Mazal hält kirchliche Urteile über politische Positionen für legitim, lehnt aber pauschale Parteiempfehlungen ab, während Schulmeister fordert, die Kirche solle auf FPÖ-Anhänger verzichten, um ihre Identität zu wahren.
Wie sehr dürfen oder sollen sich die Kirchen in den Wahlkampf einmischen? Zu dieser Frage kreuzten der Präsident des Katholischen Laienrates Österreichs (KLRÖ), Wolfgang Mazal, und der Sprecher des christlichen "Bündnis Demokratie und Respekt", Stephan Schulmeister, in einem moderierten Streitgespräch in der "Furche" (aktuelle Ausgabe) die Klingen. Wobei Mazal bezüglich der Frage der Einmischung wesentlich zurückhaltender argumentierte als Schulmeister. Einig waren sich beide aber zumindest in der Ablehnung der FP-Wahlplakate mit dem Slogan: "Euer Wille geschehe".
Deutlich wurden die unterschiedlichen Standpunkte von Mazal und Schulmeister an der Frage: "Dürfen Christen FPÖ wählen?" Er persönlich könnte die FPÖ nicht unterstützen, erklärte Mazal, aber er müsse seine Position von jener der Institution unterscheiden. Mazal: "Beispielsweise als Katholischer Laienrat zu sagen, wegen einzelner Positionen ist eine Partei unwählbar, geht aus meiner Sicht nicht, weil man da bei jeder Partei Punkte findet, die katholischen Positionen widersprechen. Und da bleibt dann relativ wenig über."
Es sei ihm zudem wichtig zu betonen: "Die Kirche besteht nicht nur aus den Bischöfen, sondern aus allen Gläubigen. Diese können fragwürdige Positionen im Wahlkampf einordnen. Und alle anderen wird auch eine Aussage der Bischöfe oder des Laienrats nicht überzeugen."
Schulmeister sagte dazu: "Ich bin der klaren Überzeugung, dass Christinnen und Christen die FPÖ nicht wählen können. Auch die österreichischen Bischöfe haben in ihrer Sommertagung solche Parteien kritisiert, wenn auch nicht so scharf und explizit, wie die Deutsche Bischofskonferenz die AfD damals und auch jetzt verurteilte." Im Fall der FPÖ gebe es in allen Bereichen diametrale Gegensätze zu kirchlichen Positionen, so der Sprecher des "Bündnis Demokratie und Respekt", "egal ob Europäische Union, Klimawandel, Sozialstaatlichkeit, Fremde. Und dann kann man natürlich sagen: Diese Partei ist unwählbar." Schulmeister sprach sich dafür aus, dass die Kirchenleitung darüber aufkläre, "dass zwischen den Inhalten rechtsextremer Parteien und den Inhalten der christlichen Kirchen ein diametraler Widerspruch besteht. Und zwar auf allen Ebenen."
Und noch deutlicher: Wenn in allen wichtigen Punkten, außer der Schwangerschaftsabbruchsfrage, ein diametraler Gegensatz zwischen FPÖ und Kirche besteht, dann müsse eine Kirche, "die ihre Identität bewahren möchte, auf die Mitgliedschaft begeisterter Kickl-Anhänger verzichten. Beides geht einfach nicht", meinte Schulmeister.
Mazal warf ein, dass es für einen "wirklich aufgeklärten, bewusst lebenden Christen" zu keiner Partei hundertprozentige Schnittmengen gebe: "Im Gegenteil, es ist immer eine Wahl zwischen Skylla und Charybdis auf allen Seiten. Und ich glaube, das sollte man auch so sagen." So sei etwa die Frage nach einem Recht zur Abtreibung auf Krankenschein zwar ein kleiner Bereich, "für mich aber ein entscheidendes Kriterium". Das Christliche habe eben viele Aspekte, "aber die Schnittmengen zu den Parteien werden in unserer Gesellschaft immer kleiner". Es sei deshalb für ihn legitim, wenn von Kirchenseite über eine politische Position ein Urteil gefällt wird, "aber zu einer Partei als Gesamtpaket 'Ja' oder 'Nein' zu sagen, ist einfach ein qualitativ anderer Schritt."
Zu den Wahlplakaten der FPÖ mit dem Slogan: "Euer Wille geschehe" sagte Mazal, dass er sie für "peinlich, anbiedernd und demokratietheoretisch falsch" halte. Es sei völlig unklar, "wessen Wille wie eruiert werden kann", und es sei zudem klar der Versuch, sich an christliche Kreise anzunähern, so Mazal: "Aber ich bin der festen Überzeugung, christliche Kreise wissen das einzuordnen. Für sie ist das eher kontraproduktiv." Dieser Meinung konnte sich auch Schulmeister "durchaus anschließen".
Wenig Übereinstimmung gab es hingegen zwischen den beiden Diskutanten im Blick auf die Debatte um eine österreichische Leitkultur. Es gebe kein einziges Land in Europa, "das so sehr und seiner Essenz nach ein durchmischtes ist wie Österreich - weil es eben sieben Jahrhunderte lang ein Vielvölkerstaat war und wir nur ein Teil davon sind, wenn auch der dominierende Teil", so Schulmeister. Seine Schlussfolgerung aus diesem Befund: "Die wichtigste Botschaft einer österreichischen Leitkultur wäre also: Wir haben keine!"
Dem konnte sich Mazal nicht anschließen. Zwar sei auch er der Überzeugung, "dass Österreich wesentlich aus der Vielfalt geprägt ist", doch das sei per se noch kein Rezept für den inneren Zusammenhalt einer Gesellschaft. Und darüber müsse man reden: "Was sichert soziale Kohäsion, damit wir in Vielfalt gut miteinander leben können. Da braucht es auch eine Gemeinsamkeit." Und diese erfordere seines Erachtens beispielsweise eine Kultur der grundsätzlichen Achtung von staatlichen Normen und Organen, der grundsätzlichen Achtung von anderen, der Rücksicht auf andere, der Neugier und Offenheit gegenüber anderen, aber auch des Suchens nach Gemeinsamkeit. Das wären für ihn Beispiele einer Leitkultur, "die wir pflegen und vertiefen sollen", so der Laienrats-Präsident.
Die Aussage von Bundeskanzler Karl Nehammer, keine Regierung mit Herbert Kickl zu bilden, wollte Mazal auf Nachfrage abschließend nicht überbewerten. "Es kann im Interesse des Landes auch Situationen geben, in denen man sagt: Ich muss das, was ich vor der Wahl gesagt habe, verändern. Deswegen sollte man Politiker auch vor der Wahl nicht zu solchen Ansagen nötigen." Es sei die "Größe und Tragik" jeder Politik in der Demokratie, "dass man das Wahlergebnis zu akzeptieren hat, auch wenn es einem nicht passt".