Laudator Zulehner würdigt bei Zeremonie Schönborns Engagement für Kirche, Gesellschaft und Menschenrechte: "Kein politisierender, aber ein politischer Bischof".
Kardinal Christoph Schönborn ist zum Ehrenbürger von Retz ernannt worden. Die Ehrung am Donnerstag, 30. Jänner 2025, erfolgte in Anerkennung seiner jahrzehntelangen Verdienste an der Spitze der Erzdiözese Wien, in deren Gebiet die niederösterreichische Kleinstadt nahe der tschechischen Grenze liegt.
Schönborn ist mit der Weinviertler Stadtgemeinde eng verbunden, da sich dort früher ein Dominikanerkloster befand, wo sich der am 22. Jänner emeritierte Erzbischof öfters aufhielt und auch künftig zeitweise wohnen wird. Der Theologe Paul M. Zulehner hob in seiner Laudatio die besonderen Qualitäten Schönborns hervor und charakterisierte ihn als "politischen, pastoralen und mystischen" Kirchenmann, der stets in der Tradition des Zweiten Vatikanischen Konzils stand.
Schönborn sei kein "politisierender", aber ein "politischer" Bischof gewesen, der sich für Menschenrechte, Religionsfreiheit und eine offene Gesellschaft eingesetzt habe, sagte Zulehner. Besonders strich der Religionssoziologe die europäische Haltung des Kardinals sowie dessen deutliche Positionen in Fragen von Migration und Flucht hervor. "Als polyglotter Kirchenmann war Kardinal Schönborn unbeugsam proeuropäisch", sagte Zulehner laut Redemanuskript. Für den emeritierten Wiener Erzbischof sei die "freie Kirche im freien Staat" keine politische Partei, sehr wohl aber "politisch parteiisch". Wiederholt habe sich Schönborn gegen soziale Ungerechtigkeiten und Diskriminierung ausgesprochen und für eine Kirche geworben, die die Sorgen und Nöte der Menschen ernst nimmt.
Entscheidende Weichenstellungen habe Schönborn auch im pastoralen Bereich vorgenommen, insbesondere bei der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in der Kirche und in der Begleitung von Menschen in schwierigen Lebenssituationen, so Zulehner weiter. Seine offene Haltung gegenüber Geschiedenen und Wiederverheirateten sei ein Zeichen für eine wachsende Sensibilität in der Seelsorge gewesen. Zudem habe er den notwendigen Wandel in der Kirche mit Umsicht und diplomatischem Geschick begleitet.
Zulehner bezeichnete Schönborn zudem als einen "verlässlichen Anwalt der Wiener Pastoralkultur". Sein Bemühen, die Kirche für moderne gesellschaftliche Herausforderungen zu öffnen, sei international wahrgenommen worden. Auch Papst Franziskus schätzte ihn als theologisch versierten und gleichzeitig volksnahen Kardinal, der stets um eine Balance zwischen kirchlicher Lehre und pastoraler Praxis bemüht gewesen sei. "Kardinal Christoph Schönborn hat den längst fälligen Umbau der kirchlichen Sozialgestalt mutig und lernend zugleich in Angriff genommen", würdigte Zulehner. Zugleich bezeichnete er die Reform der Kirchengestalt als "Weg mit offenem Ausgang", der mitunter auch in Sackgassen führen könne.
Schönborn habe klare Position in Fragen der Religionsfreiheit, aber auch in Fragen wie Migration und Flucht gefunden, so der Pastoraltheologe weiter. Als Beispiele nannte Zulehner unter anderem Schönborns positive Haltung zum EU-Beitritt Österreichs und dessen Anwaltschaft für die Freiheit. "Nach heftigen Turbulenzen hat Kardinal Schönborn der Kirche ihr freundliches Gesicht zurückgegeben" und habe Talent als Kommunikationskünstler gezeigt - etwa in den "Heute"-Kolumnen, so der Wiener Pastoraltheologe weiter. "Er griff nie zu harten Worten, schützte jene, die auf dem Weg zur Heiligkeit waren und dabei doch hin und wieder Umwege einschlugen."
Die mystische Seite des Kardinals zeigte sich laut Zulehner vor allem in seiner tiefen Verwurzelung im Glauben. Als spiritueller Mensch habe er stets das Verbindende über das Trennende gestellt und die Liebe als zentrales Motiv des christlichen Lebens betont. Sein Anliegen sei es immer gewesen, den Menschen eine Kirche zu zeigen, die nahbar, menschenfreundlich und hoffnungsvoll sei. Sein Engagement für den interreligiösen Dialog und seine Bemühungen um Verständigung zwischen unterschiedlichen christlichen Konfessionen hätten ihm auch international Anerkennung eingebracht.
Schönborn hatte am 22. Jänner erklärt, er werde künftig zwischen dem Kloster der Schwestern vom Lamm im 20. Wiener Gemeindebezirk und Retz pendeln. Dort werde er "zur Verfügung stehen, wo ich gebraucht werde". Papst Franziskus hatte das Rücktrittsgesuch des Erzbischofs anlässlich seines 80. Geburtstags angenommen und gleichzeitig den bisherigen Bischofsvikar Josef Grünwidl zum Apostolischen Administrator ernannt, der bis zur Ernennung eines Nachfolgers für Schönborn die Geschäfte an der Spitze der Erzdiözese Wien führen wird. Bereits im November 2024 hatte der Kardinal die Ehrenbürgerschaft der Stadt Wien erhalten.
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