Die Begegnung der Kontinente – Synodenblog von Georg Schimmerl
Rom, 4. Oktober 2024 – Der Tag in der Synodenaula beginnt mit dem 132. Psalm: „O Herr, denk an David, denk an all seine Mühen…“. Kurz darauf wird Papst Franziskus mit einem Namenstagsständchen überrascht: „Tanti auguri a te!“ Die Synodenväter, Bischöfe, Ordensleute und Laien stimmen ein, die Synode singt offensichtlich auch recht gut.
In der Mittagspause teilen Synodenteilnehmerinnen und -teilnehmer aus aller Welt ihre Gedanken und Erfahrungen mit uns Beobachtern in der - übrigens sehr schön renovierten - Sala Stampa vor den Kolannaden, die seit gestern wieder eröffnet ist, was auch Hoffnung macht: Es ist doch nicht alles nur "Baustelle" hier...
Die Gespräche sind vielfältig: Das große Thema dieser Woche lautet "Beziehungen": zwischen Männern und Frauen in der Kirche, unter den Teilkirchen, zwischen Bischof und seiner Diözese, unter den Kirchen... Synodalität als gelebte Praxis, ökologische und soziale Herausforderungen, aber auch die neuen Beziehungswelten im digitalen Universum. Diese Themen fordern die Kirche heraus, ihren Blick zu weiten und sich in der Welt neu zu positionieren.
Die Rolle der Frau: Gleichwertigkeit und Wertschätzung
Bischof Anthony Randazzo aus Australien betont die Notwendigkeit, Frauen in der Kirche Gehör zu verschaffen. „Es reicht nicht mehr, nur über Frauen zu sprechen, wir müssen mit ihnen sprechen,“ sagt er. Es gehe um tiefgreifende Veränderungen, nicht nur in den Strukturen, sondern auch in den Herzen und Haltungen. Synodalität, so Randazzo, bedeute, die Vielfalt der Kirche zu akzeptieren und das wiederum bedeute für ihn konkret etwa Frauen als gleichwertige Mitglieder der Gemeinschaft zu sehen. „Eine Kirche, die diesen Schritt nicht wagt, ist nicht authentisch,“ mahnt er. Er verweist auf die jesuanische Praxis: Jesus hat nicht über Frauen gesprochen, er hat mit ihnen gesprochen. Diesen Wechsel im Ansatz empfiehlt er auch der Kirche. Eine abstrakte "Frauenfrage" steht letztlich wieder in Gefahr, Frauen von oben herab zu objektivieren. Die Synode müsse eine Plattform bieten, auf der Frauen aktiv an Entscheidungsprozessen teilnehmen können. Vor allem muss es ihr darum gehen, was die Anliegen der Frauen und ihre Visionen sind. „Jesus hat mit Frauen gesprochen, sie ist in sein Leben eingebunden. Warum tun wir uns so schwer, ihm nachzufolgen?“
Das klingt dann doch deutlich anders, als manche Pessimisten die Diskussion zum Thema „Frau in der Kirche“ wahrnehmen.
Der digitale Kontinent: Mission im digitalen Zeitalter
Sr. Xiskya Valladares engagiert sich seit vielen Jahren in der digitalen Mission. „Die Welt ist digital, und die Kirche muss dort präsent sein, wo die Menschen sind,“ erklärt sie. Rund 65 % der Weltbevölkerung seien auf digitalen Plattformen aktiv – eine Gelegenheit, die die Kirche nutzen muss. Der „digitale Kontinent“ sei ein neues Missionsfeld, auf dem die Kirche Gottes Zärtlichkeit und Erbarmen verkünden könne. Sr. Xiskya spricht von einem neuen „Charisma des digitalen Missionars“, das Menschen erreicht, die vielleicht keinen Zugang zu einer traditionellen Kirche haben, aber dennoch nach Antworten suchen. „Wir hören täglich von Menschen, die Gott suchen und zum ersten Mal beten möchten,“ erzählt sie. Die digitale Mission biete eine Möglichkeit, junge Menschen und ganze Generationen anzusprechen, die sich von der Kirche entfremdet haben. Sie problematisiert gleichzeitig die Entwicklungen auf X (ehemals Twitter), einer der weltweit einflussreichsten Plattformen. Digitale Ethik gehört, wie sie meint, ohnehin wesentlich zur Mission. Sie wünscht sich vor allem in Europa deutlich mehr fachliche Kompetenz und Vernetzung von „digitalen Missionaren“.
Das kann eine Synode freilich bestenfalls anregen und sich wünschen. Institutionalisiert wird es wohl kaum.
Ökumene und Solidarität: Einheit durch Synodalität
Erzbischof Matthieu Rougé aus Frankreich hebt die Bedeutung der christlichen Einheit hervor. Die Synode, so erklärt er, biete die Chance, das Verständnis und die Zusammenarbeit unter Christen zu fördern. „Synodalität und Ökumene gehören zusammen. Gemeinsam können wir die Herausforderungen unserer Zeit besser bewältigen,“ sagt er. Rougé erinnert an das Schreiben Ut Unum Sint von Papst Johannes Paul II., das die Kirchen einlud, über die Rolle des Papstamtes nachzudenken. Die Eröffnungsmesse sei eine kraftvolle Erinnerung an den Glauben und dessen Rolle für die Einheit der Kirche gewesen. „Der Glaube eint uns, und in dieser Einheit müssen wir die Synodalität weiterentwickeln,“ fügt er hinzu. Das Dokument Der Bischof von Rom (Juni 2024) und die Bereitschaft von Papst Franziskus, einen gemeinsamen Ostertermin für alle Christen zu erreichen, hält er für vielversprechende Ansätze in diese Richtung.
Nordafrika und Ozeanien: Synodalität in einer verletzlichen Welt
Kardinal Cristóbal López Romero aus Marokko beschreibt die Erfahrungen seiner Diözese, in der über 100 Nationalitäten vertreten sind. „Unsere Vielfalt ist unsere Stärke,“ sagt er und betont, wie die Synodalität in Nordafrika kulturelle Unterschiede überwindet und Gemeinschaft schafft. Bischof Randazzo richtet den Blick auf Ozeanien, wo der Klimawandel zunehmend eine Bedrohung für die Inselstaaten darstellt. „Die Kirche muss für diese Menschen da sein,“ fordert er. In der Pazifikregion seien viele Menschen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Randazzo erinnert daran, dass Synodalität in Ozeanien seit Jahrhunderten Teil des kulturellen Erbes sei: „Hier kommen die Menschen zusammen, um einander zuzuhören und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.“ Die Kirche müsse auf die wirklichen Bedürfnisse der Menschen hören und dürfe sich nicht nur an wirtschaftlichen Interessen orientieren.
Eine synodale Kirche in Bewegung
Die Synodalität erscheint als ein Weg, der die Kirche in ihrer Vielfalt vereinen und sie auf neue Pfade führen kann – von den digitalen Straßen über die pazifischen Inseln bis hin zu den Gemeinden Nordafrikas. Diese Synode zeigt, wie sehr die Rolle der Frau, die ökumenische Zusammenarbeit und die Herausforderungen des Klimawandels die Kirche betreffen. Eine synodale Kirche ist in Bewegung, offen für Dialog und bereit, sich den Realitäten unserer Zeit zu stellen. Sie ist eine globale Gemeinschaft, die in den Herzen der Menschen und auf digitalen Plattformen lebt. Diese Synode ist ein Aufruf zur Erneuerung, auf dem die Vielfalt der Erfahrungen zur Bereicherung aller wird.