Dieser Tage vor 200 Jahren begann eine herausragende Ära der Dommusik St. Stephan: Johann Baptist Gänsbacher (1778-1844) übernahm das Amt des Domkapellmeisters.
Johann Baptist Gänsbacher hatte ein bemerkenswertes Leben, das von musikalischer Kunstfertigkeit einerseits und Patriotismus und militärischem Engagement andererseits geprägt war. Gebürtig in Sterzing, Südtirol, erhielt er in Innsbruck, Hall und Bozen eine frühe musikalische Ausbildung. In Innsbruck studierte er Philosophie und Jus. Militärisch machte er als Offizier in den Feldzügen gegen Napoleon von sich reden.
Anfang des 19. Jahrhunderts lebte Gänsbacher eine Zeit lang in Wien und in Böhmen, wo er von der ursprünglich ebenfalls aus Tirol stammenden Grafenfamilie Firmian sehr gefördert und geradezu wie ein Familienmitglied behandelt wurde. Hier betrieb er weitere Musikstudien, unter anderem bei Johann Georg Albrechtsberger, dem damaligen Stephaner Domkapellmeister an der Stelle des zuerst dafür vorgesehenen und vorzeitig verstorbenen Wolfgang Amadeus Mozart.
1813 kehrte Gänsbacher nach Tirol zurück und begab sich abermals in den Militärdienst; in dieser Zeit reorganisierte er die Tiroler Militärmusik. Nachdem er 1823 eine Berufung zum Musikdirektor in Dresden abgelehnt hatte (!), übernahm er im Jahr darauf die Leitung der Dommusik am Stephansdom in der Nachfolge von Domkapellmeister Joseph Preindl. Dafür war der zwei Jahre davor zum Wiener Fürsterzbischof ernannte Leopold Maximilian Graf Firmian nicht unmaßgeblich.
So trat Gänsbacher im November 1824, dieser Tage vor 200 Jahren, sein Amt als Domkapellmeister an, welches er bis zu seinem Tod innehaben sollte. Sein erstes Dirigat in St. Stephan fand zum Fest des hl. Leopold am 15. November desselben Jahres statt. Zur gleichen Zeit, am 3. November 1824, heiratete er in Bozen Juliane Schandl; dieser Ehe entstammten vier Kinder, von denen zwei bereits im Kleinkindesalter verstarben.
Auf Gänsbachers Initiative erfolgte in St. Stephan im Jahr 1827 erstmals eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Musikalien (Noten, Instrumente) in einem eigenen Verzeichnis, dem sogenannten „Gänsbacher Musikalienkatalog“.
Aus Gänsbachers gutem Verhältnis zu Fürsterzbischof Leopold Maximilian Firmian ergab sich dessen Ankauf bedeutender musikalischer Werke, darunter der komplette Gradualien-Zyklus Michael Haydns aus Salzburg mit mehr als 100 Kompositionen.
Trotz außerordentlicher Verdienste vor allem in der Militär- und Kirchenmusik ist Johann Baptist Gänsbacher gegenwärtigen Musikkreisen kaum bekannt. In St. Stephan bleibt die Erinnerung an ihn durch die jährliche Aufführung seiner Vesper am ersten Weihnachtsfeiertag lebendig. Er hat aber zahlreiche beeindruckende Werke hinterlassen, hervorgehoben die Messe Nr. XVII in E-Dur (Orgelsolo) oder das große Requiem in Es-Dur, für das Gänsbacher hohe Anerkennung der Fachwelt zu Teil geworden war, oder die Messe Nr. II in C-Dur, die er im Auftrag Fürst Nikolaus‘ II. Esterházy für dessen Residenz in Eisenstadt komponiert und später für St. Stephan umgearbeitet hat („Missa ... pro Princeps Esterhazy, Fassung für St. Stephan 1828“).
Anlässlich des 200 Jahr-Jubiläums von J. B. Gänsbacher im Stephansdom wird für die Spenderdankmesse am Samstag, 30. November, – die letzte mit Erzbischof Kardinal Schönborn – eine besondere Musik vorbereitet, selbstverständlich in einer Komposition des Jubilars: Die Messe Nr. VI in Es-Dur, Harmonie-Messe, die schon allein deshalb originell ist, weil sie in reiner Bläserbesetzung („Harmoniemusik“) instrumentiert ist. Eine solche Instrumentalbesetzung ist in der Gattung Klassische Messe selten, bekannt sind allenfalls Franz Schuberts Deutsche Messe „Wohin soll ich mich wenden“ (Originalfassung) sowie die Hieronymus-Messe von Michael Haydn, der wie sein älterer Bruder Joseph in der Mitte des 18. Jahrhunderts als Kapellknabe am Stephansdom tätig war. (Auch Joseph Haydn, hat eine später als „Harmonie-“ bezeichnete Messe komponiert, Hob.XXII:14. Sie trägt ihren Namen allerdings aus einem verwandten anderen Grund und ist hier nicht unbedingt hinzuzuzählen.)
Gänsbacher komponierte seine Harmonie-Messe im Jahr 1818 „auf Verlangen der Botzner Dilettanten, bloß mit Harmoniebegleitung, die mir mit 15 Kronthalern honorirt wurde.“
Im zwanzigsten Jahr seiner Tätigkeit als Domkapellmeister von St. Stephan verstarb Johann Baptist Gänsbacher am 13. Juli 1844 in seiner Wohnung nahe dem Dom in der heutigen Wollzeile 38 (Ecke Stubenbastei, Plachutta-Haus). Sein Leichnam wurde am Friedhof St. Marx in der Nähe des Mozart-Grabes beigesetzt.
1911 wurden Gänsbachers sterbliche Reste in ein Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof umgebettet. Anlässlich der 50. Wiederkehr seines Todestags wurde 1894 die Gänsbachergasse in Wien-Landstraße (3. Bezirk) bzw. Simmering (11. Bezirk) nach ihm benannt.
Samstag, 30. November, 12:00 Uhr:
Spender-Dankmesse mit Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn
Musikalische Gestaltung mit der „Harmonie-Messe“ von Johann Baptist Gänsbacher sowie einem Bläserensemble der Gardemusik des Österreichischen Bundesheeres.