Bei Gottesdienst zum 20. Todestag von Kardinal König und zum 60-Jahr-Jubiläum der Stiftung "Pro Oriente" im Wiener Stephansdom wurde bunte Vielfalt der Kirchen in Ost und West sichtbar. Bischof Scheuer: Kirchen müssen sich gemeinsam für Versöhnung, Frieden und das Gemeinwohl einsetzen.
Im Zeichen der wachsenden Einheit der Kirchen stand am Mittwochabend im Wiener Stephansdom der Gedenkgottesdienst für den Wiener Erzbischof Kardinal Franz König (1905-2004), dessen Todestag sich am 13. März zum 20. Mal jährte. Der Gottesdienst war zugleich auch der Dankgottesdienst zum 60-Jahr-Jubiläum der Stiftung "Pro Oriente", die 1964 von König gegründet wurde. Aus Rom war Kurienkardinal Kurt Koch, Präfekt des Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen, nach Wien gekommen, der dem Gottesdienst vorstand. Kardinal Christoph Schönborn konnte krankheitsbedingt am Gottesdienst nicht teilnehmen.
Mit Kardinal Koch konzelebrierten u.a. der Linzer Bischof Manfred Scheuer, Weihbischof Franz Scharl, der emeritierte maronitische Erzbischof von Beirut Boulos Matar, der chaldäisch-katholische Bischof von Aleppo, Antoine Audo, und Ostkirchen-Generalvikar Yuriy Kolasa.
Am Gottesdienst nahmen u.a. auch der griechisch-orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis), der armenisch-apostolische Bischof und Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, Tiran Petrosyan, der syrisch-orthodoxe Metropolit Mor Polycarpos Aydin sowie der für Österreich zuständige rumänisch-orthodoxe Metropolit Serafim (Joanta) teil. Dazu zahlreiche weitere hochrangige Vertreterinnen und Vertreter der orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Kirchen, aber auch der Kirchen der Reformation; so etwa die altkatholische Bischöfin Maria Kubin oder die methodistische Pastorin Esther Handschin.
Bischof Scheuer ging in seiner Predigt auf die ökumenischen Verdienste Kardinal Königs sowie der Stiftung "Pro Oriente" ein. 60 Jahre "Pro Oriente" seien auch 60 Jahre Pflege von persönlichen Freundschaften, so Scheuer. Solche Freundschaften hätten Kardinal König und Kardinal Schönborn sehr intensiv gepflegt: "Persönliche Freundschaft ist immer eine ganz entscheidende Brücke, um sich unter Christen, die kirchlich getrennt sind, menschlich und gläubig zu verstehen."
Im ökumenischen Dialog brauche es "Lernbereitschaft und Lernfähigkeit, die Bereitschaft damit zu rechnen, auch einmal falsch zu liegen sowie die Reinigung des Gedächtnisses", so Scheuer, der auch Präsident der Kardinal-König-Stiftung ist, die sich die Bewahrung und Fortführung des geistigen Erbes von Kardinal König zur Aufgabe gemacht hat. Einige der wichtigsten Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) - Nostra aetate" -, das sich mit dem Verhältnis von Christen und Juden befasste, trage die Handschrift Kardinal Königs, erinnerte Scheuer.
Und im Blick auf die Gegenwart hielt der Bischof fest, dass sich ökumenischer Konsens und Dissens thematisch quer durch die Konfessionen und kirchlichen Bekenntnisgemeinschaften ziehen würden: "Es gibt in jeder Kirche Befürworter des ökumenischen Dialogs, aber auch Gegner, die in der Ökumene einen Sündenfall und Verrat sehen." Unterschiede in dogmatischen Fragen wie zu Kirchenverfassung, Hierarchie und Synodalität, Primat, Amt und Kirche, auch zu Rechtfertigung und Glaube würden inzwischen weniger heftig ausgefochten als widersprüchliche Auffassungen zur Homosexualität. Und in politischen Fragen zum Rechtspopulismus, zu Flucht und Asyl, zu Krieg und Frieden, Wirtschaft und Gerechtigkeit gebe es neue Koalitionen und auch Verwerfungen, die mit den Konfessionsgrenzen oft recht wenig zu tun hätten.
Angesichts der großen globalen Herausforderungen erscheine es dringend notwendig, "dass sich die Kirchen gemeinsam für Versöhnung, Frieden und das Gemeinwohl in der Gesellschaft einsetzen", betonte Scheuer. Die Kirche verstehe sich von ihrem Selbstverständnis als "Gottes Friedensbewegung auf Erden, als Zeichen der Einheit und der Versöhnung der Menschen untereinander und mit Gott". Eine Spiritualität des Friedens setze auf den Dialog als Grundpfeiler in der Konfliktbewältigung, so Bischof Scheuer. Nachsatz: "Dialog war ein Schlüsselwort für Kardinal König."
Die Stiftung "Pro Oriente" war an erster Stelle von Präsident Alfons Kloss und den Vorsitzenden der Sektionen Linz, Salzburg und Graz, Josef Pühringer, Dietmar Winkler und Peter Piffl-Percevic vertreten. Die Kardinal-König-Stiftung war neben ihrem Präsidenten Bischof Scheuer u.a. auch durch Generalsekretärin Annemarie Fenzl vertreten. Dazu kamen zahlreiche weitere Vertreterinnen und Vertreter aus den verschiedenen Kirchen, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft im Land.
Im Rahmen der Messe wurde u.a. für alle verstorbenen Förderer, Protagonisten und Mitglieder der beiden Stiftungen gebetet; besonders auch für den 2011 verstorbenen Wiener griechisch-orthodoxen Metropoliten Michael (Staikos), die 2015 verstorbene Ökumene-Pionierin Oberin Christine Gleixner und für Adolf Bayer, der als letztes Gründungsmitglied von "Pro Oriente" im vergangenen September mit 94 Jahren verstorben war. Er war auch in der Kardinal-König-Stiftung aktiv.
Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst von Thomas Dolezal mit Reminiszenzen an den Begräbnisgottesdienst für Kardinal König im März 2004, dem damals Kardinal Joseph Ratzinger als Dekan des Kardinalskollegiums vorgestanden war. Der rumänisch-orthodoxe Chor "Hl. Andreas" gestaltete mit Gesängen aus der byzantinischen Liturgie die Messe mit. Das "Vater Unser" wurde von der Solistin Diana Abu Nader in syrisch-aramäischer Sprache vortragen.
Mit dabei beim Gottesdienst waren auch die Teilnehmenden des derzeit in Wien stattfindenden "Pro Oriente"-Workshops für orthodoxe und orientalisch-orthodoxe Jugendliche aus ganz Europa; ebenso die Geistlichen und Theologinnen und Theologen, die derzeit in Wien an den Tagungen der "Pro Oriente"-Kommission Forum Syriacum und der "Pro Oriente"-Kommission für Ökumenische Begegnung zwischen den Orientalisch-Orthodoxen Kirchen und der Katholischen Kirche teilnehmen.
Im Anschluss an die Messe fand ein kurzes Gebet am Grab von Kardinal König in den Katakomben des Stephansdoms statt
Franz König wurde am 3. August 1905 in Rabenstein/Pielach geboren und 1956 Erzbischof von Wien. Als prägende Gestalt des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) setzte er sich unter anderem besonders für den ökumenischen und interreligiösen Dialog ein. Papst Paul VI. berief ihn 1965 zum Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Nichtglaubenden, den er bis 1981 leitete. 1985 nahm Papst Johannes Paul II. Königs Rücktrittsgesuch als Erzbischof von Wien an. Er starb in den frühen Morgenstunden des 13. März 2004 im Alter von 98 Jahren in Wien.
Wenige Tage, bevor die Bischöfe auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil 1964 das Ökumenismusdekret "Unitatis Redintegratio" verabschiedeten, gründete Kardinal König als damaliger Wiener Erzbischof am 4. November die Stiftung "Pro Oriente". Die Stiftung leistete und leistet auf vielfältige Weise Pionierarbeit in der Förderung des Dialogs zwischen den Kirchen in Ost und West. Pro Oriente engagiert sich vor allem im inoffiziellen Dialog zwischen der katholischen Kirche und den orthodoxen bzw. orientalisch-orthodoxen Kirchen und trägt so dazu bei, verloren gegangenes Vertrauen zwischen den Kirchen zurückzugewinnen und die offiziellen Begegnungen und Dialoge vorzubereiten.