Caritas-Präsident Landau mahnt "menschlichen Umgang mit geflüchteten Menschen" ein - Mit 108 Millionen Menschen so viele wie noch nie auf der Flucht - Sterben im Mittelmeer muss ein Ende haben
Die Caritas ortet dringenden Reformbedarf beim Umgang mit geflüchteten Menschen in Österreich und Europa. "Nehmen wir die Verantwortung für einen menschlichen Umgang mit geflüchteten Menschen endlich an und ermöglichen so Chancen und Perspektiven - auf beiden Seiten", mahnte Caritas-Präsident Michael Landau am Montag in einer Aussendung anlässlich des Weltflüchtlingstages am 20. Juni. So viele Menschen wie noch nie sind derzeit auf der Flucht: 108 Millionen Menschen. "108 Millionen Menschen, die durch Krieg, Verfolgung, Gewalt, Menschenrechtsverletzungen gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen. Unter ihnen auch Millionen von Kindern", so Landau.
Während diese Menschen "vor dem Nichts stehen, ganze Generationen unter schwierigsten Bedingungen leben und aufwachsen müssen", habe die internationale Staatengemeinschaft immer noch keinen Weg gefunden, den Flüchtlingsschutz umfassend und unabdingbar anzuerkennen und umzusetzen, kritisierte der Caritas-Präsident.
Besonders dramatisch habe sich diese Unzulänglichkeit in den letzten Tagen gezeigt. Während die EU-Mitgliedstaaten die Verschärfung der Asylregeln zur Eindämmung irregulärer Migration diskutiert haben, starben bei einem Bootsunglück vor der griechischen Küste hunderte Menschen, ganz überwiegend Kinder und Frauen, auf der Suche nach Schutz. Sie gehören damit zu mindestens 20.000 auf ihrer Flucht im Mittelmeer Getöteten seit dem Jahr 2014. Landau: "Das Sterben im Mittelmeer muss ein Ende haben. Und das heißt auch: Europa muss über so etwas wie eine gemeinsame europäische Such- und Rettungsmission auf dem Mittelmeer reden. Letztlich muss beides möglich sein, Menschen und Grenzen zu schützen."
Die Caritas befürworte, dass sich die EU-Mitgliedstaaten um eine gemeinsame Vorgangsweise in Asylfragen bemühen. Dass die beim EU-Gipfel diskutierten Maßnahmen zu einem EU-weit einheitlichen Vorgehen in Asylfragen derartig tragische Unglücke künftig verhindern können, bezweifelt die Caritas aber. Stattdessen befürchtet man gravierende Einschränkungen des Asylrechts und humanitäre Notlagen, wie sie bereits jetzt in den Hotspots an den EU-Außengrenzen zu sehen sind. Das Fazit nach dem letztwöchigen Gipfel sei klar, so Landau: "Die vorliegenden Vorschläge, die nun mit dem EU-Parlament weiterverhandelt werden, lassen wichtige menschenrechtliche Garantien und humanitäre Erwägungen außer Acht."
Die aktuell diskutierten Maßnahmen sollten gegen Schlepper wirken. Sie würden sich aber vielmehr gegen jene Menschen richten, die Schutz suchen, kritisierte der Caritas-Präsident. Landau: "Hier braucht es ein Umdenken! Wer Schleppern das Handwerk legen möchte, muss bei den Fluchtursachen beginnen und für sichere, legale Fluchtwege und faire, qualitätsvolle Verfahren sorgen. Menschenrechtliche und humanitäre Standards müssen in der EU Vorrang haben."
Reformen des Asylwesens in Österreich
Auch beim Umgang mit Geflüchteten in Österreich zeigen sich nach wie vor Mängel, führte der Caritas-Präsident weiter aus; etwa bei den Herausforderungen für die Vertriebenen aus der Ukraine, beim System der Grundversorgung ganz allgemein, oder auch bei der Integration in den Arbeitsmarkt.
Geflüchtete Menschen verdienten eine adäquate und menschenwürdige Versorgung, Beratung und Betreuung im Rahmen der Grundversorgung. Landau: "Hier braucht es eine Reform der Grundversorgung - neben ausreichender Finanzierung und genügenden Kapazitäten sollte im Zentrum die Heranführung an ein selbstbestimmtes Leben für die Betroffenen stehen. Denn solange sich Menschen um ihre Existenz sorgen, ist an Integration und Zukunftsperspektiven gar nicht zu denken."
Besonders die Situation für die ca. 50.700 Vertriebenen aus der Ukraine, die aktuell in Österreich leben und im System der Grundversorgung festsitzen, spitze sich zu, warnte der Caritas-Präsident weiter. Ihre Armutsgefährdung sei virulent, eine Perspektive für sie fehle, zumal auch ihr anerkannter Status mit März 2024 EU-weit ausläuft. Diese zusätzliche Unsicherheit hemme die gesamte Integration, auch was Spracherwerb, Jobsuche oder Nostrifizierungsprozesse anbelange. Landau plädierte daher für eine Verlängerung des EU-weiten Aufenthaltsstatus für Vertriebene aus der Ukraine und entsprechende Vorbereitungen Österreichs hierauf, gleichzeitig für eine Überführung von der Grundversorgung in die Sozialhilfe mit einer entsprechenden Anbindung an das AMS.
In Österreich stehe man vor einem akuten Arbeitskräftemangel, der nicht mehr nur Fachkräfte, etwa in der Pflege, umfasst. Asylsuchende besser und rascher in den Arbeitsmarkt zu integrieren, würde auch das Asylsystem entlasten, "denn Menschen, die in ihrer Heimat keine Zukunft mehr sehen, hätten die Chance, zum Zweck der bei uns dringend gebrauchten Arbeitsleistung zu migrieren", so Landau: "Hier sollten wir, ohne den Unterschied von Asyl und Migration zu verkennen, zu einem offenen und lösungsorientierten Gespräch in Österreich und Europa gelangen."
"Jugend Eine Welt" verstärkt Ukraine-Hilfe
Am Weltflüchtlingstag verstärkt "Jugend Eine Welt" ihre Hilfe für Binnenflüchtlinge in der Ukraine. 110 Millionen Menschen, die weltweit auf der Flucht sind. Eine neue traurige Rekordmarke, Hauptursache für den abermaligen Anstieg ist der mittlerweile seit knapp 16 Monate andauernden Ukraine-Krieg, teilte die Katholische Hilfsorganisation anlässlich des Weltflüchtlingstags (20. Juni) am Montag mit.
Aktuell gebe 6,3 Millionen Binnenvertriebene in dem Kriegsland. "Unsere Projektpartner vor Ort leisten seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges Tag für Tag übermenschliche Arbeit unter schwierigsten Bedingungen", so Reinhard Heiserer, Geschäftsführer von "Jugend Eine Welt". So unterstütze man etwa ein Kinderspital in Odessa sowie die zahlreichen Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche in der Ukraine und in den angrenzenden Nachbarländern.
"Die Zerstörung des Kachowka-Staudammes und die damit verbundene humanitäre Katastrophe in der Region Cherson haben die Flüchtlingssituation jetzt allerdings nochmals verschärft", so Heiserer. "Waren in Odessa vor dem Staudamm-Bruch bereits 120.000 Binnenvertriebene registriert, erlebt die ukrainische Hafenstadt nun eine weitere Flüchtlingswelle."
Laut Informationen von Projektpartner haben bei ihnen gut 1.500 Menschen aus der betroffenen Region Cherson in Odessa Zuflucht gesucht. "Viele von ihnen hoffen auf eine schnelle Rückkehr, sobald die Überschwemmungen in ihren Heimatorten zurückgegangen sind", so Heiserer. Gleichzeitig verharrte aber noch immer eine große Zahl an BewohnerInnen in der Region Cherson selbst, da sie ihr Hab und Gut nicht zurücklassen wollen.
Um diesen notleidenden Menschen in dem umkämpften und nun zusätzlich überschwemmten Kriegsgebiet zu helfen, bereiteten die "Jugend Eine Welt"-Projektpartner aktuell Nothilfepakete vor, die in den kommenden Tagen in das gut 200 Kilometer entfernte Cherson gebracht werden. "Es handelt sich dabei um dringend benötigtes sauberes Trinkwasser, Lebensmittel, Kleidung sowie Hygieneprodukte", erläutert Heiserer, der um Spenden für die kriegs- und überschwemmungsgeschädigten Menschen bat. (Jugend Eine Welt-Spendenkonto: AT66 3600 0000 0002 4000, oder Online: www.jugendeinewelt.at/spenden)