Gemeinsamer Besuch von Schönborn und Ludwig im Dom Museum Wien. Museum zeigt noch bis Ende August Sonderausstellung "Sterblich sein".
Bürgermeister Michael Ludwig und Kardinal Christoph Schönborn haben gemeinsam das Dom Museum Wien besucht. Direktorin Johanna Schwanberg führte die beiden am Mittwoch durch die derzeit laufende Sonderausstellung zum Thema "Sterblich sein". Die Ausstellung, die sich mit dem "unausweichlichsten Bestandteil jeder Existenz" auseinandersetzt, läuft seit Herbst 2023 und ist noch bis 25. August 2024 geöffnet.
Wie bei Sonderausstellungen im Dom Museum Wien gewohnt, soll mittels Gegenüberstellung von Kunstwerken verschiedener Epochen ein kulturhistorischer Bogen bis in die Gegenwart gespannt werden. "Sterblich sein" spürt der tiefen Bedeutung von Tod nicht nur im individuellen, sondern auch im kollektiven und gesellschaftspolitischen Kontext nach. Intime, persönliche Ansätze werden genauso beleuchtet wie die öffentliche, politische Rolle des Sterbens und die Auseinandersetzung damit.
Bürgermeister Ludwig zeigte sich am Rande des Besuchs gegenüber der Nachrichtenagentur Kathpress von der Sonderschau "sehr berührt, wenn einem bewusst wird, dass wir endlich sind. Als Christen gehen wir davon aus, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Und zugleich bedeutet das, dass wir mit großer Verantwortung mit dem Leben umgehen müssen, für uns selbst, aber vor allem auch für die Menschen, die mit uns gemeinsam durchs Leben gehen."
Das Dommuseum sei eines der am besten kuratierten Museen in Wien, so der Bürgermeister. Es biete die ausgezeichnete Möglichkeit, "sich mit dem christlichen Glauben auseinanderzusetzen und zugleich Künstlerinnen und Künstler aus verschiedensten Epochen kennenzulernen, die sich mit Religion und Kirche beschäftigt haben". Dem Dommuseum gelinge es immer wieder, die aktuellen wichtigen Themen der Menschheit anzusprechen, so wie derzeit etwa die Auseinandersetzung mit dem Tod.
Gleich im ersten Raum der Sonderausstellung erfolgt die mehrere Epochen verbindende Auseinandersetzung mit dem Tod mit einer lindenhölzernen "weinenden Maria" des Barockbildhauers Giovanni Giuliani aus der Kunstsammlung des Stiftes Heiligenkreuz vor dem großfomatigen Bildnis "Ce n'est qu'un au revoir" (dt.: "Es ist nur ein Auf Wiedersehen") des 1995 geborenen französisch-senegalesischen Künstlers Alexandre Diop, der mit Tod und Trauer fast spielerisch leicht umgeht.
Den größten Raum der Sonderschau teilt eine Wand, die auf der einen Seite ebenfalls eine beeindruckende Skulpturengruppe Giulianis zeigt: Die "Kreuzabnahme" (um 1730) eines der bedeutendsten Bildhauer des österreichischen Barock vermittelt ein Passionsgeschehen, in dem gleichzeitig christliche Auferstehungshoffnung zum Ausdruck kommt. Ganz anders das mehr als ein Jahrhundert früher entstandene, von Nikolaus Gansterer jüngst zeichnerisch neu kontextualisierte Gemälde "Triumph des Todes" von Jan Brueghel dem Jüngeren, der in düsterer Szenerie zeigt: Dem Tod entgeht niemand.
Diese unerbittliche Wahrheit provoziert Protest - in der Schau künstlerisch und zugleich augenzwinkernd umgesetzt von der französischen Künstlerin Orlan mit einem hohen Stapel von Plakaten, auf denen eine "Petition gegen den Tod" abgedruckt ist. "Es ist genug!", ist darauf zu lesen, "es dauert schon Jahrtausende!". Es sei Zeit, gegen den Tod vorzugehen, denn: "Ich will nicht, dass meine Freund*innen und Familie sterben!" Mit diesem Protest verbunden die Aufforderung: "Unterschreiben Sie diese Petition auf: www.orlan.eu".
Einer von vielen Aktualitätsbezügen zu gegenwärtigen todbringenden Ereignissen stammt von der jungen ukrainischen Künstlerin Olia Fedorova. Sie stellte dem Dom Museum Wien zwei Stoffflächen zur Verfügung, auf denen sie in Charkiw während des russischen Angriffskrieges "Wutgebete" schrieb.
Ein Blickfang in zweiten Raum, in dem hochkarätige Graphiken aus der Sammlung des vor 50 Jahren verstorbenen Priesters und Kunstmäzens Otto Mauer dominieren, ist ein von der Decke hängendes, vier Meter langes Aluminium-Skelett von Otto-Mauer-Preisträger Manfred Erjautz. Die Knochenhand verdeckt die Augenhöhlen der schwebenden Gestalt und begründet deren Titel "Blindflug".
Weitere Highlights der an Merk-Würdigem reichen Ausstellung: Albin Egger-Lienz' Gemälde "Der Bauer und der Tod", schräg darunter Kriegsausrüstung und Uniform als Hinweis darauf, dass das Todesgeschäft zeitlos ist. Das in der Kunstgeschichte so bedeutsame Motiv der Pietà aktualisiert die Schau mit einer lebensechten Silikonskulptur zweier Männer: Der jüngere hält den nackten, wohl toten alten im Arm. Eindrucksvoll auch die Fotoserie des Syrers Khaled Barakeh, in der die aus Kriegsszenerien getragenen Opfer herausgeritzte, weiße Leerflächen bleiben.
"Wir sind davon überzeugt, dass wir unserem Publikum diese Ausstellung zumuten können, ja sogar müssen", so Museumsdirektorin Schwanberg im Kathpress-Interview. Durch die Pandemie und die aktuellen Kriege sei das Bewusstsein wieder stärker geworden, "dass wir eben als Menschen sterblich sind". Das Dom Museum sei der geeignete Ort, um sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Nachsatz: "Der Tod ist ja immer etwas tabuisiert in unserer Gesellschaft. Wir sehen in dieser Ausstellung deshalb auch die große Chance, das Leben wieder besonders bewusst zu erleben." Die vielen positiven Rückmeldungen der Besucherinnen und Besucher würden dem Team des Museums recht geben.
Die Themenausstellung "Sterblich sein" im Dom Museum Wien (Stephansplatz 6, 1010 Wien) ist bis 25. August 2024 geöffnet. Dazu ist auch ein mehr als 400 Seiten starker Katalog erschienen. (Info: https://dommuseum.at)