Während sich die ewige Stadt für das Hl. Jahr herausputz, präsentiert die diözesane Caritas einen alarmierenden Armutsbericht.
Rom. Die Stadt der sieben Hügel, der majestätischen Kuppeln und antiken Ruinen. Hier treffen Geschichte und Gegenwart, Heiligkeit und Weltlichkeit in einer einzigartigen Harmonie aufeinander. Doch hinter dem goldenen Schimmer der Ewigen Stadt verbirgt sich ein düsteres Bild: eine zerrissene Gesellschaft, in der Armut und soziale Ungleichheit tiefe Narben hinterlassen.
Am 22. November stellte die diözesane Caritas ihren siebten Bericht über „Armut in Rom“ vor – ein Dokument, das nicht nur Zahlen liefert, sondern echte Geschichten erzählt: von Familien, die kaum noch wissen, wie sie ihre Miete bezahlen sollen, von Kindern, die durch das soziale Netz fallen, und von Menschen, die trotz harter Arbeit niemals aus der Armut herausfinden. Rom steht an einem Wendepunkt – zwischen Gleichgültigkeit und Hoffnung.
Ein Blick hinter die Fassaden
Stellen Sie sich das vor: Eine Touristin schlendert durch die eleganten Straßen von Parioli im Municipio II, wo die Villen mit ihren gepflegten Gärten an eine Zeit erinnern, in der die Stadt den Reichtum der Welt anzog. Hier liegt das durchschnittliche Jahreseinkommen bei 43.000 Euro. Nur eine Stunde entfernt, im Municipio VI, sind die Straßen anders. Der Glanz weicht bröckelnden Fassaden, überfüllten Wohnungen und einem Durchschnittseinkommen von nur 17.751 Euro. Das Leben hier fühlt sich wie ein ständiger Kampf an.
Die Kluft könnte kaum größer sein. Fast die Hälfte der Römer verdient weniger als 15.000 Euro im Jahr. Und obwohl Rom im Durchschnitt ein Pro-Kopf-Einkommen von 30.000 Euro hat, können viele Familien davon nur träumen. Die Statistiken für 2023 und Anfang 2024 sprechen eine deutliche Sprache: Über 30 % der Haushalte berichten von einer Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Lage, und 12,7 % der Menschen leben unter der Armutsgrenze.
Wohnungsnot: Ein Dach über dem Kopf wird zum Luxus
Nehmen wir die Geschichte von Anna und ihrer Familie. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in einer kleinen Wohnung am Stadtrand. Die Miete verschlingt fast ihr gesamtes Einkommen, doch die Alternative wäre, auf die Straße gesetzt zu werden – so wie es Tausenden von Menschen in Rom 2023 ergangen ist. Über 3.500 Räumungsbescheide wurden erteilt, und mehr als die Hälfte davon wegen unverschuldeter Mietrückstände. Während Anna auf eine Sozialwohnung hofft, wartet sie mit über 18.600 anderen Familien – einige davon seit über einem Jahrzehnt. Gleichzeitig stehen etwa 200.000 Wohnungen leer. Ein bitterer Widerspruch in einer Stadt, in der 23.420 Menschen keinen festen Wohnsitz haben. Manche leben in Bahnhöfen, andere in einem der 350 illegalen Camps, wo sie sich gegen die Kälte und die Unsicherheit des Lebens am Rand der Gesellschaft behaupten müssen.
Die verlorenen Kinder Roms
Doch es sind nicht nur Erwachsene, die unter diesen Bedingungen leiden. Jeder vierte römische Haushalt, in dem Kinder leben, ist von Armut bedroht. Luca, ein zehnjähriger Junge aus einem Vorort, träumt davon, eines Tages Architekt zu werden. Doch er sitzt oft ohne Schulmaterial im Unterricht. Seine Familie kann sich weder ein eigenes Tablet noch die Nachhilfe leisten, die er dringend bräuchte. Die Zahlen des Berichts sind erschreckend: Rund 7,4 % der Schüler in Lazio brechen die Schule vorzeitig ab. Noch gravierender ist, dass 10,7 % der Jugendlichen in Rom zu den sogenannten NEETs gehören – jungen Menschen, die weder arbeiten noch studieren. Doch es gibt auch Hoffnung: Organisationen wie die Caritas haben 70 Nachhilfeschulen eingerichtet, die Kindern wie Luca eine Chance geben sollen.
Die Helfer in der Krise
Die Caritas erzählt in ihrem Bericht nicht nur von Problemen, sondern auch von Lösungen. 2023 unterstützte die Organisation über 24.000 Menschen – mit warmen Mahlzeiten, medizinischer Versorgung und sozialer Beratung. Ihre Suppenküchen verzeichneten einen Anstieg der Hilfesuchenden um 17 % im Vergleich zum Vorjahr. Doch es reicht nicht. Die Herausforderungen sind zu groß, die Hilfsangebote zu begrenzt.
Die Empfehlungen der Caritas sind klar:
Rom zwischen Hoffnung und Resignation
Rom steht vor einer Wahl: Wird es weiter auseinanderdriften, oder gelingt es der Stadt, die sozialen Brüche zu heilen? Das Heilige Jahr 2025 könnte eine Gelegenheit sein, nicht nur die Schönheit Roms zu feiern, sondern auch die Vision einer gerechteren Gesellschaft zu verwirklichen. Doch dazu braucht es mehr als gute Vorsätze. Es braucht Mut, Engagement und den Willen, die Geschichte neu zu schreiben.
Die Schatten der Stadt sind lang, doch Hoffnung glimmt an vielen Stellen. Rom, die Stadt des Lichts, kann den Weg aus der Dunkelheit finden – wenn alle zusammenarbeiten.