Hubert Wolf sucht die "Nadel im Heuhaufen" der Geheimen Archive des Vatikan und erzählt was sie über die Kirche verrät.
Hubert Wolf, der Münsteraner Kirchenhistoriker hat mit seinem neuen Buch „Die Geheimen Archive des Vatikan und was sie über die Kirche verraten“ eine Sammlung von Vorlesungen vorgelegt, die er im Sommersemester 2023 an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz gehalten hat.
Wolf ist bereits durch Werke wie „Die Nonnen von Sant’Ambrogio“ und „Der Unfehlbare: Pius IX. und die Erfindung des Katholizismus im 19. Jahrhundert“ einem breiten Publikum bekannt und auch in diesem Buch zeigt er wieder seine Fähigkeit, komplexe kirchengeschichtliche Themen lebendig und zugänglich darzustellen.
Die Sammlung, die sich selbst wie ein Archiv liest, behandelt eine Vielzahl von Themen, darunter sowohl bekannte als auch weniger bekannte Aspekte der Kirchengeschichte. Besonders berührend sind die Dokumente aus den vatikanischen Archiven, die Bittschreiben von Juden während der NS-Zeit an den Vatikan, in denen sie sich verzweifelt an den papst persönlich richten. Diese emotionalen Texte, oft die letzten Lebenszeichen vor ihrer Ermordung, bieten einen tiefen Einblick in das Leid dieser Menschen und die schwierige Rolle, die der Vatikan in dieser Zeit spielte.
Der ertragreichste Teil des Buches ist die Rolle von Papst Pius XII. während des Holocaust. Wolf geht dabei auf die berüchtigte Weihnachtsansprache von 1942 ein, in der der Papst den Holocaust nur verklausuliert ansprach, und beleuchtet die internen Diskussionen und Entscheidungsprozesse innerhalb der Kurie, die zu dieser zurückhaltenden Haltung führten. Erzeigt auf, dass Pius XII. zwar über die Situation der Juden in Europa detailliert informiert war und der Heilige Stuhl Auswanderungen unterstützte, indem Visa, Pässe und Reisemittel organisiert wurden. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Komplexität der damaligen politischen und kirchlichen Situation eine klare Verurteilung der Verbrechen erschwerte.
Neben diesen neuen Einblicken fasst Wolf auch seine bekannten Positionen zu Themen wie dem Zölibat, der Geschichte Pius IX. und dem Unfehlbarkeitsdogma zusammen. Auch die Geschichte des römischen Nonnenklosters Sant’Ambrogio, die in einem seiner früheren Werke ausführlich behandelt wurde, wird nochmals aufgegriffen. Trotz einiger Längen bietet das Buch wertvolle und oft überraschende Einblicke in die Geschichte der Kirche und ihre Archive.
Für Leser, die sich für bislang verborgene Kapitel der Kirchengeschichte und die geheimen Archive des Vatikans interessieren, ist dieses Buch eine lohnende Lektüre. Wolf gelingt es erneut, durch akribische Archivarbeit und fundierte Analyse neue Perspektiven auf die katholische Kirche und ihre Geschichte zu eröffnen.