Brasilianisch-österreichischer Bischof: Kirche braucht mehr Teilhabe und Geschlechtergerechtigkeit, soll Frauen Weihegnade nicht länger verweigern. Kritik am jüngsten Synoden-Arbeitspapier.
Vom Gegensteuern angesichts zunehmenden Klerikalismus bis zur Sicherung einer "Weihegnade für Frauen": "Amazonas-Bischof" Erwin Kräutler feiert am Freitag (12. Juli) seinen 85. Geburtstag und ist in seinen Forderungen nach Reformen in der Kirche nicht leise geworden. Antworten auf "besonders schwerwiegende Barrieren für eine synodale Kirche" seien dringend nötig, so der aus Vorarlberg stammende, in seiner Wahlheimat "Dom Erwin" genannte Menschenrechtsaktivist und Ordensmann der Missionare vom Kostbaren Blut in einem Schreiben an Kathpress zu diesem Anlass.
An seiner schon seit Jahrzehnten geäußerten Kritik am streng hierarchisch gegliederten System der katholischen Kirche hält Kräutler weiter fest. Es würde einem allgemeinen Priestertum aller Christinnen und Christen entgegenstehen, so der Jubilar. "Zugehörigkeit benötigt Zugehörigkeitsrecht", was bei von Frauen Geschlechtergerechtigkeit bedeute. Folglich "darf Frauen die Weihegnade nicht länger verweigert werden", mahnte der emeritierte Bischof.
Kräutler war von 1981 bis 2015 Oberhirte von Altamira-Xingu, der mit 350.000 Quadratkilometern damals flächenmäßig größten Diözese Brasiliens. Es sei dort hauptsächlich Frauen zu verdanken, die seit Jahrzehnten "in den Städten und im Busch als Gemeindeleiterinnen, Katechetinnen und Religionslehrerinnen wirken", dass die Kirche in Amazonien "überhaupt lebt", so Kräutler.
Die Teilhabe an der Kirche bezeichnete der emeritierte Bischof als "Recht eines jeden Christenmenschen"; damit gemeint sei, Verantwortung übernehmen zu dürfen. Dennoch tue sich die katholische Kirche mit der Betonung des allgemeinen Priestertums "verdammt schwer", schrieb Kräutler. Als Grund sah er einen "von uns längst verschollen geglaubten Klerikalismus", der sich "aktuell wieder aus den Truhen vergangener Jahrhunderte erhebt". Einen solchen Trend in Richtung "althergebrachte Autorität" sehe er als gefährlich, da diese "Autorität" von Priestern und Bischöfen nicht über das Volk definiert sei. Richtig wäre jedoch das Gegenteil: "Wir sind für das Volk da und mit dem Volk Gottes unterwegs". Darin bestehe die "Synodalität im Sinne Jesu".
Als Teilhabe im Sinne synodaler Orientierung verstand Kräutler auch die Teilhabe der Frau in der Kirche. "Und da ist es für mich sehr verwunderlich, warum unser Papst Franziskus gerade dieses Thema aus dem Synodenprogramm gestrichen und auf den St. Nimmerleinstag hinausgeschoben hat", kritisierte der Bischof.
Nichts abgewinnen könne er dabei den Argumenten, die sich auf die Tradition berufen: "Es geht nicht darum, was vor zweitausend Jahren tatsächlich gegolten hat oder nicht, sondern es geht um eine Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit." Warum im Nachsynodalen Schreiben zur Amazonas-Synode von 2019 die Zustimmung der Bischöfe für verheiratete Priester oder den weiblichen Diakonat "mit keiner Silbe" erwähnt geblieben sei, verstehe er nicht, Nachsatz: "Und das, obwohl es darum gehe, einen eucharistischen Notstand zu beheben".
Pessimistisch zeigte sich der Bischof über den aktuellen synodalen Prozess der Weltkirche: Zwar fordere der Papst Bischöfe zu mutigen Vorschlägen und Ratschlägen auf, gleichzeitig würden aber genau solche nicht aufgenommen. Positiv bezeichnete Kräutler die stimmberechtigten "Synodenmütter - auch wenn das rechtsextreme Lager in unserer Kirche dagegen Sturm läuft".
Das Anfang Juli veröffentlichte Arbeitspapier für die Beratungen während der im Oktober tagenden Weltsynode spreche kaum von "Armen", kritisierte Kräutler. Die Weltsynode könne zwar nicht über den eigenen Schatten springen, "aber ein Rückzug aus der 'bösen Welt' in weihrauchgeschwängerte Sakristeien oder der Versuch, durch liturgische Groß- und Kleinveranstaltungen mit viel Pomp, Trara und prunkvollen Gewändern wieder Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, ist sicher der falsche Weg". Die Gefahr sei groß, dass sich die Kirche nach dem "skandalösen, grausigen Missbrauchskapitel" wieder zu sehr mit sich selbst beschäftige und vergesse, Fragen über die Armut in der Welt zu beantworten.
Kräutler, der sich jahrelang an vorderster Front gegen den Bau des Amazonas-Kraftwerks Belo Monte einsetzte, ist bis heute auch ein international ein gefragter Experte für Menschenrechte, Umweltschutz und Indio-Rechte. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter 2010 den Alternativen Nobelpreis.