Kardinal bei Vespergottesdienst zum "Tag des geweihten Lebens" im Wiener Stephansdom: Gemeinsames Kleinerwerden hat auch zu "Lerneffekten" geführt.
Die herausfordernde Wirklichkeit, in der sich die Kirche und der religiöse Glaube heute bewegen, betrifft nach Aussagen von Kardinal Christoph Schönborn die Diözesen und Ordensgemeinschaften ähnlich und schmiedet sie auch zusammen.
Beide hätten in den vergangenen Jahrzehnten "gelernt, dass wir zusammengehören", sagte der Wiener Erzbischof bei einem Vespergottesdienst am Donnerstag, dem Vorabend des "Tag des geweihten Lebens" (2. Februar). Rund 200 Ordensleute aus Wien und Umgebung waren dazu in den Stephansdom gekommen.
Ähnlich wie die meisten Ordensgemeinschaften "nicht mehr so zahlreich wie früher" seien, verhalte sich die Entwicklung bei den Diözesanpriestern, bemerkte Schönborn. "Und auch die Gläubigen sind weniger geworden." Vor 50 Jahren seien im städtischen Allgemeinen Krankenhaus von Wien noch der Großteil der Krankenschwestern Ordensfrauen gewesen, was heute undenkbar sei. "Wie hat sich alles verändert", so der Erzbischof. Dieses Kleinerwerden sei "schmerzlich", verdeutliche jedoch auch die Notwendigkeit eines gemeinsamen Weges - der selbst ebenfalls "nicht immer ganz einfach" sei.
Faszinierend sei die große Anzahl und Vielgestalt der Orden in Wien und weltweit dennoch weiterhin, hielt der Kardinal fest. Es gebe neben beschaulichen und apostolischen Gemeinschaften auch Säkularinstitute und geweihte Jungfrauen, und ein Besuch vor wenigen Tagen im Ordensdikasterium in Rom habe ihm gezeigt, "dass ständig neue Gemeinschaften entstehen". In der Erzdiözese Wien würden derzeit 45 Prozent der Pfarren von Ordensgemeinschaften betreut, auch seien die heutigen großen Werke der Kirche wie Spitäler und Schulen einst fast allesamt von Orden gegründet worden.
Auf das "Miteinander und Zueinander" zwischen den Gemeinschaften und Diözesen gelte es gerade angesichts der Herausforderungen besonderes Augenmerk zu legen, unterstrich Schönborn. Teils vernehme er von Ordensseite die Klage, die Diözese schaue zu wenig auf sie, manchmal sei es umgekehrt. Ein gemeinsamer Weg sei vor allem dann möglich, wenn Gott als die Mitte im Blick sei, unterstrich der Erzbischof, der dies am Sinnbild eines Rades verdeutlichte. "Je näher man an den Speichen zur Radnabe in der Mitte kommt, desto näher kommen sich die Speichen auch untereinander."
Für das "gute Miteinander" zwischen Ordensgemeinschaften und Erzdiözese dankte bei der Feier der Abt des Wiener Schottenstiftes, P. Nikolaus Poch. Wesentlich trage Kardinal Schönborn dazu bei - und der Umstand, dass auch er einem Orden angehöre und somit selbst "um die Schönheit und den Wert dieser Berufung, aber auch die Herausforderungen unserer Gemeinschaften" wisse.
Schönborn trat vor 60 Jahren - mit 18 Jahren - als Novize bei den Dominikanern ein. Auch aller anderen Ordens- und Professjubilare wurde bei der musikalisch von einer 17-köpfigen Ordensfrauen-Schola gestalteten Feier gedacht. Teil der zentralen Wiener Feier zum "Tag des geweihten Lebens" - die via Livestream auch im Internet übertragen wurde - war weiters die offizielle Erneuerung der Gelübde Ehelosigkeit, Armut und Gehorsam durch die Anwesenden sowie eine abschließende Agape.
Mit Stichtag 1. Jänner 2022 lebten und wirkten in der Erzdiözese Wien 1.293 Ordensleute in 92 verschiedenen Gemeinschaften, darunter 765 Ordensfrauen und 528 Ordensmänner. Österreichweit beträgt die Gesamtzahl laut Letztstand 4.125 Ordensleute in 192 Ordensgemeinschaften, darunter 2.673 Frauen in 105 weiblichen und 1.452 Patres und Brüder in 87 männlichen Gemeinschaften. Sie betreiben u.a. 23 Ordenskrankenhäuser, 38 Pflegeeinrichtungen und mehreren Kur-, Gäste- oder Exerzitienhäuser, zudem besuchen rund 52.000 Schülerinnen und Schüler die landesweit 191 Ordensschulen.