Der Vatikan bestätigt die geistlichen Früchte von Medjugorje, erkennt jedoch die mutmasslichen Erscheinungen der Jungfrau Maria nicht offiziell an.
Der Vatikan hat eine wegweisende Entscheidung zu den lang diskutierten Phänomenen in Medjugorje getroffen. In einem offiziell genehmigten Dokument mit dem Titel „Die Königin des Friedens – Über die geistliche Erfahrung im Zusammenhang mit Medjugorje“ erläuterte der Heilige Stuhl seine Haltung zu den angeblichen marianischen Erscheinungen in dem bosnischen Wallfahrtsort. Während die Übernatürlichkeit der Erscheinungen nicht anerkannt wird, hebt die vatikanische Note die positiven spirituellen Früchte und die pastoralen Impulse hervor, die Medjugorje als Pilgerziel prägen.
Ein zentrales Element der vatikanischen Entscheidung ist die klare Trennung zwischen den angeblichen Erscheinungen der Jungfrau Maria und den spirituellen Erfahrungen der Gläubigen vor Ort, wie dies schon Benedikt XVI vorgeschlagen hat. Obwohl seit den 1980er Jahren Millionen von Pilgern nach Medjugorje reisen, um die vermeintlichen Marienerscheinungen zu erleben, hat die Kirche bisher keine endgültige Entscheidung über diesen weltweit geschätzten Wallfahrtsort getroffen. Das heute veröffentlichte „nihil obstat“, also das vatikanische „keine Einwände“-Statement, bedeutet nicht, dass die Kirche die Echtheit der Erscheinungen bestätigt. Vielmehr erlaubt es den Gläubigen, die spirituellen Angebote von Medjugorje in einer vorsichtigen und ausgewogenen Weise zu nutzen, ohne die Erscheinungen als authentische göttliche Interventionen zu bestätigen.
Trotz der Nichtanerkennung der Erscheinungen betont der Vatikan die zahlreichen positiven geistlichen Früchte, die im Zusammenhang mit Medjugorje beobachtet wurden. Diese positiven Effekte werden als Zeichen des Wirkens des Heiligen Geistes angesehen und stehen im Einklang mit der kirchlichen Lehre. Zu den hervorgehobenen geistlichen Früchten zählen:
Bekehrungen und Rückkehr zur sakramentalen Praxis Viele Pilger haben durch ihre Erfahrungen in Medjugorje eine tiefe spirituelle Erneuerung erfahren und kehren verstärkt zur Eucharistie und zur Beichte zurück. Dies zeigt eine gestärkte Glaubenspraxis und ein erneuertes Engagement im kirchlichen Leben.
Berufungen zum Priestertum und geweihten Leben Die spirituelle Atmosphäre in Medjugorje inspiriert zahlreiche Menschen zur Berufung in den priesterlichen und ordenshaften Dienst. Diese Berufungen tragen zur Stärkung der kirchlichen Gemeinschaft und zur Vertiefung des geistlichen Lebens bei.
Entstehung von Gebetsgruppen und karitativen Werken Weltweit bilden sich Gemeinschaften, die von der Spiritualität Medjugorjes inspiriert sind. Diese Gruppen engagieren sich aktiv in Gebet und karitativen Projekten, um Bedürftigen zu helfen und den Glauben zu verbreiten. Der Vatikan erkennt diese geistlichen Früchte als wertvoll für das geistliche Leben der Gläubigen an und fördert sie entsprechend.
Mit dem „Nihil obstat“ sind Pilgerfahrten nach Medjugorje offiziell vom Vatikan genehmigt. Der Schwerpunkt dieser Pilgerreisen liegt nicht auf der Begegnung mit den mutmaßlichen Sehern, sondern auf der persönlichen spirituellen Erneuerung durch Gebet, Eucharistie und Bibellektüre. Die Gläubigen werden ermutigt, Medjugorje als Ort der Anbetung und des Gebets zu nutzen, um ihre Beziehung zu Christus zu vertiefen und ihren Glauben zu stärken.
Die vatikanische Note enthält auch wichtige Klarstellungen zur Interpretation der angeblichen Botschaften der Muttergottes. Kardinal Victor Fernández, Präfekt des Glaubensdikasteriums, betonte, dass die Botschaften nicht als lehramtliche Inhalte verstanden werden dürfen. Theologisch ungenaue oder missverständliche Aussagen dürfen nicht die zentrale Rolle der Heiligen Schrift und der Sakramente untergraben. Die Gläubigen sollen sich auf die positiven geistlichen Früchte konzentrieren und die Botschaften nur im Kern erfassen.
Die mutmaßlichen Mitteilungen der Jungfrau Maria an die Seher von Medjugorje haben nach dem Urteil des Glaubenspräfekten nur begrenzten Wert. Es sei wichtig, immer von "mutmaßlichen Botschaften" zu sprechen. Da ihr übernatürlicher Ursprung nicht feststehe, seien sie nicht als "Privatoffenbarungen", sondern lediglich als "erbauliche Texte" einzustufen.
Einige der Texte seien "konfus" und "problematisch", doch stünden die meisten in Übereinstimmung mit dem Evangelium und der Lehre der Kirche.
Für zukünftige angebliche Botschaften der Gottesmutter aus Medjugorje behält sich die Glaubenskongregation Prüfung und Genehigung zur Veröffentlichung vor. Dies gilt auch, so Kardinal Ferndéz für die angeblichen bislang "geheimen Botschaften der angeblichen Seher:innen".
Im Zentrum der vatikanischen Empfehlung steht die Aufforderung, Christus und die Sakramente in den Mittelpunkt der Pilgerfahrten zu stellen. Die Teilnahme an der Eucharistie, der Anbetung und dem persönlichen Gebet soll den Gläubigen helfen, eine tiefere Beziehung zu Christus aufzubauen und ihren Glauben zu erneuern. Medjugorje wird somit als ein Weg zur geistlichen Erneuerung und zur Förderung des Friedens verstanden, wobei Christus das zentrale Element bleibt.
Mit dieser Entscheidung möchte der Vatikan die jahrzehntelangen innerkirchlichen Debatten und Untersuchungen rund um Medjugorje abschließen. Die offizielle Stellungnahme soll einen klaren Rahmen für die zukünftige pastorale Praxis bieten und die Rolle der Marienverehrung in Medjugorje innerhalb der Kirche festigen. Dabei wird auch auf die Differenzen zwischen örtlichen Bischöfen und den Franziskanern eingegangen, die eine zentrale Rolle in der Pilgerseelsorge spielen.
Die Entscheidung basiert auf den im Mai 2024 veröffentlichten neuen allgemeinen „Normen für das Verfahren zur Beurteilung mutmaßlicher übernatürlicher Phänomene“. Diese Leitlinien sollen Ortsbischöfen dabei unterstützen, mutmaßliche Marienerscheinungen und andere Phänomene besser einzuordnen. Entscheidend ist dabei nicht mehr die kirchenamtliche Entscheidung über die Übernatürlichkeit einer Erscheinung, sondern die seelsorgerische Bewertung der religiösen Praxis am Erscheinungsort. Insgesamt stehen sechs Einstufungen zur Verfügung, von „nihil obstat“ über „weiter beobachten“ bis hin zu Verbote.
Die vatikanische Entscheidung zu Medjugorje stellt klar, dass die Erscheinungen der Jungfrau Maria nicht offiziell anerkannt werden. Gleichzeitig bestätigt die Kirche die positiven geistlichen Früchte, die aus den Pilgerfahrten und der Spiritualität des Ortes hervorgehen. Pilger werden eingeladen, Medjugorje als Ort der spirituellen Erneuerung zu nutzen, wobei der Fokus auf Christus, den Sakramenten und dem Gebet liegt. Die Kirche ermutigt die Gläubigen, sich auf diese Aspekte zu konzentrieren und die angeblichen Botschaften mit Vorsicht zu betrachten. Durch diese ausgewogene Haltung möchte der Vatikan die geistliche Vitalität fördern und gleichzeitig eine klare Linie in Bezug auf die übernatürlichen Phänomene ziehen. Dies soll dazu beitragen, Pilgern die ihnen zustehende Klarheit bezüglich der Haltung der Kirche zu verschaffen und Kriterien der klugen Unterscheidung in die Hand zu geben.