Michael Prüller nach "Marsch fürs Leben" in "Presse"-Kolumne: Keine Debatte über Alternativen bei "Pro-Choice"-Aktivisten und Politik.
Mehr Unterstützung von Müttern und Kindern hat der Kommunikationschef der Erzdiözese Wien, Michael Prüller, in der "Presse am Sonntag" eingefordert. Die Gesellschaft habe sich an ihrem schwächsten Ende entsolidarisiert, denn es gebe "keine Kultur, die zum Lebensspenden ermutigt und zur Übernahme von Verantwortung für die Schwächeren", schrieb Prüller mit Blick auf die Gegenproteste beim "Marsch fürs Leben", der am Samstag, 5. Oktober 2024, in Wien stattgefunden hat. Vorkämpfer für Abtreibung hätten es bisher verabsäumt, "in den Dialog einzutreten, wie man Abtreibungen im Interesse aller Beteiligten vermeiden kann", beklagte der Sprecher von Kardinal Christoph Schönborn.
Sehr wohl werde ein solcher Dialog von Abtreibungsgegnern angestrebt, bemerkte Prüller. Der österreichischen Lebensschutz-Szene gehe es vordergründig längst nicht mehr um eine Strafrechtsänderung oder um das Dämonisieren abtreibender Frauen. Vielmehr habe man erkannt, dass für einen tatsächlichen Schutz des Lebens darum gehen müsse, "in erster Linie den Frauen Alternativen zu bieten und die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sich mehr Menschen für das Leben ihres Kindes entscheiden können".
Gegner der Pro-Life-Bewegung ließen sich darauf jedoch bislang nicht ein. Vonseiten der am Samstag zu einem "Marsch fürn Arsch" versammelten Gegenprotestierenden, unter ihnen auch die Wiener Hochschülerschaft (ÖH Wien) sowie die Klimaaktivistin und Grünen-Europaparlamentarierin Lena Schilling, werde die österreichische Lebensschutz-Szene unverändert so dargestellt, als handle es sich um "klerikal-faschistische Kräfte, denen man die Straße nicht überlassen darf".
Doch auch die meisten politischen Parteien würden die Tatsache einfach übergehen, "dass viele Frauen lieber nicht abtreiben wollen, aber in einer brutalen Entscheidungssituation von der Gesellschaft alleingelassen werden und gegen eine 'Mach's doch weg und lass uns in Ruhe'-Haltung machtlos sind", so Prüller weiter. SPÖ und Grüne hätten erst kürzlich wieder erklärt, Abtreibung solle eine kostenlose Gesundheitsdienstleistung in öffentlichen Spitälern werden. "Hilfe zur Lebensbejahung kam nicht vor", bemerkte der Diözesansprecher dazu.
Bei solchen Forderungen handele es sich nicht um "der Weisheit letzter Schluss", schrieb Prüller. Schließlich sehe man dabei über die "blutige Realität", welche Abtreibung eigentlich sei, bemüht hinweg. "Bei jeder Abtreibung stirbt ein Etwas - nicht nur religiöse Menschen sagen: ein Jemand - das jedenfalls kein Körperteil der Mutter ist, mit eigener DNA und sehr früh eigenem Herzen." Abtreibung als bloßen medizinischen Akt der Selbstbestimmung über den eigenen Körper herunterzustilisieren gehe "an den Fakten vorbei".
Prüller bezog sich bei dieser Position auf die dissidente Feministin und queere Atheistin Camille Paglia. Die US-Historikerin ist Verfechterin des Rechts auf Abtreibung und positioniert sich klar aufseiten der "Pro-Choice"-Bewegung, verschweigt dabei aber nicht, dass Abtreibung ein "grausiger Eingriff" mit einer moralischen und philosophischen Dimension ist. "Die der Abtreibung inhärente Gewalt kann nicht durch magisches Denken hinweggewünscht werden", so ein Zitat Paglias.
Am Wiener "Marsch fürs Leben" am Samstag hatten laut den Veranstaltern mehr als 2.000 Personen teilgenommen, unter ihnen mit Weihbischof Franz Scharl und dem emeritierten St. Pöltner Bischof Klaus Küng auch zwei ranghohe Vertreter der katholischen Kirche. Mit Jan Ledochowski, Caroline Hungerländer und Suha Dejmek waren auch einige ÖVP-Politiker zugegen. Nach Podiumsansprachen am Karlsplatz fand ein Marsch durch die Innenstadt bis zum Stephansplatz statt, wo es eine Schlusskundgebung gab.