Antworten von Kardinal Christoph Schönborn in der Tageszeitung HEUTE am 24. Dezember 2024
Heute ist Heiligabend. Endlich – werden manche sagen, nach all dem Trubel und der Hektik der vergangenen Tage! Am Vormittag haben die Geschäfte noch geöffnet, nachmittags kann etwas Ruhe einkehren. Die Vorweihnachtszeit gehört zu den anstrengendsten Zeiten des Jahres. Warum feiern wir überhaupt Weihnachten? Warum schmücken wir Tannenbäume, stellen Weihnachtskrippen auf, singen Weihnachtslieder, beschenken uns gegenseitig?
Jedes Jahr hören wir die Weihnachtsbotschaft: von Maria und Josef und dem neugeborenen Kind. Sie legten es in eine Futterkrippe in einem ärmlichen Stall in Betlehem, weil in der Herberge kein Platz für sie war. Ochs und Esel dürfen in keiner Weihnachtskrippe fehlen. Dazu die Hirten und die Engel, die die Geburt des Kindes verkünden. Das alles geschah vor mehr als 2000 Jahren. Bis heute hat die Geburt Jesu eine so große Bedeutung, dass wir sogar unsere Zeitrechnung danach ausrichten: 2024 nach Christi Geburt!
Warum geht von Weihnachten bis heute eine so starke Wirkung aus? Liegt es an der tiefen Sehnsucht nach Frieden und Geborgenheit, die in jedem Menschen steckt? „Friede den Menschen auf Erden“, singen die Engel.
Hat das Jesuskind den Frieden auf Erden gebracht? Wohin wir schauen: Kriege, Hungersnot, Armut, Umweltkatastrophen, Menschen auf der Flucht! Der Papst bittet die Mächtigen: Lasst wenigstens zu Weihnachten die Waffen schweigen! Aber wer hört auf ihn? Wen kümmert das Leiden der Menschen? Sorgen und Nöte machen auch nicht Halt vor unseren Türen. Die Einsamkeit bedrückt besonders zu Weihnachten. So viele sind einsam! Familienkonflikte belasten den erhofften Weihnachtsfrieden zu Hause. Viele spüren zudem, dass es wirtschaftlich eng wird. Wie also Weihnachten als Fest des Friedens feiern?
Was kann ein kleines, wehrloses Kind ausrichten in einer Welt voll Not und Leiden? Eines stimmt sicher: Jedes neugeborene Kind ein Zeichen der Hoffnung und des Lebens. Ein Neugeborenes weckt so viele Liebe, Zärtlichkeit und menschliche Wärme!
Schon damals müssen die einfachen Hirten es gespürt haben. Sie kamen vom Feld, von ihren Herden, von ihrer Arbeit und fanden das Kind, das in der Futterkrippe lag. Sie hatten eine Ahnung im Herzen: Hier ist etwas Wunderbares geschehen. Mit Jesus, mit diesem Kind hat etwas Neues begonnen. Jesus hat gelebt, was er gelehrt hat. Er hat nicht nur vom Frieden gesprochen, sondern auch Versöhnung gebracht. Gott selber ist uns in Jesus nahegekommen. Bis heute bittet Jesus uns Menschen: Lasst den Hass! Versöhnt euch untereinander! Wendet euch Gott zu! Frieden beginnt im eigenen Herzen. Von dort kann er ausstrahlen und die Welt verändern.
Heute wünsche ich uns allen diese Erfahrung. Dann wird es wirklich Weihnachten! Besonders denke ich an alle, die an diesem Weihnachten um einen lieben Menschen trauern; an alle, die an den Feiertagen für andere sorgen: in der Pflege und den Krankenhäusern, im Polizeieinsatz und in allen öffentlichen Diensten und Bereichen.
Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ein frohes, friedliches und gesegnetes Weihnachtsfest