"Spiritualität: Offenheit für eine Wirklichkeit, die größer ist als der Mensch und diese Welt transzendiert", so die Professorin für Theologie der Spiritualität an der Universität Wien, Marianne Schlosser.
"Spiritualität: Offenheit für eine Wirklichkeit, die größer ist als der Mensch und diese Welt transzendiert", so die Professorin für Theologie der Spiritualität an der Universität Wien, Marianne Schlosser.
Marianne Schlosser, Professorin für Theologie der Spiritualität an der Universität Wien, über den "Megatrend Spiritualität".
"Vermehrte Sehnsucht der Menschen nach Spiritualität" konstatiert die Wiener Theologin Marianne Schlosser. Das sei "eine Reaktion auf eine als materialistisch, technisch durchgestylt und der rationalen Verfügungsmacht ausgeliefert empfundenen Welt", so Schlosser. Sie ist Professorin für Theologie der Spiritualität an der Universität Wien. In einer immer mehr durchrationalisierten Welt, in der sich der einzelne nur mehr als Rädchen in einem Getriebe empfindet, suchten Menschen wieder verstärkt nach "Ganzheitlichkeit, Glück, authentischem Leben aber auch nach echter Gemeinschaft und Verbundenheit sowie dem rechten Maß von Freiheit und Geborgenheit", erläutert Schlosser.
Grundlegend könnte man Spiritualität als eine "Haltung oder Sehnsucht danach, als Mensch von einem geistigen Fundament her zu leben" verstehen. Das schließe eine Offenheit für eine Wirklichkeit ein, die größer ist als der Mensch und diese Welt transzendiert. Religiös gesehen könne man Spiritualität als tiefes Verlangen, Gottes Gegenwart im eigenen Leben zu entdecken, umschreiben. Gerade der christliche Glaube habe hier eine unvergleichliche Botschaft, so Schlosser: "Jeder Mensch ist nach Gottes Bild erschaffen und so unverzweckbar und kostbar. Gott sucht den Menschen, nicht nur der Mensch Gott."
Im Neuen Testament, besonders bei Paulus, sei ein Mensch dann "spirituell", wenn er sich vom Heiligen Geist, dem Geist Jesu Christi, bestimmen und führen lässt, erklärt Schlosser. Christliche Spiritualität habe außerdem eine gemeinschaftliche Dimension. "Der Heilige Geist ist nicht nur dem einzelnen Gläubigen für sich geschenkt, sondern verbindet die Glaubenden untereinander zu einem Leib."
Schlosser ist seit 2004 Inhaberin des Lehrstuhls für Theologie der Spiritualität an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien. Ein Schwerpunkt ihrer Forschung liegt in der Erschließung wichtiger Quellen der christlichen Spiritualität. Weil Institute oder Lehrstühle für Theologie der Spiritualität im deutschen Sprachraum bisher die Ausnahme geblieben sind, haben die wenigen bestehenden Lehrstühle bzw. Institute eine Vorbildfunktion inne. Um in Zukunft die Methodik einer "Theologie der Spiritualität" zu profilieren, sollen die Schlüsselbegriffe, Methoden und Konzepte des aktuellen Diskurses ausgewertet und weiterentwickelt werden. Orientierung dazu geben unter anderem die grundlegenden Forschungen Josef Weismayer, der das Fach "Spirituelle Theologie" von 1976 bis 2004 am Institut für Dogmatik der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien lehrte.