Apostolischer Administrator der Erzdiözese Wien in Aschermittwoch-Predigt im Stephansdom: Wenn Kirche lebendig und glaubwürdig sein soll, braucht es mehr als Brauchtum. Grünwidl mit Appell zur Stärkung des Miteinanders: "Die Zukunft gehört nicht den Spaltern, sondern den Brückenbauern, nicht den Gewalttätigen, sondern den Friedenstiftern".
Zur Vertiefung des Glaubens, der zugleich auch eine starke solidarische Dimension beinhaltet, hat der Apostolische Administrator der Erzdiözese Wien, Josef Grünwidl, aufgerufen. Er stand am Mittwochabend im Stephansdom der Aschermittwoch-Liturgie vor. In seiner Predigt über den Sinn der Fastenzeit sagte er wörtlich: "Wo immer unser Glaube dünn und oberflächlich geworden ist, wo unsere Frömmigkeit sich in Gewohnheiten und Ritualen erschöpft, sind wir eingeladen in die Tiefe zu gehen und uns von Christus stärken und erneuern zu lassen." Wenn die Christinnen und Christen Jahr für Jahr in der Fastenzeit einen Bekehrungs- und Erneuerungsweg gehen, werde deutlich: "Wir sind Christen, um Christen zu werden. Und dieser Prozess ist nie abgeschlossen."
Grünwidl sprach von drei "Wegweisern" in der Fastenzeit, die "eine Schule der Innerlichkeit, der Solidarität und des Glaubens" sei. Der erste Wegweiser zeige von der Oberfläche in Richtung Tiefe und Innerlichkeit. "Viele Menschen sind ständig damit beschäftigt, ihr äußeres Erscheinungsbild zu optimieren. Jetzt in der Fastenzeit sind wir eingeladen, uns zu fragen: Was ist mir wichtiger? Wie ich mich präsentiere, wie und ob die anderen mich sehen und beachten und bewundern? Oder ist es mir nicht doch wichtiger, wer ich in Wahrheit bin und wie Gott mich sieht?", so der Administrator.
Der Appell zur Innerlichkeit gelte auch dort, wo das Christsein vielleicht schon verwässert sei und an der Oberfläche bleibe. "Wir reden von einem Gewohnheitschristentum, von einem Kulturchristentum, das sich oft im Brauchtum und in Traditionen erschöpft", so Grünwidl: "Das ist gut und schön. Aber wenn das Christentum in unserem Land lebendig und glaubwürdig bleiben soll, dann braucht es mehr. Dann braucht es Menschen, die ihre Taufberufung leben, die eine persönliche Beziehung zu Christus aufbauen und pflegen, die versuchen, so gut sie können, nach dem Evangelium zu leben."
Das christliche Fasten erschöpfe sich zudem nicht in Innerlichkeit, sondern habe immer auch eine soziale Dimension. Dieser Aspekt des Fastens scheine ihm für die Gegenwart besonders wichtig zu sein, so der Administrator. Und so führe der zweite Wegweiser "vom Ich zum Du und zum Wir" sowie zum Ruf nach einer Stärkung des Miteinanders. Wörtlich sagte Grünwidl: "Ich habe die leise Hoffnung, dass immer mehr Menschen schon erkennen und spüren: In der Selbstverwirklichung und darin, dass jeder Mensch sein Ding machen kann, liegt nicht das große Glück."
Er habe zudem die Hoffnung, "dass immer mehr Menschen klar sehen: Die Zukunft liegt im Miteinander. Die Zukunft gehört nicht den Spaltern, sondern den Brückenbauern. Sie gehört nicht den Gewalttätigen, sondern den Barmherzigen und den Friedenstiftern."
Der dritte Wegweiser führe schließlich von der Sattheit zum Hunger der Seele nach Gott. "Gott will sich uns nur schenken im Maße unseres Hungers nach ihm. Den Satten, den Übersättigten drängt er sich nicht auf." Fasten könne also auch bedeuten: "die Selbstverliebtheit aushungern, das aufgeblähte Ego etwas abspecken, die Übersättigung mit Lärm, Spaß und Stress reduzieren und Platz machen, innerlich entrümpeln, Gott Raum geben, und den Hunger nach der Begegnung mit Christus wieder neu spüren."
Der Administrator wies zudem darauf hin, dass heuer eines der seltenen Jahre ist, in denen West- und Ostkirchen am gleichen Datum Ostern feiern und hielt fest: "Könnte das nicht für die Zukunft ein Modell werden, dass wir Berechnungsfragen für einen Termin hinten anstellen und dass es uns ein großes Anliegen wird, dass die Christenheit gemeinsam und geeint Osterzeugnis ablegt?"
Die Aschermittwoch-Feier zum Beginn der Fastenzeit war für Administrator Grünwidl einer der ersten großen Gottesdienste im Stephansdom seit er am 22. Jänner von Kardinal Christoph Schönborn interimistisch die Leitung der Erzdiözese Wien übernommen hat.
Nach der Predigt segnete Grünwidl bei dem Gottesdienst Asche als Zeichen von Vergänglichkeit und Buße. Geistliche zeichneten danach den Gläubigen ein Kreuz aus Asche auf die Stirn und sprachen dazu die Worte "Bedenke Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst". - Am Ende der Aschermittwoch-Liturgie im Stephansdom läutete wie in allen Jahren üblich die Pummerin.
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