Designierter Vorsteher von Stift Klosterneuburg, Anton Höslinger, in NÖN-Interview über Turbulenzen, Missbrauchsfälle und deren mangelnde Aufarbeitung: Haben vieles aufgearbeitet und Konsequenzen gezogen, damit "solche Dinge in Hinkunft nicht mehr passieren".
Der designierte Propst des Stifts Klosterneuburg, Anton Höslinger, will den Neuaufbruch des Stifts "konsequent fortführen". Das sagte der Ordensmann, der am 24. September (10.00 Uhr) die Abt-Benediktion durch Kardinal Christoph Schönborn erhält, im Interview mit den Niederösterreichischen Nachrichten (NÖN, Dienstag). "Es stimmt, dass wir in den vergangenen Jahren eine sehr unruhige Zeit gehabt haben", nahm der Augustiner Chorherr Bezug auf Turbulenzen, Missbrauchsfälle und deren mangelnde Aufarbeitung, die letztlich dazu geführt hatten, dass das Stift in den vergangenen Jahren von einem durch den Vatikan eingesetzten externen Leiter geführt wurde.
Seine Wahl sieht Höslinger als Neuanfang und Rückkehr zur Eigenständigkeit: "Vieles, was wir in den vergangenen zwei, drei Jahren neu begonnen haben, muss fortgesetzt werden. Wir dürfen nicht stillstehen." In Bezug auf vergangene Missbrauchsfälle habe man vieles aufgearbeitet und Konsequenzen gezogen. "Es ist eine Präventionsstelle eingerichtet worden, die eine erste Anlaufstelle ist, wenn irgendwo ein Verdacht oder ein Vorwurf auftaucht", so der Vorsteher des Klosters. Damit solle sichergestellt werden, dass "solche Dinge in Hinkunft nicht mehr passieren". Auch ein Kinderschutz-Konzept sei erstellt worden. "Die Chorherren gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind dazu verpflichtet und wir haben ganz bewusst unsere Pfarren einbezogen, wo auch sehr viel Arbeit mit Kindern und Jugendlichen geschieht."
Zwar bezog sich die im Zuge der Apostolischen Visitation im Sommer 2020 festgestellte mangelnde Aufklärung zum Teil auf Fälle, die dreißig Jahre zurückliegen, aber: "In der Sicht von heute auf damals können wir sagen, wir müssen anders reagieren, vollkommen anders handeln", so Höslinger. "Wir bedauern es heute schmerzlich und wir haben sicherlich viel dazugelernt", zeigte er sich überzeugt. So habe er sich in seiner ersten Wortmeldung als neu gewählter Abt bei den Opfern entschuldigt. "Wo etwas passiert ist, stehe ich nicht an, mich auch jetzt in der neuen Funktion für die Gemeinschaft zu entschuldigen."
Höslinger wird, in Person des Erzabts von St. Peter, Korbinius Birnbacher, in den kommenden drei Jahren ein päpstlicher Assistent an die Seite gestellt. Dieser hat die Befugnis, bei allen Kapitelsitzungen dabei zu sein und schickt jährlich einen Bericht nach Rom, um über die angesprochenen Reformprozesse in Stift Klosterneuburg zu informieren. "Ich habe großes Vertrauen, dass dieser päpstliche Assistent ein Begleiter sein wird", betonte der Propst. Trotz der Assistenz sei das Stift aber nun wieder eigenständig, "weil die ganzen Entscheidungen liegen jetzt wieder bei uns selbst". So könne der päpstliche Assistent zwar überall dabei sein, verfüge selbst aber über kein Stimmrecht.
Schwerpunkte will Abt Höslinger in den Bereichen Wirtschaft und bei der Gewinnung von Ordensnachwuchs setzen. "Die Wirtschaft ist ein sehr wesentlicher und großer Teil unseres Hauses, weil die Wirtschaftsbetriebe, die seit der Gründung vor 900 Jahren dazu gehören, Gott sei Dank auch imstande sind, die ganze finanzielle Last, die so ein großes Haus mit sich trägt, auch tatsächlich gut tragen zu können." Das sei auch für Pfarrgemeinden wichtig, die wirtschaftliche Unterstützung durch das Stift erhalten.
Die Gewinnung junger Ordensleute ist Höslinger besonders wichtig, weil "wir wissen, dass die Kirche heute auf allen Ebenen große Nachwuchsprobleme hat". Es sei "ein wesentliches Problem, wie wir gute Mitbrüder gewinnen, die ausgebildet werden, um ihren Dienst im Kloster und vor allem als Seelsorger in den Pfarren leisten zu können". Trotzdem ist Höslinger davon überzeugt, dass das Modell Kloster zukunftsträchtig ist, "weil hier die Gemeinschaft die Arbeit stärken und besser machen kann".
Gerade in Österreich, wo das Klosterleben mit der aktiven Arbeit in den Pfarrgemeinden verbunden ist, habe das Leben in der Klostergemeinschaft Zukunft, so der Ordensmann. "Ich sehe hingegen bei den Priestern, die in den Pfarrgemeinschaften sind, ein sehr großes Problem mit der Einsamkeit." Früher habe es in einer Pfarre einen Pfarrer und oft sogar mehrere Kapläne gegeben, die gemeinsam gearbeitet und gelebt haben. "Heute sitzt der Pfarrer alleine wo und wenn der Nachbar-Pfarrer stirbt, erbt er diese Pfarre gleich dazu."
Für die Zukunft gelte es, den Schwung des Neuanfangs mitzunehmen und den Weg konsequent fortzusetzen. "Die Apostel haben am Anfang nichts anderes getan, als in die Welt hinauszugehen, um ihren Glauben zu verkünden. Dieser Grundauftrag der Kirche ist nie erloschen." Im Laufe der Geschichte sei das "mal einfacher, mal schwieriger, mal erfolgreicher, mal etwas zäher". Das hänge mit den gesamt-gesellschaftlichen Entwicklungen, egal in welcher Epoche, zusammen, zeigte sich Höslinger überzeugt. "Wir sind heute in einer Phase, wo wir nicht einfach hinausgehen und jeder glaubt alles, was wir sagen, und wird uns händeklatschend zujubeln. Aber wir sind überzeugt, dass die Botschaft Jesu Christi nicht nur für uns gut ist, sondern dass wir sie im wahrsten Sinne des Wortes verkünden müssen, damit andere sie hören."