Antworten von Kardinal Christoph Schönborn in der Tageszeitung HEUTE am 6. September 2024
Am Mittwoch, den 4. September, war Anton Bruckners 200. Geburtstag. In Oberösterreich, seiner Heimat, wird der große Komponist ausgiebig gefeiert. In Wien, seiner langjährigen Wirkungsstätte, wird durch viele Konzerte und Vorträge an Bruckners Werk und Person erinnert. Bewundert, in aller Welt aufgeführt, bleibt eines umstritten: Wie wichtig war sein (katholischer) Glauben für sein Musikschaffen? Die einen nannten ihn den „Musikanten Gottes“, die anderen sehen ihn zwar als genialen Musiker, seine Frömmigkeit aber als etwas Verschrobenes, ja gar Krankhaftes.
Mich beeindruckt vor allem die Hingabe, mit der er komponierte: zunächst für die Kirche, später seine neun Symphonien für den Konzertsaal. Symphonien zu schreiben, sah er als seinen „Lebensberuf“. Sein riesiges Talent verstand er als eine Gabe Gottes und sich selber in der Verantwortung, diese Gabe zu entfalten und immer Neues dazuzulernen. Ein Lieblingsmotto von Anton Bruckner waren die Worte: „Alles zur größeren Ehre Gottes“. Musik lässt sich nicht begreifen. Bruckners Musik ergreift. Wer sie auf sich wirken lässt, mag etwas von Gottes Größe erahnen.