Der Salvatorianerpater Erhard Rauch in der Podcastreihe "weiter denken - weiter gehen" über die wilden Jahre der jungen Kapläne in der Steiermark sowie die Zukunft des Salvatorianerordens, der heuer sein 100-Jahr-Jubiläum in Österreich begeht.
Spätestens in den 1980er-Jahren war das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) auch in der Steiermark angekommen. Zumindest in der Wahrnehmung von P. Erhard Rauch. Der frühere Provinzial der Salvatorianer in Österreich und langjährige Generalsekretär der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften berichtet in einer neuen Folge der Podcastreihe "weiter denken - weiter gehen" von der etwas verspäteten Konzils-Aufbruchsstimmung in der katholischen Kirche in der Steiermark: "Es gab nichts, was es nicht gab. Wir jungen Kapläne in der Steiermark haben die verrücktesten Dinge gemacht."
So habe man beispielsweise in den Jugendgottesdiensten sehr viel herumexperimentiert. Rauch erinnerte im Podcast-Gespräch an eine Nacht- und Nebelaktion, in der in einer Kirche der Altar umgedreht wurde: "Wir haben ihn sozusagen zum Volksaltar gemacht!" In Erinnerung geblieben sind ihm auch so manche provokante Aktionen: "Wir haben in Graz einen kleinen Durchgang einfach zugemauert, um zu zeigen: So war es in Berlin." Um auf die Not verfolgter Menschen aufmerksam zu machen, sollte ein anderes Mal ein Fleischhauer öffentlich ein Schwein auf dem Marktplatz schlachten; das wurde in letzter Sekunde von den Behörden verboten. "Aber wir durften einen gefesselten Menschen hinter einem VW-Käfer mitziehen!"
Der Sinn hinter all diesen aktionistischen Provokationen lag laut Rauch darin, die Menschen aufzurütteln, "und Aufrütteln kann man eigentlich nur mit starkem Kaffee". Dies habe zu sehr tiefen und guten Diskussionen geführt.
Der Hang, Ecken und Kanten zu zeigen und zu experimentieren sei ihm bis heute geblieben. Rauch ist Pfarrmoderator von St. Michael in der Wiener Innenstadt. So gibt es in der ehrwürdigen Michaelerkirche immer wieder Ausstellungen und Aktionen, die für Aufsehen und Diskussionen sorgen. Zwei Beispiele: In Kooperation mit der Universität für Angewandte Kunst Wien wurde vor einigen Jahren im Kirchenraum eine Installation mit Wärmelampen initiiert, um auf die in vielen Situationen fehlende menschliche Wärme aufmerksam zu machen; der Spendenerlös kam Obdachlosen im rumänischen Temeswar zugute.
Ein anderes Mal sorgte ein Fastentuch, das die Problematik des Menschenhandels in den Mittelpunkt gestellt hatte, bei vielen Kirchenbesuchern für Entsetzen. Zeigte es doch unter anderem einen nackten Frauenkörper. "Doch was ich will, ist Zukunft eröffnen", so P. Rauch: "Glaube kann nicht etwas sein, das mich einengt. Wenn es so ist, dann habe ich es nicht kapiert. Dann ist nicht der Glaube falsch, sondern mein Zugang zum Glauben ist falsch."
Auf das 100-Jahr-Jubiläum der Salvatorianer in Österreich angesprochen, meint Rauch: "100 Jahre ist, glaube ich, für jede Organisation ein sehr kritisches Alter. Da entscheidet sich: Geht es so weiter oder nicht", so der Ordensmann. Jede Organisation und damit auch jeder Orden beginnt mit einer Vision, entwickelt ein Programm und baut eine Administration auf. Dann, so Rauch, "passiert so eine Art Rückwärtsbewegung; es läuft, und man braucht nicht mehr nach vorne schauen, weil alles ja ganz gut funktioniert". So könne es passieren, dass man sich selbst genüge und nur mehr Vorhandenes administriere.
Rauch verweist auf den Pastoraltheologen Paul Zulehner, der einmal warnend sagte: "Es kann sein, dass es einmal eine funktionierende Bischofskonferenz in Österreich gibt, aber keine Gläubigen mehr."
Natürlich dürfe eine Gemeinschaft auch einmal in Frieden sterben, aber "als Christen sind wir doch eher auf Auferstehung hintrainiert. Und das hoffe ich auch für unsere Ordensprovinz der Salvatorianer."
Eine größere Bedeutung für Kirche und Orden werde jedenfalls den Laien zukommen, zeigt sich Rauch überzeugt. Nach entsprechenden Wegen werde freilich noch gesucht: "Was heißt das, wenn wir Mitstreiterinnen und Mitstreiter suchen und bekommen, die mit unserer Ordensgemeinschaft verbunden sind und die mit uns in derselben Ernsthaftigkeit arbeiten? Was heißt das: Wir wollen die Laien zur Mitverantwortung in Kirche und Gesellschaft befähigen? Wie schaut dann unser Programm aus? An dieser Vision arbeiten wir gerade. Das ist eine Herausforderung, die uns gelingen muss, wenn wir nicht friedlich entschlafen wollen. Dann gibt es für uns Salvatorianer vielleicht doch noch ein Durchstarten."
Die zentralen Feierlichkeiten zum 100-Jahr-Jubiläum des Salvatorianer-Ordens in Österreich finden vom 16. bis 18. Juni im Salvatorianer-Kolleg St. Michael in Wien statt. Höhepunkt wird das Symposion "weiter denken - weiter gehen" am 17. Juni sein. Anlässlich des Jubiläums hat der Orden die Podcast-Reihe "weiter denken - weiter gehen" gestartet.
Zum Jubiläum wird aber auch ein Buch mit dem Titel "Erweckte Begeisterung" erscheinen. Das Buch vermittelt durch seine Themenbreite einen Eindruck über das Leben und Wirken der Salvatorianer in Österreich. Präsentiert wird der Jubiläumsband ebenfalls beim Symposion.
Der Gründer der Salvatorianer, Johann Baptist Jordan (1848-1918), wurde am 15. Mai 2021 in Rom seliggesprochen. Er gründete 1881 die "Gesellschaft des Göttlichen Erlösers"; sieben Jahre später folgte der weibliche Zweig des Ordens. Der Salvatorianer-Gemeinschaft gehören heute weltweit rund 2.000 Frauen und Männer an. Sie arbeiten in 40 Ländern unter anderem als Seelsorger, Lehrer und Erzieher.
Salvatorianerpatres wirken in Österreich in Wien-Favoriten (Pfarre Christus am Wienerberg), in der Michaelerkirche in der Wiener Innenstadt, wo sich auch das Provinzialat befindet, in den Pfarren Mistelbach, Hüttendorf, Eibesthal und Paasdorf, sowie Margarethen/Moos, Gallbrunn, Sarasdorf und Trautmannsdorf (alle NÖ) sowie im Grazer Unfallkrankenhaus und Landeskrankenhaus. Auch die Pfarre Elisabethstadt im rumänischen Temeswar gehört zur österreichischen Ordensprovinz, die insgesamt rund 25 Patres und Brüder umfasst.
Infos zu Podcast und Jubiläum: www.salvatorianer.at;
Buch: Martin Kolozs, Robert Passini, P. Peter van Meijl (Hg.)
Erweckte Begeisterung.
100 Jahre österreichische Provinz der Salvatorianer (1923-2023).
Wagner Verlag 2023.
Erscheint Juni 2023