Heute bestehe laut Tück die Gefahr einer Verflachung des Gesprächs - und zwar auf beiden Seiten.
Heute bestehe laut Tück die Gefahr einer Verflachung des Gesprächs - und zwar auf beiden Seiten.
Theologe Tück zum "Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien": Dialog jenseits "auftrumpfender Selbstgewissheit missionarischer Atheisten" und der "Gottprotzigkeit mancher Glaubenseiferer".
In der aktuell aufgeheizten Debattenlage zwischen "Volksbegehrern", "neuen Atheisten" und Religionsvertretern ruft der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück zu einem Dialog im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils auf. Schließlich habe das Konzil dezidiert den Dialog mit dem aufkeimenden Atheismus gesucht, im Wissen darum, dass gerade ernsthafter Glaube nicht ohne den Zweifel auskomme. Das unterstrich der Theologe bei einer Akademischen Feier am Freitag, 12. April 2013, an der Universität Wien. Bei der Gelegenheit äußerte sich Tück auch kritisch zum aktuellen "Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien".
Heute bestehe laut Tück die Gefahr einer Verflachung des Gesprächs - und zwar auf beiden Seiten: "Die auftrumpfende Selbstgewissheit missionarischer Atheisten und nicht minder die Gottprotzigkeit mancher Glaubenseiferer droht hinter dieses Gesprächsniveau zurückzufallen." Allein deshalb sei in der aktuellen Situation "eine Rückbesinnung auf das Zweite Vatikanische Konzil und dessen kritisch-konstruktive Auseinandersetzung mit dem Atheismus" auch heute noch lohnend.
Aktuell sei eine solche Rückbesinnung insbesondere vor dem Hintergrund des aktuellen "Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien", da dessen Vertreter einen "geradezu religiösen Eifer gegen Religion" an den Tag legten. Zum Problem werde ein solcher Eifer, "wenn religiöse Überzeugungen öffentlich als 'Quatsch' oder - in der Diktion etwas vornehmer - als 'metaphysische Absurditäten' herabgesetzt werden." Dabei müsse die Theologie eigentlich gar "dankbar sein, dass bekennende Gottesleugner mit gegen die schleichende Gottvergessenheit angehen, indem sie den Streit um Gott neu entfachen", so Tück.
Intellektuell fallen die heutigen Formen des "neuen Atheismus" jedoch deutlich hinter den ursprünglichen philosophischen Atheismus zurück, so Tück weiter. Wo etwa die "Entmythologisierung der biblischen Erzählungen als Sensation" verkauft werde oder die "aggressive Intoleranz des Eingottglaubens" gegeißelt werde, ignoriere dieser Atheismus eine jahrhundertealte kritische Denktradition innerhalb der Theologie selbst. Aber auch "manch kirchliche Atheistenschelte" falle mitunter "einseitig" aus, etwa wenn kirchlicherseits vor einer "ungezügelten Autonomie" oder einer "moralischen Schrankenlosigkeit" des modernen Menschen gewarnt werde.
Das Konzil habe dagegen in "Gaudium et spes" einen aufrichtigen Dialog gesucht und gar nach der eigenen Mitverantwortung der Kirche für die Entstehung des Atheismus gefragt. Dabei hat das Dokument unterstrichen, dass die Gläubigen "durch die Vernachlässigung der Glaubenserziehung, durch trügerische Darstellung der Lehre oder auch durch die Mängel ihres religiösen, sittlichen und gesellschaftlichen Lebens das echte Antlitz Gottes und der Religion eher verhüllen als offenbaren". So sei in der Auseinandersetzung mit dem Atheismus immer auch "Lernbereitschaft und Prozesse der Selbstrevision" notwendig - auch heute noch, so Tück.
"Die soziale Temperatur in unserem Land würde wohl kälter werden, wenn es die Kirchen und ihr dichtes Netz sozialer und karitativer Dienste für bedürftige Menschen nicht gäbe", so Tück. Auch das hohe Maß vom Evangelium motivierter Ehrenamtlichkeit müsse betont werden - wenn Kirche auch stets zugleich eine Institution "von fehlbaren Menschen" und deren Schuld bleibe.
Schließlich verwies Tück aus der speziell-universitären Sicht auch auf das hohe Ansehen, dass die Theologie genieße. So sei etwa die Wiener Katholisch-Theologische Fakultät mit ihren über 1.000 Studierenden die zweitgrößte katholische Fakultät Europas, fest eingebunden in wissenschaftliche interdisziplinäre Netzwerke. In einer Zeit "tiefgreifender Änderungen in der religiösen Landschaft" bestehe die Aufgabe der Theologie heute darin, als "Glaubenswissenschaft" die Inhalte des christlichen Glaubens kritisch zu reflektieren, aber auch darin, als "Kulturwissenschaft" über das "kulturelle und historische Profil des Glaubens" Auskunft geben müsse.