Einige der bekanntesten Adventlieder haben heuer einen „runden Geburtstag“. Vor 500, 425 und 250 Jahren wurde sie veröffentlicht.
Kaum eine Jahreszeit wird so intensiv in Liedern wahrgenommen wie der Advent und Weihnachten. Top-Favoriten sind die „außerliturgischen“ Lieder der Weihnachtszeit, „Stille Nacht“, „O Tannenbaum“, „Ihr Kinderlein kommet“ usw., bemerkenswerterweise auch und gerade bei Menschen, die sich dem Kirchlichen nur wenig oder gar nicht verbunden fühlen. Demgegenüber erschließen sich die Lieder des Advents vorwiegend im liturgischen Vollzug; beliebt sind sie dort um nichts weniger.
Einige der bekanntesten Adventlieder haben heuer einen „runden Geburtstag“. Ein Blick auf ihre Entstehung weitet die Aufmerksamkeit auf Marken der Kirchenliedgeschichte.
„Komm, du Heiland aller Welt“, Gesangbuch Gotteslob (GL) 227 – Der Text des Liedes von der geheimnisvollen Menschwerdung Gottes wurde von Martin Luther als Kontrafaktur des Hymnus „Veni redemptor gentium“ des hl. Ambrosius geschaffen. Ambrosius hatte zu seinem Text mehrere Melodien verfasst. Die heute bekannte Melodie geht jedoch auf eine hochmittelalterliche Handschrift der Benediktinerabtei Einsiedeln zurück, die Martin Luther im Bestreben nach „Gemeindetauglichkeit“ vereinfacht und mit seinem Text als Adventlied 1524 – vor 500 Jahren – in Erfurt veröffentlicht hat.
„Wachet auf“, ruft uns die Stimme“, GL 554 – Das Lied von der Wachsamkeit in der Erwartung des Herrn im Blick auf das Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen entstand ebenfalls als Kontrafaktur, hier als Abbild des aus dem Minnesang bekannten Wächterlieds. Philipp Nicolai, lutherischer Pfarrer und Hofprediger, schuf Text und Melodie im Jahr 1599 – vor 425 Jahren – und gab das Lied zusammen mit zwei anderen seiner Lieder, darunter „Wie schön leuchtet der Morgenstern“, sowie einem Lied seines jüngeren Bruders Jeremias als Anhang seines Buches „Freudenspiegel des ewigen Lebens“ heraus.
„Tauet, Himmel, den Gerechten“, GL 791 – Die erste Zeile des Liedes zitiert den bekannten Jesaja-Vers „Rorate coeli desuper, et nubes pluant iustum“. Im weiteren Textverlauf der ursprünglich sechs Strophen werden der Dialog zwischen dem Verkündigungsengel Gabriel und der nachmaligen Gottesmutter Maria und die Fleischwerdung des Wortes Gottes besungen. Strophen 4 und 5 fordern zur Wachsamkeit auf und zu einem rechtschaffenen Leben: „Künftig ziehe jedermann nur des Lichtes Waffen an“.
Die Melodie stammt von Michael Haydn, dem jüngeren Bruder Josephs, dem auch die Melodien zur Deutschen Messe „Hier liegt vor deiner Majestät“ und zum Fronleichnamshymnus „Deinem Heiland, deinem Lehrer“ zu verdanken sind.
Den Text schuf der Jesuitenpriester Michael Denis, der ihn 1774 – vor 250 Jahren – in seiner Sammlung „Geistliche Lieder zum Gebrauche der hohen Metropolitankirche bei St. Stephan in Wien und des ganzen wienerischen Erzbistums“ erstmals veröffentlicht hat. Diese Sammlung war und ist bedeutsam; mehr als ein Dutzend Lieder daraus stehen bis heute in Verwendung, darunter das Passionslied „Lass mich deine Leiden singen“ und das Osterlied „Der Heiland ist erstanden“.
„Tauet, Himmel, den Gerechten“. Die letzte (im GL nicht abgedruckte) Strophe des Liedes lässt einen schon gut einschwingen auf den Engelsgesang in der Heiligen Nacht:
Welterlöser! Ich erfülle deines treuen Knechtes Rat. Komm in meines Fleisches Hülle, wie dein Bot‘ verkündet hat. Komm, und bringe mir den Frieden! Menschen ist er nur beschieden, die von gutem Willen sind; komm, ich bin es, göttlich Kind!