"Heute gilt es, den Zahllosen zu danken, die dem Beispiel des barmherzigen Samariter folgen und dem Wort 'Samariter' einen so unverwechselbar guten Klang geben", Kardinal Christoph Schönborn.
"Heute gilt es, den Zahllosen zu danken, die dem Beispiel des barmherzigen Samariter folgen und dem Wort 'Samariter' einen so unverwechselbar guten Klang geben", Kardinal Christoph Schönborn.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 14. Juli 2013.
Das Wort "Samariter" hat einen guten Klang. Der "Arbeiter-Samariter-Bund" gehört zu den größten Gesundheits- und Sozialorganisationen Österreichs. Den Namen hat diese wohltätige Organisation dem heutigen Evangelium entliehen. Der Helfer in der Not, von dem Jesus im Gleichnis erzählt, war ein Samariter, und weil er barmherzig war und an der Not des Verletzten nicht vorbei gegangen ist, hat das Wort "Samariter" einen so guten Klang bekommen.
Inzwischen haben sich europaweit ähnliche Hilfsorganisationen unter dem Namen "Samaritan International" zusammengeschlossen. Der gute Klang des Wortes "Samariter" ist weltweit geworden. Und immer noch steht dahinter das Vorbild aus dem heutigen Evangelium: Der "Mann aus Samarien", der mit dem Schwerverletzten Mitleid hatte und nicht achtlos an ihm vorbeiging.
Als Jesus damals dieses Gleichnis erzählte, war das Wort "Samariter" für seine jüdischen Zuhörer fast ein Schimpfwort. Denn die Menschen, die in Samarien lebten, zwischen Judäa mit Jerusalem als Hauptstadt im Süden und Galiläa im Norden, galten dem gläubigen Juden sozusagen als Ungläubige, als Irrlehrer und religiös Verdächtige. Auf jeden Fall waren sie Andersgläubige. Freilich war das Urteil der Samariter über die Juden um nichts besser, wie uns so manche Ereignisse im Evangelium bezeugen.
Ausgerechnet einen dieser verachteten "Ausländer", einen Samariter, nimmt Jesus als Beispiel gelebter Nächstenliebe. Dass wir Gott aus ganzem Herzen lieben sollen und unseren Nächsten wie uns selbst, das ist die Summe und der Kern aller Gebote Gottes. "Handle danach, und du wirst leben", sagt Jesus dem Mann, der ihn fragt, was denn nötig sei, um das ewige Leben zu erlangen.
"Und wer ist mein Nächster?" Diese Gegenfrage ist nicht nur ein Ausweichmanöver. Die Frage stellt sich mir täglich, und ich denke, nicht nur mir. So vieles wird von mir erwartet. So viel Not gibt es in der Welt. So viele Menschen brauchen etwas. Man kann sich nicht um alle kümmern. Wir müssen auswählen. Was kommt zuerst? Die Familie oder der Nachbar in Not? Wo ist mein Einsatz gefordert? Und wo muss ich sagen: Das muss ich anderen überlassen?
Jesus gibt auf diese Frage keine theoretische Antwort. Er stellt keine allgemeinen Regeln auf. Er erzählt eine Geschichte. Und diese Geschichte hat so viele Menschen berührt, dass bis heute die Hauptfigur dieser Geschichte, der verachtete Fremde, zum barmherzigen, zum guten Samariter geworden ist.
Was ist so ergreifende an diesem Gleichnis? Ich glaube, es ist die Tatsache, dass alle sich davon betroffen fühlen. Ich vermute, es ist uns allen schon einmal so ergangen wie dem Priester und dem Leviten: Wir sehen einen Notfall, wechseln die Straßenseite und gehen schnell weiter. Meist mit guten Gründen: keine Zeit oder Termine, Eile, oder auch Angst, in eine gefährliche und schwierige Situation hineingezogen zu werden. Umso beeindruckender ist dieser Fremde, Andersgläubige, der Samariter, der nicht vorbeigeht, nicht auf die Gefahr und die Mühe achtet - und einfach hilft. Heute gilt es, den Zahllosen zu danken, die seinem Beispiel folgen und dem Wort "Samariter" einen so unverwechselbar guten Klang geben.
In jener Zeit wollte ein Gesetzeslehrer Jesus auf die Probe stellen. Er fragte ihn: Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen? Jesus sagte zu ihm: Was steht im Gesetz? Was liest du dort? Er antwortete: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken, und: Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst. Jesus sagte zu ihm: Du hast richtig geantwortet. Handle danach, und du wirst leben. Der Gesetzeslehrer wollte seine Frage rechtfertigen und sagte zu Jesus: Und wer ist mein Nächster? Darauf antwortete ihm Jesus: Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wurde von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn aus und schlugen ihn nieder; dann gingen sie weg und ließen ihn halb tot liegen. Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab; er sah ihn und ging weiter. Auch ein Levit kam zu der Stelle; er sah ihn und ging weiter. Dann kam ein Mann aus Samarien, der auf der Reise war. Als er ihn sah, hatte er Mitleid, ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn. Am andern Morgen holte er zwei Denare hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme. Was meinst du: Wer von diesen dreien hat sich als der Nächste dessen erwiesen, der von den Räubern überfallen wurde? Der Gesetzeslehrer antwortete: Der, der barmherzig an ihm gehandelt hat. Da sagte Jesus zu ihm: Dann geh und handle genauso!