anderen Physiknobelpreisträger, nämlich Werner Heisenberg (1901-1976): "Der erste Trunk aus dem Becher der Naturwissenschaften macht atheistisch, aber am Grunde des Bechers wartet Gott." Auch ein Ausspruch von Joseph Ratzinger hatte es ihm angetan: "Es gibt keinen Glauben ohne Zweifel, aber der Glaubende kann sich trösten, dass auch der Ungläubige manchmal zweifelt."
Die Physiknobelpreis-Zuerkennung an Zeilinger war am Dienstag in einer Pressekonferenz in Stockholm bekanntgegeben worden. Gemeinsam mit dem 77-jährigen Oberösterreicher wurden auch der Franzose Alain Aspect und der US-Amerikaner John F. Clauser als weitere Preisträger verkündet. Die drei hätten bahnbrechende Experimente mit verschränkten Quantenzuständen durchgeführt, bei denen sich zwei Teilchen wie eine Einheit verhalten, auch wenn sie getrennt sind, so die Begründung der Jury. Die Ergebnisse hätten den Weg geebnet für auf Quanteninformation basierende Technologien wie etwa den Quantencomputer.
Zeilinger stammt aus Ried im Innkreis (OÖ-) und gilt als Pionier der Übertragung von Quanteninformation zwischen Photonen, bei der er in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Durchbrüche erzielt und Übertragungsrekorde aufgestellt hatte. Die Quantenphysik habe mittlerweile den Schritt von der philosophischen Disziplin in die technologische Anwendung geschafft, viele Grundfragen seien aber weiter unbeantwortet, wies der neue Nobelpreisträger hin. Die mit zehn Millionen schwedischen Kronen (knapp 920.000 Euro) dotierte Auszeichnung wird Zeilinger zusammen mit Aspect und Clauser am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel, in Stockholm entgegennehmen.