Polnischer Journalist: Kardinal Wojtyla soll Priester der Erzdiözese Krakau, über deren Taten er informiert war, in andere Gemeinden versetzt haben. Ein Priester wurde in die Erzdiözese Wien geschickt, ohne Erzbischof Kardinal König über die Hintergründe zu informieren.
In Polen gibt es laut APA neuerliche Vorwürfe, Papst Johannes Paul II. (1978-2005) sei vor seiner Zeit als Papst nicht richtig mit kirchlichen Missbrauchsfällen umgegangen oder habe solche Taten gar vertuscht. In seiner Zeit als Kardinal und Erzbischof von Krakau habe Wojtyla demnach von Pädophilie-Fällen gewusst, berichtete der Privatsender TVN am Sonntag unter Berufung auf Recherchen des Journalisten Marcin Gutowski. So soll Wojtyla Versetzungen vorgenommen haben, unter anderem auch nach Österreich.
Gutowski zufolge soll Wojtyla Priester seiner Diözese, über deren Taten er informiert war, in andere Gemeinden versetzt haben, um Skandale zu vermeiden. Einer der Priester sei von dem späteren Papst nach Österreich geschickt worden. Kardinal Wojtyla habe für ihn ein Empfehlungsschreiben an den damaligen Wiener Erzbischof Kardinal Franz König geschrieben, ohne ihn über die Vorwürfe gegen den Priester zu informieren.
Der Wiener Diözesansprecher Michael Prüller bestätigte am Montag, 6. März 2023, dass es zu dem betreffenden Priester keinen Hinweis aus Krakau auf irgendwelchen Missbrauch gegeben habe. "Wir haben das untersucht, als wir Anfang Jänner dieses Jahres eine Anfrage aus Polen erhielten. In unseren Akten gibt es auch keine Hinweise auf mögliche Taten während der Zeit in Österreich. Auch bei der Unabhängigen Opferschutzkommission ist keine Anschuldigung gegen ihn bekannt.", so Prüller. Ein polnisches Fernsehteam, das vor wenigen Wochen in jener Pfarre der Erzdiözese Wien recherchiert habe, in der der Priester gewirkt hatte, habe von der Bevölkerung offenbar nichts Negatives über den ehemaligen Pfarrer gehört.
Marcin Gutowski sprach für seine Recherchen mit Opfern pädophiler Priester, deren Angehörigen und ehemaligen Angestellten der Erziözese. Er stützte sich auch auf Dokumente der ehemaligen kommunistischen Geheimpolizei SB und Dokumente der Kirche. Die Erzdiözese Krakau habe ihm allerdings den Zugang zu ihren Archiven verweigert, sagte der Journalist.
Die katholische Kirche in Polen hatte sich bereits in der Vergangenheit geweigert, Dokumente herauszugeben - selbst an die Justiz oder an eine öffentliche Kommission, die Missbrauchsfälle untersuchte. Ein Zeuge, der anonym bleiben wollte, bestätigte, er habe Kardinal Wojtyla persönlich von pädophilen Handlungen eines Priesters im Jahr 1973 berichtet. "Wojtyla wollte zuerst sichergehen, dass es sich nicht um Bluff handelt", sagte der Zeuge. "Er sagte, er würde sich darum kümmern und bat, es nirgendwo zu melden."
Schon Ende 2022 war der niederländische Journalist Ekke Overbeek mit der Feststellung an die Öffentlichkeit gegangen, er habe "felsenfeste Beweise" dafür gefunden, dass Karol Wojtyla als Erzbischof von Krakau dazu beigetragen habe, Missbrauchsfälle in den Reihen der Kirche zu vertuschen. In Dokumenten fänden sich Informationen zu konkreten Fällen, in denen Wojtyla wissentlich Missbrauchspriester in andere Diözesen versetzt habe. Selbst verurteilten Tätern sei erlaubt worden, in anderen Diözesen weiterzuarbeiten. Overbeek berief sich auf alte Geheimdienstdokumente, die er bei jahrelangen Nachforschungen in polnischen Archiven entdeckt habe.
Der frühere Anwalt ("Postulator") im Heiligsprechungsprozess von Johannes Paul II. hatte daraufhin den früheren Papst gegen den Vorwurf von Missbrauchsvertuschung in Schutz genommen. Johannes Paul II. zu beschuldigen, er habe sexuellen Missbrauch von Kindern begünstigt oder unter den Teppich gekehrt, sei "völlig absurd" und widerspreche den Tatsachen, sagte Slawomir Oder im Interview der polnischen katholischen Nachrichtenagentur KAI im Dezember. Der damalige Papst habe nicht geduldet, dass Kindern Leid zugefügt wird.