Jesuitengeneral Pater Adolfo Nicolas bei der Festmesse zum Jubiläum "450 Jahre Jesuiten in Österreich" am Sonntag, 9. Juni, im Stephansdom.
Jesuitengeneral Pater Adolfo Nicolas bei der Festmesse zum Jubiläum "450 Jahre Jesuiten in Österreich" am Sonntag, 9. Juni, im Stephansdom.
Dass mit Papst Franziskus nun erstmals ein Jesuit an der Spitze der katholischen Kirche steht, "bedeutet für uns nicht viel", erklärte Jesuitengeneral Adolfo Nicolas Pachon im Rahmen seines Österreichbesuchs anlässlich des Jubiläums "450 Jesuiten in Österreich".
Wie der höchste Vertreter der "Gesellschaft Jesu", Jesuitengeneral Adolfo Nicolas Pachon, am Samstag, 8. Juni 2013, im Rahmen eines Österreich-Besuchs erklärte, sähen sich die Jesuiten jedem Papst zu besonderem Gehorsam verpflichtet. Deren Loyalität sei nicht von der Ordenszugehörigkeit des Nachfolgers Petri abhängig und habe auch Franziskus' Vorgänger Benedikt XVI. uneingeschränkt gegolten. Priorität habe die von der lateinamerikanischen Befreiungstheologie formulierte, aber zum Grundbestand des Christentums gehörende "Option für die Armen". Auch Papst Benedikt habe bei einem Besuch in der römischen Ordenszentrale der Jesuiten diese Ausrichtung explizit unterstrichen.
Der 77-jährige gebürtige Spanier, der erst vor knapp drei Wochen zum neuen Präsident des internationalen Verbands der Generaloberen der religiösen Orden gewählt wurde, besuchte anlässlich des Jubiläums "450 Jahre Jesuiten in Österreich" hiesige Einrichtungen des Ordens und nimmt an den Feierlichkeiten teil. Bei einem Pressegespräch im Wiener Kardinal-König-Haus bezeichnete Pater Adolfo Nicolas die österreichische Jesuitenprovinz als eine zwar kleine, aber "kreative und dynamische" im Ensemble der weltweiten Provinzen der Gesellschaft Jesu.
Das Leben der Menschen im Geist Christi "menschlicher zu machen" und Leid in Form von Gewalt, Krieg oder Armut zu lindern sieht der Jesuitengeneral seit der Gründung durch Ignatius von Loyola als Hauptaufgabe seines Ordens. Die jeweiligen Herausforderungen seien dabei freilich geschichtlichen Veränderungen unterworfen: Aktuell befinde sich die Menschheit in einer medialen Revolution durch die weite Verbreitung digitaler Medien. In der modernen Informationsflut sei die Suche nach der Wahrheit schwierig geworden, meinte Pater Adolfo Nicolas. Zugleich ergäben sich durch das Internet auch neue Chancen. Kürzlich habe er z.B. ein Camp des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes (Jesuit Refugee Service, RFS) im afrikanischen Malawi besucht, wo junge Flüchtlinge online studierten. Auch er selbst nütze das Internet und belege an der Harvard Unitversity Online-Kurse über Themen wie Gerechtigkeit und Globalisierung.
Der oberste Jesuit, der mehr als die Hälfte seines Lebens als Theologielehrender in Japan verbrachte, verglich die gegenwärtige Krise des Glaubens in Europa mit dem babylonischen Exil des Volkes Israel. Auch dieses habe einen Glaubensverlust mit sich gebracht, auch die Mahnungen der Propheten seien verstummt. Aber: Es habe sich eine neue Weisheitsliteratur herausgebildet, die jetzt die jüngsten Bücher des Alten Testaments bilden. Nach den Worten von Pater Adolfo Nicolas müsse die Kirche auch heute eine "neue Sprache lernen, um die Herzen der Menschen zu berühren".
Der Jesuitenorden überlasse den einzelnen Provinzen viel Eigenverantwortung bei der Bewältigung anstehender Herausforderungen. Beim Umgang mit sexuellem Missbrauch etwa gebe es keine zentrale "Superbehörde", lediglich Richtlinien wie das Ernstnehmen von Vorwürfen, deren faire Prüfung, Opferschutz und Prävention. Pater Adolfo
Nicolas gestand, dass die in den letzten Jahren bekanntgewordenen Fälle so "unglaublich schlimm" gewesen seien, dass das Akzeptieren anfangs schwergefallen sei. Jetzt aber würden klare Konsequenzen gezogen.
Einen positiven Nebeneffekt hätten die Missbrauchsskandale freilich gehabt, so der Jesuitengeneral: Er habe das Ende eines Klerikalismus und kirchlichen Triumphalismus gebracht und das Wort "Wir sind alle Sünder" jeder Phrasenhaftigkeit entkleidet.
Als Asienkenner bezeichnete PaterAdolfo Nicolas die Lage für Christen in China als überaus schwierig, Katholiken fragten sich angesichts der feindlichen Haltung der Regierung, wie sie überhaupt ihren Glauben leben könnten.
In Japan seien die Christen trotz zuletzt steigender Zahl eine kleine Minderheit von weniger als ein Prozent, während sich "insgesamt 120 Prozent" der Japaner als dem Shintoismus und dem Buddhismus zugehörig fühlten. Dass im Unterschied dazu in Südkorea das Christentum eine fixe Größe darstelle, führte Pater Adolfo Nicolas darauf zurück, dass es sich mit dem ursprünglichen Schamanismus des Landes ähnlich gut ergänze wie der japanische Buddhismus mit dem dort angestammten Shintoismus. Zuletzt habe der Buddhismus allerdings auch in Südkorea mehr Zulauf als das Christentum.
Auf die Nachwuchsprobleme der Jesuiten trotz der Tatsache, dass der Orden mit rund 18.000 Mitgliedern immer noch der zahlenstärkste der katholischen Kirche ist, blickt der Generalobere mit Optimismus. Die "Talsohle" sei erreicht und werde bald überwunden sein, denn zum einen habe die Kirche in Ländern wie Indien, Vietnam, auf den Philippinen oder in Afrika viel Zulauf, zum anderen wolle im Westen eine zunehmende Zahl junger Menschen etwas Sinnvolles mit ihrem Leben anfangen. Sie seien ansprechbar für die vom Jesuitenorden angestrebte Humanisierung und die Überzeugung, dass religiöses Leben und Mitgefühl für das Schicksal anderer Hand in Hand gehen müssen.
Österreichbesuch des Generaloberen der Jesuiten, Pater Adofo Nicolas SJ, anlässlich "450 Jahre Jesuiten in Österreich".