Der frühere tschechische Außenminister ist 85-jährig in Wien gestorben.
Als "großen Europäer" und "Politiker mit festen christlichen Werten" hat Kardinal Christoph Schönborn den früheren tschechischen Außenminister Karel Schwarzenberg gewürdigt. Schwarzenberg ist am Samstag 85-jährig in Wien gestorben. Sein Parteikollege, der frühere Finanzminister Miroslav Kalousek, teilte die Todesmeldung Sonntagfrüh auf X (früher Twitter) mit.
Er denke mit Dankbarkeit und großem Respekt an Schwarzenberg zurück, so Schönborn ebenfalls auf X. Der Kardinal hob die Bereitschaft Schwarzenbergs hervor, nach der "samtenen Revolution" seine Talente für die tschechische Heimat einzusetzen.
"Gott vergelte ihm all das Gute, das er zum Allgemeinwohl weit über Tschechien hinaus beigetragen hat", so Schönborn. Schwarzenbergs Familie gelte in diesen schweren Stunden des Abschieds sein aufrichtiges Mitgefühl, so der Kardinal abschließend.
Der frühere tschechische Außenminister und Ehrenvorsitzende der rechtsliberalen Partei TOP 09 hat über Jahrzehnte die Idee von "Mitteleuropa" geprägt und die Politik in Tschechien, Österreich und Europa bis zuletzt kritisch begleitet. Schwarzenberg war in den letzten Tagen in einem Wiener Krankenhaus hospitalisiert.
"Mit seinem Ableben verlieren wir einen überzeugten Europäer und Politiker, der sich für Menschenrechte, Freiheit und die Werte der Europäischen Union stark gemacht hat. Er hat die europäische, die tschechische, aber auch die heimische Politik geprägt. In diesen schweren Stunden gilt unser Mitgefühl seiner Familie und seinen Freunden", postete Bundeskanzler Karl Nehammer Sonntagvormittag auf X.
Das Portal "Echo24.cz" schrieb unter Berufung auf eine Quelle aus Schwarzenbergs Familie, der Politiker habe sich seit zwei Tagen in einem kritischen Zustand und im künstlichen Schlaf befunden. "Er ist im Kreise seiner Familie gestorben", hieß es auch auf der Website.
Schwarzenberg war vor wenigen Tagen in ein Wiener Krankenhaus geflogen worden. "Fragen Sie die Ärzte, warum sie mich hierher verlegt haben. Ich weiß es nicht. Ich glaube nicht, dass es hier mehr Spezialisten gibt als in der Tschechischen Republik. Ich schätze, dass es ungefähr gleich sein wird, aber hier werde ich es sehen können. Auch werde ich meine Kinder und Enkelkinder sehen können", sagte damals Schwarzenberg, der einen großen Teil seines Lebens in Wien verbrachte.
Schwarzenberg war nach der "samtenen Revolution" 1989 Chef der Präsidentenkanzlei von Vaclav Havel. Später war er Senator und Außenminister. 2009 gründete er mit dem früheren Finanzminister Miroslav Kalousek die rechtsliberalen Partei TOP 09 und war bis 2015 Chef der Partei. Seitdem war er ihr Ehrenvorsitzender. 2013 kandidierte er für das Amt des Staatspräsidenten, in der Stichwahl unterlag er jedoch Milos Zeman.
Jahrelang gehörte der Nachkomme der berühmten Adelsfamilie zu den bedeutendsten Figuren der tschechischen politischen Szene. Geboren wurde Schwarzenberg am 10. Dezember 1937 in Prag. Ein symbolisches Datum, wie er selbst immer wieder betonte, ist dies doch der Tag der Menschenrechte. "Und so ist es vielleicht symbolisch, dass ich in diesem Bereich lange gearbeitet habe", sagte er.
Die Wochenzeitung "Die Furche" hat am Sonntag ein Dossier zu Karel Schwarzenberg online gestellt, mit zentralen Interviews und Analysen sowie Texten aus seiner eigenen Feder.
Mit seinem Alter kokettierte er gern einmal. Als er im Sommer 2020 seinen Abschied aus der tschechischen Politik ankündigte, meinte Karel Schwarzenberg: "Schon heute bin ich der älteste Abgeordnete und wirklich ein alter Greis." Bezogen auf das biologische Alter des damals 82-Jährigen mochte das zutreffen. Aber geistig präsentierte er sich zu dem Zeitpunkt immer noch frischer als manch einer der jüngeren, oft nationalistisch gesinnten Abgeordneten, die heute die Parlamente vor allem im Osten Europas bevölkern.
In der Nacht zu Sonntag ist Schwarzenberg nun mit 85 Jahren gestorben. Soviel ist jetzt schon sicher: Der Ehrenvorsitzende der oppositionellen Partei TOP 09 hinterlässt nicht nur in der politischen Landschaft Tschechiens eine schmerzliche Lücke.
Der Mann hatte etwas zu sagen: Ob im Kalten Krieg als Präsident der Internationalen Helsinki-Föderation für Menschenrechte oder als rechte Hand von Vaclav Havel nach der "Samtenen Revolution" von 1989. Schwarzenberg, der meist einer Fliege den Vorzug vor einer Krawatte gab, pflegte die Freiheit im Denken. Ohne die in Twitter-Zeiten grassierende Lust an der plumpen Provokation, dafür aber stets gewürzt mit einer Prise Ironie und Humor. Ein Staatsmann und Schelm.
Karl Johannes Nepomuk Norbert Friedrich Antonius Wratislaw Mena Fürst zu Schwarzenberg, Graf zu Sulz, gefürsteter Landgraf im Kleggau, Herzog von Krumau entstammte einem uralten Adelsgeschlecht, dessen Geschichte sich bis ins 13. Jahrhundert und weiter zurückverfolgen lässt. Vom fränkischen Scheinfeld mehrten die Schwarzenbergs ihren Besitz und ihren Einfluss. Böhmen wurde zum Kernland.
Schwarzenberg selbst hatte seine eigene Theorie, warum der Adel so lange am Ruder blieb. Die Auslese sei in diesen Kreisen nun einmal besonders streng gewesen, sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Wer je in einer Burg oder auf einem Schloss aufgewachsen ist, weiß, wie kalt und zugig es im Winter sein konnte. Das konnten nur die Härtesten überleben." Erst das 20. Jahrhundert mit seinen Weltkriegen brachte die Vorherrschaft des Adels zu Fall.
Das erfuhr Schwarzenberg am eigenen Leib. Geboren wurde er 1937 in Prag, noch bevor die deutsche Wehrmacht die "Goldene Stadt" besetzte. Mit Kriegsende kamen der Kommunismus und der Verlust der böhmischen Besitzungen. Um dem wachsenden Druck zu entgehen, siedelte die Familie Ende 1948 nach Wien über.
Ein prägendes Erlebnis für den knapp Neunjährigen - und, wie er später trocken bemerkte, ein Grund dafür, warum ihn Politik sein Leben lang interessieren sollte, denn: "Die Politik hat sehr früh begonnen, sich mit mir zu beschäftigen."
Es sollte freilich bis in die 1980er-Jahre dauern, ehe aus dem "freischaffenden Politiker" und Lebemann Schwarzenberg eine feste Größe auf internationalem Parkett wurde. 1985 übernahm er den Vorsitz der Internationalen Helsinki-Föderation und wurde zu einer Art rasendem Vermittlungsausschuss zwischen Ost und West. Sein roter Porsche, schreibt Biografin Barbara Toth, "machte im Schnitt rund 60.000 Kilometer pro Jahr, das meiste davon auf holprigen Oststraßen".
Damals lernte Schwarzenberg Vaclav Havel kennen. "Wir haben viel miteinander gelacht - aber auch sehr viel gearbeitet", umschrieb er im KNA-Interview die besondere Beziehung zu dem Literaten und Bürgerrechtler, der nach der Wende 1989 Staatspräsident der Tschechoslowakei wurde. Als dessen Büroleiter - "Kanzler" - zog Schwarzenberg auf der Prager Burg ein. Nach der Spaltung des Landes in Tschechien und Slowakei 1993 war er von 2007 bis 2009 und noch einmal von 2010 bis 2013 tschechischer Außenminister.
Im eigenen Land erfreute sich "knize" ("der Fürst") bis zuletzt großer Beliebtheit. Legendär waren seine Wahlkämpfe. 2013 ließ er sich auf Plakaten in James-Bond-Pose ablichten. "Wir haben die gleiche Schwäche für langhaarige Wesen und für einen guten Whisky oder Martini", kommentierte Schwarzenberg im KNA-Gespräch. "Außerdem teilen wir die tiefe Überzeugung, dass man das Böse bekämpfen muss."