Podcast "Orden on air" der heimischen Ordensgemeinschaften veröffentlicht posthum eines der letzten Interviews des Gründers der VinziWerke, das kurz vor seinem überraschenden Tod aufgenommen wurde.
Am 19. Juli ist Pfarrer Wolfgang Pucher, Gründer der VinziWerke, im Alter von 84 Jahren überraschend gestorben. Kurz davor hat er den heimischen Ordensgemeinschaften für ihren Podcast "Orden on air" noch ein ausführliches Interview gegeben, das wohl auch eines einer letzten war. Dieses ist nun posthum in der neuesten Podcast-Folge zu hören, wie die Ordensgemeinschaften am Montag in einer Aussendung mitteilten.
Im Podcast-Gespräch blickte Pucher nochmals auf die Anfänge seines Einsatzes für Obdachlose zurück, als er vor rund 50 Jahren Pfarrer in Graz wurde: "Im Winter sind mindestens zwei Personen pro Woche zu mir gekommen. Immer Obdachlose, leicht angetrunken, mit einer halbleeren Weinflasche im Plastiksackerl. Uns sie haben mich gefragt, ob ich ein Bett für sie hätte", erinnerte sich Pucher: "Sie haben mir alle leidgetan, und ich habe sie im Keller übernachten lassen. Was ich damals nicht gewusst habe, war, dass viele der Obdachlosen inkontinent sind, weil sie in der Kälte schlafen und ein sehr ungesundes Leben führen. Sie haben sehr oft den Weg herauf in das Erdgeschoss nicht gefunden, um die Toilette aufzusuchen, und das Haus hat immer mehr einen seltsamen Geruch bekommen. Das war auf die Dauer natürlich keine Lösung."
Von der Firma Wagner-Biro erbettelte sich Pucher einen ersten Wohncontainer, den er neben dem Pfarrhaus aufstellte und mit drei Matratzen versah. Die Obdachlosen kamen am Abend zum Schlafen und zogen am Morgen weiter. Und "hier fiel das erste Mal das Wort 'Dorf', obwohl wir noch weit davon entfernt waren", erzählte der Ordensmann aus der Kongregation der Lazaristen. Nachdem sich dieses Model bewährt hatte, begann Pucher weitere Container zu sammeln.
"Dann hatte ich die kreativste Idee meines Lebens", so Pucher weiter: "Ich gründete die Jugend-Vinzenzgemeinschaft Eggenberg. Ich habe zwölf junge Leute zusammengerufen und ihnen gesagt, wenn ihr mitmacht, kümmern wir uns um Leute, um die sich niemand kümmert. Wir hatten kein Geld, kein Personal, kein Haus, nichts! Aber wir gingen mit Feuereifer an die Sache." Als größte Herausforderung stellte sich heraus, einen Stellplatz für die Container zu finden.
Sobald sie einen passenden Ort gefunden hatten, gab es heftigste Anrainerproteste. "Sogar Pfarrerkollegen haben mich angerufen und gesagt, du hast nicht das Recht, meiner Gemeinde das anzutun." Schließlich fand man den jetzigen Platz in Graz, ursprünglich "nur in der Nacht und auch nur für einen Winter" geplant, aber letztendlich fanden sich die Anrainer mit dem Vinzidorf ab. Ein Schicksal, das übrigens fast alle VinziWerke durchlaufen mussten; eine reibungslose Projektentwicklung gab es nicht.
Mittlerweile finden in den 40 Einrichtungen und Projekten der VinziWerke Österreich insgesamt täglich bis zu 450 Personen Unterkunft und 1.400 Personen werden mit Essen bzw. Lebensmitteln versorgt.
Er sei von Anfang an unkonventionelle Wege gegangen, so Pucher weiter. So war zum Beispiel in den Häusern das Konsumieren von Alkohol erlaubt: "Ich habe erkannt, du kannst einem alkoholkranken Menschen, wenn du ihn in die Herberge aufnimmst, nicht zwingen, dass er auf Alkohol verzichtet. Wenn du ihm vor die Alternative stellst, Bier oder Bett, dann entscheidet er sich hundertprozentig für die Flasche." Und: "Unsere Intention war, einen Menschen so leben zu lassen, wie er kann und nicht wie er muss. Mehr Liebe kann wohl nicht sein."
Für seine Schützlinge habe er gerne eine Lanze gebrochen und sei auch ohne Bedenken mit staatlichen Institutionen angeeckt: "Man darf dem Streit nicht aus dem Weg gehen, aber den Streit zu suchen, weil es lustig ist zu streiten, das bin nicht ich." Medienwirksam war u.a. sein Angebot, jedem 1.000 Euro zu bezahlen, der beweisen kann, dass es organisierte Bettlerbanden gibt. "Der berühmte Bettler-Mercedes, der immer wieder auftaucht. Aber bis heute hat sich niemand die 1.000 Euro geholt", sagte Pucher lachend im Podcast: "Die will niemand haben."
Viele bezeichnen ihn als "Rebell der Nächstenliebe". - Ein Name, über den Pucher nicht so glücklich ist, "obwohl er stimmt", wie er im Podcast selbstironisch hinzufügt. "Das, was der Mehrheit der Menschen fehlt, ist Empathie", zeigte sich Pucher weiters überzeugt. Er verwies auf den hl. Vinzenz von Paul (1581-1660), den Gründer der Lazaristen. Dieser habe betont, der innerste Kern der Liebe Gottes sei seine Barmherzigkeit. Barmherzigkeit bedeute, "jemand etwas zukommen zu lassen, das er nicht verdient hat. Aber er bekommt es trotzdem, weil es ihm schlecht geht und weil er Hilfe braucht". Barmherzigkeit sei das Kernwort des Christentums, so Pucher: "Die Kirche muss immer Oasen der Barmherzigkeit schaffen und die VinziWerke sind solche Oasen der Barmherzigkeit."
Das Requiem für Pfarrer Wolfgang Pucher finden am 12. August (14 Uhr) in der Pfarre Graz-St. Vinzenz statt.
Der Podcast "Orden on air" ist auf der Website der Ordensgemeinschaften Österreichs und auf allen größeren Audioplattformen zu finden.