Amtsmüde ist Papst Franziskus nicht: Noch immer absolviert er lange Auslandsreisen und Großveranstaltungen - Doch mit fast 88 Jahren ist er einer der ältesten Päpste der Geschichte - Die Nachfolge rückt näher - Um die Kardinäle mit Aussicht auf das höchste Kirchenamt gibt es unter den Vaticanisti viele Spekulationen - Hintergrundbericht von Kathpress-Rom-Korrespondentin Severina Bartonitschek
Im Vorfeld einer Papstwahl gibt es keinen Wahlkampf - und wann die nächste stattfindet, ist nicht bekannt. Umso wichtiger sind große Versammlungen, bei denen führende Kirchenmänner einander kennenlernen. Die zweite Session der Weltbischofssynode über Synodalität im Oktober in Rom ist so ein Anlass, bei dem sich mögliche Nachfolger des bald 88-jährigen Papstes Franziskus profilieren können.
Bereits im Oktober 2023 bespielte ein aussichtsreicher Kandidat diese Bühne. Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin (69) bekannte sich nach Aussagen von Teilnehmern klar zur traditionellen Lehre der katholischen Kirche. Eigentlich keine Überraschung für einen Kurienkardinal, doch Parolins Schwachpunkt war bis dahin ausgerechnet seine amtliche Nähe zu Papst Franziskus, dessen "Nummer zwei" er seit bald elf Jahren ist. Parolin ist eine Stütze des Pontifikats, das mit seinen Reformvorstößen manche konservativen Kirchenmänner irritiert.
Großer Diplomat mit zwei Flecken auf der Weste
Hinzu kommt der mitunter als sprunghaft und autoritär empfundene Führungsstil des Papstes. Regelmäßig holt Oberdiplomat Parolin die glühenden Wort-Kohlen seines Chefs aus dem Feuer. Zwei Vorgänge könnten indes gegen Parolin sprechen: Zum einen gilt er als Architekt des umstrittenen Geheimabkommens mit China über Bischofsernennungen, zum anderen erfolgten unter seiner Ägide einige hochspekulative Investitionen in Londoner Immobilien, die den Vatikan rund 150 Millionen Euro kosteten und zu peinlichen Gerichtsprozessen führten.
Dennoch spricht vieles für Parolin. Der als gemäßigt geltende Kirchenmann ist ein Kandidat der Mitte und kennt die Weltkirche und den Vatikan wie seine Westentasche. Er steht für eine Kontinuität des Franziskus-Pontifikats, allerdings unter Vermeidung weiterer Kühnheiten, die Spaltungen in der katholischen Kirche fördern könnten. Das wollte er wohl bei der Synode betonen.
Die Gruppe der "eisernen Bergoglianer"
Wenn Vaticanisti derzeit über "Papabili" sprechen, fallen die Namen einiger "eiserner Bergoglianer", die unter Franziskus eine steile Karriere machten. Doch gerade das könnte dann eher gegen sie sprechen, denn nach dem unberechenbaren Franziskus dürfte es eine Sehnsucht nach Stabilität an der Kirchenspitze geben.
Zu dieser Gruppe zählt Luxemburgs Kardinal Jean-Claude Hollerich (66), der den Papst in einem Sondergremium zu wichtigen Kirchenfragen berät und Teil der Leitung des päpstlichen Lieblingsprojekts Weltsynode ist. Ähnliches gilt für den maltesischen Kardinal Mario Grech (67). Noch näher an der Bergoglio-Linie mit ihren Überraschungseffekten ist sein Landsmann Victor Fernandez (62). Er verantwortete in seiner Zeit als Jugendseelsorger Liebes- und Sexgedichte, und als Leiter der Glaubensbehörde verfasste er das hochumstrittene Papier für die Segnung Homosexueller, das vor allem in Afrika massiven Widerspruch auslöste.
Ein Kandidat mit eigenem Gewicht ist Kardinal Matteo Zuppi (68). Er leitet die Bischofskonferenz Italiens - eine der größten der Welt - und er ist seit Jahrzehnten ein exponiertes Mitglied der international einflussreichen Gemeinschaft Sant'Egidio. Aktuell ist er zudem Sondergesandter des Papstes für Frieden in der Ukraine. Der Kardinal ist politisch versiert und mit Dialog und Konflikten vertraut.
Konservatives Gegengewicht
Konservative Kreise denken bereits über eigene Kandidaten nach. Schon bei der letzten Papstwahl 2013 wurde Ungarns Primas Peter Erdö genannt. Der inzwischen 72-jährige Erzbischof von Esztergom-Budapest tritt in die Fußstapfen der Vorgänger von Papst Franziskus. Strikt hält der Kirchenrechtler an der Lehre der katholischen Kirche fest - und sich selbst raus aus dem politischen Geschehen, aus den Medien und Kontroversen. Das könnte ihm Pluspunkte auch bei gemäßigteren Kardinälen einbringen.
Der langjährige Präsident des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) setzt sich für einen Dialog mit orthodoxen Christen ein, von Kritik an der nationalkonservativen Regierung Ungarns hält er sich fern. Zwar trug er die Öffnung von Papst Franziskus im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen mit, doch in manchen Äußerungen zeigt er sich weniger offen. Unlängst überraschte er mit einem Bekenntnis zum Wert der Nationalstaaten und ihrer kulturellen Identität - was ihm nicht nur in Osteuropa Sympathien einbringen dürfte. Der im vergangenen Jahr gestorbene konservative Vordenker, Australiens Kardinal George Pell, wollte Erdö Berichten zufolge gerne an der Spitze der Weltkirche sehen.
Ein Papst aus Afrika?
Als neuen Kandidaten der Konservativen hat sich Kardinal Fridolin Ambongo (64) selbst aufgestellt. Er organisierte den afrikanischen Widerstand gegen die von Kardinal Fernandez erlaubte Segnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen und flog persönlich nach Rom. Der Erzbischof von Kinshasa und Vorsitzende des gesamtafrikanischen Bischofsrats setzte den Vatikan so sehr unter Druck, dass der Papst entschied, für Afrika in dieser Frage eine Art Sonderrecht gelten zu lassen. Auch mit der politischen Elite seines Landes legt Ambongo sich an und scheut dabei kein Risiko.
Der Vermittler
Mut hat auch der Italiener Pierbattista Pizzaballa, der erste Patriarch von Jerusalem im Kardinalskollegium. Im Minenfeld Nahost beweist sich der 59-Jährige seit Jahren als geschickter Diplomat und Dialogpartner. Sein Stil ist "franziskanisch" unklerikal, seine Sprache verständlich und fromm zugleich. Er ist mit jüdischen und islamischen Führern ebenso gut bekannt wie mit jenen der Orthodoxie. All das wäre von Vorteil bei einem künftigen Konklave. Doch Pizzaballa möchte nicht der nächste Papst werden und erklärt: "Man müsste verrückt sein, solch einen Job machen zu wollen."