Das 1.700-jährige Jubiläum des Konzils von Nicäa verdeutlichte die anhaltende Bedeutung von Einheit, Vielfalt und gemeinsamem Glauben. Die Theologie verbindet Vergangenheit und Gegenwart, indem sie alte Texte neu interpretiert und für heute nutzbar macht.
Vom 4. bis 6. November fand an der Universität Wien ein internationales Symposium statt, das sich mit dem Konzil von Nicäa aus dem Jahr 325 auseinandersetzte. Organisiert wurde die Veranstaltung gemeinsam von der Katholisch-Theologischen und der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.
Prof. Jan-Heiner Tück, einer der Mitinitiatoren des Symposiums, betonte in seinem Beitrag die anhaltende Relevanz des Konzils. Das nizänisch-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis, das damals formuliert wurde, ist bis heute das einzige, das von der römisch-katholischen, der evangelischen und der orthodoxen Christenheit gemeinsam anerkannt wird. Es bildet somit eine seltene gemeinsame Grundlage in einer oft geteilten christlichen Welt. Doch zwischen dem Konzil und der heutigen Zeit liegen 1.700 Jahre, und die Sprache von damals ist vielen fremd geworden. Prof. Tück sprach von der Notwendigkeit eines "Fährmannsdienstes der Übersetzung". Theologen müssten die Inhalte von damals in die heutige Zeit übertragen, um die Botschaften verständlich und relevant zu machen. Dabei warnte er vor einer zu schnellen Annäherung: "Wer hier zu schnell ankommen will, läuft Gefahr, Wesentliches zu verlieren."
Prof. Christoph Markschies, Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften plädierte dafür, gewohnte Denkweisen zu hinterfragen und den Blick für verschiedene Aspekte des Konzils zu öffnen. Oft wird das Konzil von Nicäa vor allem mit dem sogenannten Arianischen Streit um die Natur Jesu in Verbindung gebracht. Markschies regte an, auch andere wichtige Themen zu berücksichtigen, etwa die Festlegung eines einheitlichen Osterdatums. Interessanterweise ist die Frage nach einem gemeinsamen Ostertermin auch heute noch aktuell. Verschiedene Kirchen, darunter der Ökumenische Rat der Kirchen und Papst Franziskus persönlich, bemühen sich derzeit um eine Einigung. Dies zeigt, wie Themen von damals bis in die Gegenwart hineinwirken. Markschies betonte zudem die "Pluralität der Christentümer". Bereits im biblischen Zeugnis sei eine Vielfalt von Sichtweisen und Interpretationen grundgelegt. Diese legitime Pluralität müsse jedoch stets auf eine letztliche Einheit bezogen bleiben. Es gelte, immer wieder nach Konsens in der Vielfalt der Interpretationen zu suchen, was dem protestantischen Prinzip der "Einheit in Vielfalt" entspricht. Das Symposium bot eine lebendige Diskussion mit zahlreichen Expertinnen und Experten. Die evangelische Theologin Prof. Uta Heil beleuchtete die historischen Hintergründe des Konzils. Historiker wie Harmut Leppin aus Frankfurt und Thomas Böhm aus Freiburg vertieften das Verständnis der damaligen Ereignisse. Matthias Morgenstern aus Tübingen und Christian Danz aus Wien diskutierten, wie jüdische und griechische Einflüsse das frühe Christentum prägten.
Der orthodoxe Theologe Ioan Moga und der Kirchenhistoriker Thomas Prügl, beide aus Wien, sprachen über die Rezeption des Konzils in den verschiedenen christlichen Traditionen. Am letzten Tag wurden kunsthistorische und musikalische Aspekte betrachtet, um ein umfassendes Bild zu zeichnen. Vorträge von Dorothee Bauer aus Wien, Johannes Hoff aus Innsbruck und Jan-Heiner Tück rundeten das Programm ab.
Das Symposium verdeutlichte, dass das Konzil von Nicäa bis heute Einfluss auf Theologie und Kirche hat. Die Auseinandersetzung mit den damaligen Beschlüssen hilft, aktuelle Herausforderungen zu verstehen und nicht zuletzt den interkonfessionellen Dialog zu fördern.
Ein Podcast-Gespräch mit Prof. Jan-Heiner Tück und Prof. Uta Heil bietet weitere Einblicke in das Thema und das Symposium. Es ist unter folgendem Link verfügbar: diesseits.theopodcast.at/1.700-jahre-konzil-von-nizaea