Die Mariazeller Wallfahrt der Roma geht auf eine jahrhundertealte Tradition zurück, die 1938 unterbrochen wurde.
Die Mariazeller Wallfahrt der Roma geht auf eine jahrhundertealte Tradition zurück, die 1938 unterbrochen wurde.
Festgottesdienst in der Mariazeller Basilika am Sonntag um 10 Uhr mit Weihbischof Franz Scharl. Expertin Horvath: Anerkennung als Volksgruppe wirkte sich positiv aus.
"Wir sind keine Fremden, weil wir immer schon da waren": Roma, Sinti und Lovara leben seit etwa dem 15. Jahrhundert in Österreich, vorrangig in den ostösterreichischen Bundesländern wie dem Burgenland, Wien und Niederösterreich. Spätestens seit der Anerkennung der Roma als Volksgruppe 1993 gibt es eine positive Wendung in der Eigen- und Fremdwahrnehmung, hat Manuela Horvath, Leiterin der Romapastoral in der Diözese Eisenstadt, im Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress festgestellt. Dazu gehört auch die traditionelle Roma-Wallfahrt nach Mariazell, die am kommenden Sonntag, 11. August, stattfindet.
Dem Festgottesdienst in der Mariazeller Basilika wird am Sonntag um 10 Uhr der Wiener Weihbischof Franz Scharl vorstehen. Mitzelebranten sind Matthias Platzer, geistlicher Assistent für die Angehörigen der Volksgruppe der Roma, sowie der Mariazeller Superior P. Michael Staberl und Pfarrer Helmut Schüller. Horvath rechnet mit rund 60 Teilnehmenden aus Wien und dem Burgenland. Teile der Messe in der Basilika Mariazell, etwa die Lesung, werden in Romanes gelesen, zudem wird eine eigene Musikgruppe spielen.
Das Burgenland hat eine spezielle Verbindung zu kleineren Volksgruppen wie den Roma - 4.500 von ihnen leben im östlichsten Bundesland - sowie den kroatischen und ungarischen Volksgruppen, informierte Horvath. Es sei aber "keine Insel der Seligen, natürlich gibt es auch hier Vorurteile, die man im Wirtshaus hören kann".
Trotz der Anerkennung als Volksgruppe sei man nach wie vor eine Minderheit, die mit Rassismus und Vorurteilen zu kämpfen habe. "Aber dieses Problem haben nicht nur wir Roma und Sinti, sondern alle Minderheiten. Davon dürfen wir uns nicht unterkriegen lassen, sondern müssen dagegen ankämpfen und aufstehen", betonte Horvath.
Gar nicht mehr existent sei hingegen eine strukturelle Ausgrenzung, so die Expertin. Auch umgekehrt werde mittlerweile weder der Kirchen- noch der Schulbesuch von Angehörigen der Volksgruppe der Roma angezweifelt.
Bis heute gibt es im Burgenland vereinzelte Roma-Siedlungen; vor dem Nationalsozialismus sollen es laut Schätzungen mehr als 120 gewesen sein. "Hier im Burgenland kann man als Roma nicht anonym leben, man weiß, wer Roma ist und wer nicht", fasst Horvath das aktuelle Zusammenleben zusammen.
In Österreich gibt es aktuell keine Übergriffe auf Roma-Siedlungen, anders als in den österreichischen Nachbarländern wie Ungarn. "Nach dem Oberwarter Bombenattentat vom 5. Februar 1995 nehmen wir Angriffe oder Übergriffe auf Roma natürlich sensibler wahr, vor allem wenn sie gleich nebenan im Nachbarland wie Ungarn geschehen", meinte Horvath dazu.
Die Mariazeller Wallfahrt der Roma geht auf eine jahrhundertealte Tradition zurück, die 1938 unterbrochen wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg vergingen beinahe sechs Jahrzehnte, bis wieder Roma und Sinti zur "Magna Mater Austriae" pilgerten. Seit 1996 - drei Jahre nach der offiziellen Anerkennung der Volksgruppe der Roma in Österreich - wird die Wallfahrt wieder jährlich abgehalten. Die stets am zweiten Augustsonntag stattfindende Wallfahrt wird von der Roma-Pastoral der Diözese Eisenstadt in Kooperation mit dem Kulturverein österreichischer Roma organisiert.
In der Österreichischen Bischofskonferenz ist der Wiener Weihbischof Franz Scharl seit vielen Jahren für die Romaseelsorge zuständig. In der Diözese Eisenstadt gibt es seit 1995 ein eigenes Romapastoral-Referat unter der Führung Horvaths. Die Roma-Pastoral habe dazu beigetragen, dass Angehörige der Volksgruppe innerhalb der Kirche besser akzeptiert werden, erklärte die Leiterin.
In Österreich leben laut Schätzungen rund 40.000 bis 80.000 Roma und Sinti. Seit den 1990er-Jahren bemüht sich die katholische Kirche verstärkt um sie, sei es im Rahmen der Bischofskonferenz oder in einzelnen Diözesen wie im Burgenland. Viele Roma und Sinti sind römisch-katholisch, es gibt aber auch evangelische, orthodoxe und muslimische Gläubige in der Volksgruppe.
Die einstige Verfolgung der Burgenland Roma begann kurz nach dem "Anschluss" Österreichs an Hitlerdeutschland im Mai 1938, erinnerte Horvath an ein dunkles Kapitel der österreichischen Zeitgeschichte. Von den etwa 12.000 österreichischen Roma und Sinti überlebten nur circa 1.500 den Nazi-Terror. Im Burgenland verhält es sich ähnlich, so die Romapastoral-Leiterin: Von rund 8.000 Burgenland-Roma überlebten nur 900 Personen, also knapp 11 Prozent, das Terrorsystem der Nazis.
Europaweit kamen im Nationalsozialismus 500.000 Roma gewaltsam ums Leben.
Die Bundesregierung hat zu Monatsbeginn für den 2. August einen nationalen Gedenktag an die während des Nationalsozialismus ermordeten Roma und Sinti ausgerufen. Das Europäische Parlament erklärte bereits 2015 den 2. August zum Internationalen Tag des Gedenkens an den Völkermord an Roma und Sinti während der NS-Zeit. Hintergrund ist die Ermordung von rund 4.000 Roma und Sinti in den Gaskammern des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau in der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944.