Gedenkfeier zur Todesstunde am 80. Sterbetag der Ordensfrau und NS-Märtyrerin am Wiener Straflandesgericht mit Umweltminister Hladik und Botschafter Sitler.
Auf die Aktualität des Lebensbeispiels der NS-Märtyrerin Sr. Maria Restituta - geboren als Helene Kafka - hat am Donnerstagabend zum 80. Todestag eine Gedenkfeier erinnert. Der "Kampf" der Ordensfrau um die für den Rechtsstaat zentralen Werte müsse auch heute geführt werden, sagte der neue tschechische Umweltminister Petr Hladik (38) bei der Veranstaltung, zu der neben Opferverbänden und Mitglieder der Hartmannschwestern auch eine große Abordnung aus Brünn sowie aus der Wiener Pfarre Brigittenau zum Sterbeort der Seligen im Wiener Landesgericht für Strafsachen gekommen war. Nach einem Gedenkakt im großen Schwurgerichtssaal fand zur Todesstunde Restitutas um 18.21 Uhr an ihrer Hinrichtungsstätte ein Wortgottesdienst statt.
Totalitäre Regimes seien darauf ausgerichtet, jegliches Denken, Glauben, den Ausdruck von Wertschätzung wie auch menschliche Werte mit Brutalität zu unterdrücken, sagte Minister Hladik. "Dennoch wachsen auf den Gräbern dieser Märtyrer neue Glaubenszeugen nach, weil Personen wie Sr. Restituta uns Entscheidendes zeigen: Die Existenz der Kraft Gottes, die die Kraft des Einzelnen übersteigt." Bei Sr. Restituta sei dies besonders deutlich zu spüren. "Wie sie gelebt und geglaubt hat, gibt uns Vorbild und Inspiration, um auch selbst bessere Menschen und bessere Christen zu sein."
Ähnlich wie das ukrainische Volk sei die Selige eine Erinnerung daran, "dass der Rechtsstaat nicht vom Himmel fällt, sondern tagtäglich erkämpft werden muss", sagte Landesgerichts-Präsident Friedrich Forsthuber. Sr. Restituta sei ein Vorbild an Menschlichkeit, Stärke, Durchhaltevermögen und Gottvertrauen, habe sich vor allem aber auch von ihren Werten nicht abbringen lassen. Der Gastgeber des Gedenkens zog Parallelen zwischen der NS-Zeit und dem heutigen russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Ein Kampf um jene Werte des demokratischen Rechtsstaates im Gange, "und man muss sich entscheiden, ob man in diesem oder in einer Diktatur leben will", zitierte der Jurist aus der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyji im österreichischen Parlament Stunden davor.
Es bestehe kein Unterschied zwischen den Werten, für die Helene Kafka so tapfer gekämpft habe und jenen, die etwa in der EU-Verfassung im Vertrag von Lissabon zentral seien, sagte Forsthuber. Alles, was dort genannt werde - konkret "Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit, Wahrung der Menschenrechte, Minderheitenschutz, Pluralismus, Nicht-Diskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und Gleichheit von Frauen und Männern" - seien "zeitlose, christliche Werte, da die Werte des demokratischen Rechtsstaates und jene des Christentums nicht auseinander liegen. In beiden steht in der Mitte der Mensch und dessen Freiheit."
Dass sie "die Menschen liebten", könne man von Sr. Restituta wie auch von allen anderen hingerichteten NS-Widerstandskämpfern - "darunter Christen ebenso wie Konservative, Kommunisten oder nicht organisierte Einzelpersonen, die aus der Erkenntnis der Notwendigkeit des Widerstandes gegen das unmenschliche NS-Regime kämpften" - sagen, so der Landesgerichtspräsident. Forsthuber zitierte aus dem Abschiedsbrief eines Häftlings in der Todeszelle, der bekundete, selbst wenn er die Zeit zurückdrehen könnte, hätte er sich erneut für den Widerstand eingesetzt, "denn mein Leben gehört der Freiheit".
Auch der seit Herbst 2022 amtierende tschechische Botschafter in Österreich, Jiri Sitler, war bei der Gedenkstunde zugegen. Sr. Restituta Kafka sei ein bleibender Hinweis darauf, "dass die Wahrheit und Liebe die Lüge und den Hass besiegt", sagte der Diplomat und Historiker.
Ausdruck des "lebenden Vermächtnisses" Sr. Restitutas waren neben der Anwesenheit von rund 120 Beteiligten beim Gedenkakt auch zahlreiche neue Initiativen. Minister Hladik verwies auf die 2019 erbaute Restituta-Kirche in Brünner Stadtteil Lesna sowie auf einen Park in unmittelbarer Nähe des Geburtshauses der Ordensfrau im Stadtteil Husovice, der den Namen der bisher einzigen selig- oder heiliggesprochenen Brünnerin trägt. Voraussichtlich im Jahr 2024 sei dort auch die Errichtung einer Statue geplant, wofür derzeit ein Künstlerwettbewerb laufe.
Zu den neuen österreichischen Initiativen zählt etwa die von Gerichtspräsident Forsthuber angekündigte Neugestaltung des Vorraums der Hinrichtungsstätte, bei der es geschichtliche Verweise zu den NS-Widerstandskämpfern wie auch zur Aufarbeitungsgeschichte geben wird. Der oberösterreichische Priester, Komponist und Liedermacher Heinz Purrer kündigte gegenüber Kathpress eine Restituta-Messe mit Worten der Seligen an, die bei einem Festgottesdienst in der Wiener Franziskanerkirche am 25. Juni um 18.30 Uhr uraufgeführt werden soll. Bereits für Freitag, 31. März, stand ab 18.30 Uhr in der Wiener Pfarre zur Frohen Botschaft ein Kreuzweg mit Restituta-Gedenken auf dem Programm.
In der Gratiszeitung "Heute" (Freitag) erinnerte auch Kardinal Christoph Schönborn an die wegen ihrer forschen, direkten Art mit dem Spitznamen "Schwester Resoluta". Ihre Mitgefangenen hätten sie als "Frau von großem Format", mit "ruhigem Gottvertrauen" und "österreichischem Humor" beschrieben. Auch habe sie alle Menschen, "egal ob Christen, Juden oder Kommunisten" mit gleicher Wertschätzung behandelt und die von den Nationalsozialisten abgenommenen Kreuze in den Krankenzimmern heimlich wieder aufgehängt.
Helene Kafka wurde am 1. Mai 1894 in Husovice (Hussowitz) bei Brünn - inzwischen längst Teil der Hauptstadt Mährens - geboren. Sie kam im Alter von zwei Jahren mit ihrer Familie nach Wien und arbeitete zunächst als Hilfspflegerin im Krankenhaus Lainz. Mit 19 Jahren trat sie in den Orden der Franziskanerinnen der christlichen Nächstenliebe ein, wo sie den Ordensnamen "Maria Restituta" erhielt. Nach dem Ersten Weltkrieg kam sie als Krankenschwester ins Krankenhaus Mödling und brachte es bis zur leitenden Operationsschwester.
Vom Anschluss 1938 an Hitlerdeutschland blieb auch das Krankenhaus Mödling nicht verschont. Schwester Restituta wurden neben der Weigerung, Kruzifixe zu entfernen, auch zwei von ihr verfasste regimekritische Texte zum Verhängnis. Sie wurde am 18. Februar 1942 direkt aus dem Operationssaal von der Gestapo verhaftet und am 29. Oktober 1942 wegen "Feindbegünstigung und Vorbereitung zum Hochverrat" zum Tode verurteilt. Pater Johann Ivanek feierte mit ihr am Hinrichtungstag - 30. März 1943 - in ihrer Zelle noch eine "letzte Erneuerung der Ordensgelübde" und begleitete sie anschließend zur Guillotine. Um 18.21 Uhr wurde Sr. Restituta im Landesgericht Wien gemeinsam mit zwei weiteren Frauen, sechs Straßenbahnern und zehn weiteren Verurteilten enthauptet.
Auf ähnliche Weise starben allein im Wiener Landesgericht insgesamt 600 Widerstandskämpfer durch das Fallbeil, berichtete Präsident Forsthuber.
Insgesamt 1.200 Todesurteile seien im größten ausschließlich mit Strafsachen befassten Gericht Österreichs in der NS-Zeit vollstreckt worden, die meisten davon in den letzten drei Kriegsjahren, "als das Regime bereits erkannte, dass man den Krieg nicht mehr gewinnen wird, und mit voller Brutalität gegen jede Form des Widerstandes vorging".
Sr. Restitutas Leichnam wurde trotz kirchlichen Wunsches nicht ihrem Orden übergeben. Restituta wurde, wie etwa 2.700 andere Personen, anonym in der sogenannten 40er-Gruppe des Wiener Zentralfriedhofs verscharrt. Papst Johannes Paul II. sprach die Ordensfrau am 21. Juni 1998 auf dem Wiener Heldenplatz selig. Sie gilt als die erste weibliche Märtyrerin Österreichs. Ihr liturgischer Gedenktag ist am 29. Oktober, dem Tag des Todesurteils. (Infos: www.restituta.at bzw. www.franziskanerinnen.org)