Wiener Erzbischof gab bei Veranstaltung der "Theologischen Kurse" persönliche Einblicke in die Entstehung des "Weltkatechismus" vor 30 Jahren.
Der Katechismus der Katholischen Kirche, der vor 30 Jahren erschien, "war und ist weltweit ein Erfolg" - auch wenn man das gerade im deutschen Sprachraum nicht immer nachvollziehen könne oder darüber die Nase rümpft. Das hat Kardinal Christoph Schönborn bei einer Veranstaltung aus Anlass des 30-Jahr-Jubiläums am Donnerstag, 12. Jänner 2023, auf Einladung der Wiener "Akademie am Dom" der Theologischen Kurse betont. Neben Einblicken in die Entstehung und seine Arbeit als Redaktionssekretär unter Kardinal Joseph Ratzinger verteidigte Schönborn das Projekt insgesamt: Nicht die Theologie, sondern die Darlegung der Glaubenslehre sei der Gegenstand des Katechismus. Auch halte er es für "gar nicht schlecht, wenn Theologiestudierende oder gar Professoren zumindest eine Ahnung davon hätten, was darin steht."
Joseph Ratzinger war - so Schönborn bei der Veranstaltung und ebenso in einem aktuellen Beitrag für den "L'Osservatore Romano" - die entscheidende Triebfeder des Projekts, die den Wunsch von Papst Johannes Paul II. nach einer konsistenten Darlegung der kirchlichen Glaubenslehre aufgriff. Erstmals artikuliert worden war dieser Wunsch von Kardinälen im Rahmen einer Synodenveranstaltung zum 20. Jahrestag des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65), erinnerte sich Schönborn. Angeregt wurde dabei ein Kompendium zur Lehre der Kirche und des Konzils - "das Wort Katechismus galt damals noch beinahe als Schimpfwort". Er persönlich sei davon "nicht ganz überrascht" gewesen, hatte doch Joseph Ratzinger bereits bei Vorträgen zuvor in Lyon und Paris ein eben solches Werk bereits skizziert und empfohlen.
Eine wichtige und heute laut Schönborn oftmals nicht beachtete Unterscheidung liege in der Methode: Eine Darlegung der Glaubenslehre bedeute nicht eine Darlegung des Standes der theologischen Debatte. Die Theologie stelle die Reflexion über die Lehre dar - diese Unterscheidung sei in der nachkonziliaren Theologie "oft etwas verwischt" worden - was eben zu Missverständnissen und Kritiken am Katechismus selbst geführt habe. Auch den attestierten Mangel an der Auseinandersetzung mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und Fragen wies Schönborn zurück: Der Katechismus brauche sich nicht zur Evolutionstheorie zu verhalten, sondern lege dar, was die Schöpfungslehre besage über die Geschöpflichkeit des Menschen und die Schöpfungsordnung. Dies stelle keinen Widerspruch dar.
Auf Kritik an einer attestierten mangelhaften Rezeption der exegetischen Wissenschaften (Bibelwissenschaften) wurde aus erster Hand geantwortet: So war einer von damals drei Exegeten bei der Veranstaltung anwesend, die auf Einladung Ratzingers den Grundtext des Katechismus auf seine exegetische Verantwortbarkeit durchsahen: Der emeritierte Regensburger Neutestamentler Prof. Hubert Ritt, der inzwischen als Pfarrer in Grinzing tätig ist. "Grosso modo muss ich sagen: Es ist ein gelungenes Werk", so Ritt.
Kritik habe sich außerdem am Grundkonzept einer einheitlichen und verbindlichen Darlegung der kirchlichen Lehre jenseits von allen Inkulturationen des Glaubens entzündet. Darauf habe Ratzinger stets geantwortet: Wenn es nicht möglich ist, den Glauben gemeinsam auszusprechen, dann ist etwas Wesentliches an der Einheit der Kirche zerbrochen. "Es ist alles globalisiert heute - warum sollte es also nicht möglich sein, einen solchen globalisierten Glaubensausdruck zu finden?", fügte Schönborn hinzu.
Schließlich äußerte sich Schönborn auch zur Frage, ob es ein Werk wie den Katechismus heute überhaupt brauche, "um in den Himmel zu kommen". Schmunzelnde Antwort: "Es kann zumindest nicht schaden". Tatsächlich aber müsse man die auf 800 Seiten versammelte Glaubenslehre nicht vollständig kennen, jedoch: "Ich fände es aber gar nicht schlecht, wenn Theologiestudierende oder gar Professoren zumindest eine Ahnung davon hätten, was darin steht."
Der Wiener Erzbischof erinnerte auch an die Diskussionen rund um das Thema Todesstrafe, die "sehr belastend" gewesen seien. Es habe bereits in der Entstehung des Katechismus intensive Debatten über die Frage nach einem "gerechten Krieg" und über die Todesstrafe im Kontext der Ausführungen zum 4. Gebot ("Du sollst nicht töten") gegeben. Hatte die erste Fassung von 1992 noch die Lehrtradition aufgegriffen, dass die Todesstrafe als Abschreckungsmaßnahme zur Verteidigung gegen schwere Verbrechen zulässig sei, so wurde in der folgenden Fassung bereits die Enzyklika "Evangelium vitae" von Johannes Paul II. aufgegriffen. In dieser hatte der Papst, der auf eine Ächtung der Todesstrafe auch im Katechismus drängte, die Abschaffung der Todesstrafe als Zeichen einer wachsenden "Kultur des Lebens" bezeichnete.
Entsprechend dankbar zeigte sich Schönborn über die Änderung unter Papst Franziskus 2018, die auch im Sinne Johannes Pauls II. gewesen sei. Die Kirche lehrt nun "im Licht des Evangeliums", dass die Todesstrafe unzulässig ist, "weil sie gegen die Unantastbarkeit und Würde der Person verstößt". Dies sei ein "schönes Beispiel" dafür, dass es Lehrentwicklungen gebe - wohlgemerkt nicht im Bereich der Glaubenslehre, sondern im Bereich der moralischen praktischen Anwendung.