Der Wiener Erzbischof erinnerte daran, dass die ersten zehn Jahre seiner Amtszeit nicht leicht gewesen seien. Es habe viel Streit in der Kirche und unter den österreichischen Bischöfen gegeben und auch das Verhältnis mit Rom sei belastet gewesen.
Der Wiener Erzbischof erinnerte daran, dass die ersten zehn Jahre seiner Amtszeit nicht leicht gewesen seien. Es habe viel Streit in der Kirche und unter den österreichischen Bischöfen gegeben und auch das Verhältnis mit Rom sei belastet gewesen.
Der Wiener Kardinal mahnt in der ORF-Pressestunde bei den Themen Flucht, Migration und Integration "weniger Emotion und mehr Sachverstand" an und "unverhandelbare Grundwerte" ein.
Für das Bauen von Brücken in der Gesellschaft und zwischen den Religionen sowie gegen die politische Instrumentalisierung von Religion hat sich Kardinal Christoph Schönborn ausgesprochen: "Wir brauchen Brückenbauer und Menschen mit Handschlagqualität, in einer Zeit, wo es schwieriger wird", betonte der Wiener Erzbischof am Sonntag in der "Pressestunde" auf ORF 2. Im Gespräch mit Barbara Tóth (Falter) und Andreas Mayer-Bohusch (ORF) sagte der Kardinal, der rund um seinen 80. Geburtstag am 22. Jänner als Erzbischof von Wien emeritieren wird, dass er auch nach seiner Amtszeit als Brückenbauer wirken wolle. Sein "großes Vorbild" sei dafür Kardinal Franz König, dem es in der Zweiten Republik gelungen sei, historische Gräben zwischen Kirche und Politik zu überwinden.
Der Wiener Erzbischof erinnerte daran, dass die ersten zehn Jahre seiner Amtszeit nicht leicht gewesen seien. Es habe viel Streit in der Kirche und unter den österreichischen Bischöfen gegeben und auch das Verhältnis mit Rom sei belastet gewesen. Schon damals sei es seine erste Aufgabe gewesen, Brücken zu bauen und zu versöhnen. "Das waren schon harte Jahre", so Schönborn. Demgegenüber gebe es heute "ein gutes Einvernehmen". Aber: "Vielleicht sind wir jetzt zu wenig kantig."
Zentrales Thema des Gesprächs war der gesellschaftliche und politische Umgang mit den Themen Asyl, Migration und Integration sowie das Verhältnis zum Islam. In Österreich sei es bisher nicht gelungen, die Themen Flucht und Migration differenziert zu behandeln, bedauerte der Kardinal. Auch müsse man klar sagen, dass Österreich angesichts der demografischen Entwicklung nicht ohne "gezielte Migration" leben könne. Das zeige sich in vielen Bereichen, wo Menschen in Berufen wie der Pflege und der Altenversorgung jetzt schon fehlten. Insgesamt wäre in Österreich bei den Themen Flucht und Migration "weniger Emotion und mehr Sachverstand gefordert", befand der Kardinal.
Gleichzeitig betonte der Kardinal, dass es in Österreich auch "nicht verhandelbare Grundwerte" gebe. Man müsse erwarten können, dass sich Migranten an diese Grundwerte halten müssen, so Schönborn auch im Blick auf Menschen aus islamisch geprägten Ländern. "Ein 10-jähriges Mädchen darf nicht verheiratet werden." Auch sei das islamische Konzept der Identität von Religion und Staat "nicht mehr akzeptabel". Die relative Trennung von Politik und Religion sei in vielen Ländern und auf Ebene der Vereinten Nationen mühsam erworben worden und müsse weiter Geltung haben. "Sie ist die Basis für Religionsfreiheit, Gewissensfreiheit, Versammlungsfreiheit und echte Toleranz", betonte der Kardinal.
In diesem Zusammenhang warnte der Wiener Erzbischof vor einer politischen Instrumentalisierung der Religion, wie es in Ländern wie Indien, den USA, Myanmar oder Brasilien unter Bolsonaro zu beobachten war bzw. sei. In funktionierenden Demokratien gebe es aber immer auch Gegenbewegungen, weswegen es eine starke Demokratie brauche.
Angesprochen auf immer wieder religiös konnotierte Botschaften der FPÖ sagte der Kardinal, dass er das bewusst nicht kommentieren wolle. "Die Österreicher sind reif genug, selbst darüber zu urteilen. Meine Aufgabe ist es, auf die christlichen Grundwerte hinzuweisen." Im Blick auf FPÖ-Obmann Herbert Kickl erinnerte Schönborn an eine Begebenheit, als dieser Innenminister war. Es habe damals einmal eine schwierige Situation für Menschen aus dem Iran gegeben, die in Österreich gelandet waren und für die er, Schönborn, sich bei Kickl eingesetzt hatte. "Letztlich haben alle einen Asylstatus erhalten. Das rechne ich Kickl groß an", so Schönborn, der generell im Blick auf Politiker festhielt: "Wir sollen einander nicht verteufeln." Es habe aber auch Grenzüberschreitungen gegeben: "Als Strache mit dem Kreuz gegen Muslime vorgegangen ist, habe ich entschieden protestiert", erinnerte der Kardinal und betonte: "Das Kreuz ein Zeichen des Segens." Er, Schönborn, wolle jedenfalls weiter Brücken zu allen Parteien bauen.
Angesprochen auf die Abnahme von Katholiken vor allem in der Stadt Wien verwies der Kardinal auf Bürgermeister Michael Ludwig, der angesichts dieser Zahlen meinte, dass sich die Österreicher darüber nicht wundern dürften, wenn sie selbst aus der Kirche austreten. Schönborn: "Gleichzeitig will eine klare Mehrheit, dass Österreich christlich bleibt, was tun wir dafür?"
Im Blick auf den erstarkenden Islam plädierte der Kardinal für Besonnenheit und sagte: "Keine Angst vor dem Islam." Wichtig sei im Verhältnis mit Muslimen das Kennenlernen. Es gelte, Kontakte zu pflegen und Brücken zu bauen, aber "ohne Naivität". Schönborn erinnerte in diesem Zusammenhang an seinen Besuch 2001 im Iran und letztes Jahr in Saudi-Arabien. Es gebe auch in islamischen Ländern viele, die sich vor einem radikalen Islam fürchten würden. Christentum und Islam müssten ihre gewaltvolle Rivalität überwinden. "Habe ich etwas dazu beigetragen, dass Menschen in Frieden und Gerechtigkeit zusammenleben oder nicht?" - Dieser Frage müssten sich christliche und muslimische Amtsträger stellen. "Ich bin für das Brückenbauen, so wie der Papst", betonte Schönborn in diesem Zusammenhang.
Als ein gelungenes Beispiel dafür nannte er die gemeinsame Ausbildung von katholischen, anderen christlichen sowie islamischen Religionslehrerinnen und Religionslehrern an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule in Wien.
Die Frage, ob Frauen das Weiheamt offenstehen soll, wird aus Schönborns Sicht auch nach der jüngst zu Ende gegangenen Weltsynode weiterhin "auf dem Tisch bleiben". Ohnehin seien schon jetzt viele Frauen in kirchlichen Führungspositionen - als ein Beispiel nannte der Kardinal die Präsidentin der Caritas-Österreich, Nora Tödtling-Musenbichler.
Er habe auch kein Problem damit, wenn Gemeinden von Frauen geleitet würden. Das Amt des Pfarrers sei aber an das Priestertum gebunden, das nach 2000-jähriger Tradition nur von Männern ausgeübt wird. "Sind wir im Jahr 2024 so viel gescheiter als eine 2000-jährige Tradition, dass wir sagen können, das war bisher ein Irrtum?", gab der Kardinal zu bedenken, der eine Änderung aber nicht gänzlich ausschloss und sagte: "Davor braucht es meines Erachtens ein Ökumenisches Konzil." Eine Synode, wie die eben zu Ende gegangene, sei dafür zu wenig.
Im Blick auf seine in Kürze zu erwartende Emeritierung vom Amt als Wiener Erzbischof sagte der Kardinal, dass er in Wien bleiben werde - mit Zweitwohnsitz in Retz - und weiterhin für Gottesdienste und andere Dienste zur Verfügung stünde. "Ich hoffe, dass wir bald vom Papst erfahren werden, wen er für Wien ausgewählt hat." Schönborn abschließend: "Ich liebe die Kirche, ich verdanke ihr sehr viel. Dass sie Fehler hat, sehe ich an mir selbst."