Kirchliche Vertreter verurteilen die bewusste Verzerrung des „Vater Unser“ durch die FPÖ als respektlos und gefährlich für demokratische Werte.
Das aktuelle FPÖ-Wahlplakat mit dem Slogan "Euer Wille geschehe" hat in kirchlichen Kreisen für erhebliche Empörung gesorgt. Der Slogan, der eine bewusste Anlehnung an das zentrale christliche Gebet "Vater Unser" darstellt, wird von verschiedenen Vertretern der katholischen Kirche scharf kritisiert. Peter Schipka, Generalsekretär der Bischofskonferenz, warnt eindringlich vor dem leichtfertigen Umgang mit heiligen Texten, die für Millionen von Gläubigen von tiefem emotionalen und spirituellen Wert sind. Das Spiel mit religiösen Symbolen zu politischen Zwecken zeuge von mangelndem Respekt gegenüber den religiösen Gefühlen vieler Menschen.
Noch deutlicher äußert sich die Wiener Theologin Prof. Regina Polak, die das Plakat nicht nur als blasphemisch bezeichnet, sondern als Ausdruck einer "zynisch-spottenden" Strategie zur Unterminierung der liberalen Demokratie und ihrer Institutionen. Sie spricht von einer "postmodernen Dämonie", die religiöse Assoziationen nicht ernst nimmt, sondern bewusst instrumentalisiert, um Machtinteressen durchzusetzen. Diese Dynamik, so Polak, gefährdet nicht nur die religiöse Integrität, sondern auch die Grundwerte einer menschenrechtsbasierten Gesellschaft. Sie warnt davor, dass die FPÖ mit diesen Slogans gezielt Ängste schüre, um ethnonationalistische Ziele zu verfolgen, die auf die Ausgrenzung all jener abzielten, die nicht in das Bild des „Volkswillens“ passen.
Auch Abt Pius Maurer vom Stift Lilienfeld schließt sich der Kritik an und bezeichnet die Verwendung des modifizierten Bibelzitats als "geschmacklose Parteipropaganda". Er betont, dass die christliche Religion, obwohl friedlich, nicht alles dulden müsse – insbesondere nicht die taktlose Nutzung religiöser Texte für politische Zwecke.
Ferdinand Kaineder, Präsident der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ), kritisiert das Plakat ebenfalls und nennt es eine "Parodie des Christlichen". Für ihn ist der Slogan ein Zeichen mangelnder Ernsthaftigkeit, das lediglich dazu dient, in einer digitalen Reizüberflutung Aufmerksamkeit zu erregen. Kaineder sieht darin eine bewusste Strategie, um religiöse Gefühle für politische Ziele zu missbrauchen.
Sehr nachdenklich zeigte sich der Pressesprecher der Erzdiözese Wien, Michael Prüller, in einem Kommentar in der aktuellen Ausgabe der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag": "Was macht man da als Christ? Soll man sich freuen, dass die Volkssouveränität mit einer verfremdeten Zeile aus dem Vaterunser gewürdigt wird? Oder soll man Diabolisches vermuten - weil der Teufel ja gerne die guten Dinge durch kleine Verschiebungen, die ganz unschuldig daherkommen, auf den Kopf stellt? Hier hätte er ja nur ein besitzanzeigendes Fürwort von der Einzahl in die Mehrzahl gehoben."
Es gäbe da in der Tat viel Nachdenkstoff. Zum Beispiel auch, ob die FPÖ mit "Euch" das Volk, die Mehrheit oder die frustrierte Masse ermächtigen wolle. "Oder ob das Vaterunser nicht irgendwie denkmalgeschützt sein sollte. Oder ob es doch irgendwie nett ist, dass die Partei, der doch die ganze Literaturgeschichte offengestanden wäre, gerade zum christlichen Erbe greift, noch dazu einmal ohne erkennbare Absicht, damit irgendjemandem anderen wehtun zu wollen."
Am nachdenkenswertesten erscheine ihm die Sache mit dem ausgewechselten Fürwort, so Prüller: "Dass 'Dein Wille', nämlich der des Vaters im Himmel, vor allem anderen geschehen soll, vor meinem Willen, unserem Willen, eurem Willen - das ist doch, wenn man den unpassenden Begriff verwenden will, das eigentliche Lebensmotto von Jesus Christus."