"Das System des Jugendstrafvollzugs ist unterfinanziert und ausgehungert", stellt der Wiener Caritasdirektor Michael Landau fest.
"Das System des Jugendstrafvollzugs ist unterfinanziert und ausgehungert", stellt der Wiener Caritasdirektor Michael Landau fest.
Die Wiedererrichtung eines Jugendgerichtshofes und mehr Personal in Justizanstalten fordert die "Allianz gegen Gleichgültigkeit" mit Caritasdirektor Landau, "Weißer Ring"-Obmann Jesionek und anderen Rechtsexperten.
Eine Abschaffung der U-Haft bei Jugendlichen und die Wiedereinführung des Jugendgerichtshofes fordert die Caritas der Erzdiözese Wien in einer Aussendung, Donnerstag, 11. Juli 2013, anlässlich der bekanntgewordenen Missbrauchsfälle im Jugendstrafvollzug. "Das System des Jugendstrafvollzugs ist unterfinanziert und ausgehungert", stellte der Wiener Caritasdirektor Michael Landau fest.
Gefängnisse mögen keine "Paradiese" sein, so Landau in Anspielung auf eine Aussage von Justizministerin Beatrix Karl; Strafanstalten dürften aber nicht zu Orten verkommen, in denen "Gewalt als lästige, aber letztlich nicht vermeidbare Unfälle hingenommen werden". Die Caritas ist Teil einer vor kurzem geschlossenen "Allianz gegen Gleichgültigkeit", die ein Reformpaket fordert.
Die "Allianz" aus Caritas Wien, der Opferschutzorganisation "Weißer Ring" mit Obmann Udo Jesionek, Kinderpsychiater Ernst Berger, Strafverteidigerin Alexia Stueffer und Bezirksrichter Oliver Scheiber bildete sich unmittelbar nach Bekanntwerden des Missbrauchs eines 14-Jährigen in der Justizanstalt Josefstadt. Mittlerweile sind drei weitere Fälle - in Graz, Linz sowie in der Jugendstrafanstalt Gerasdorf bei Wien - dokumentiert. "Die Dunkelziffer dürfte noch weitaus höher sein", so Opferschützer Jesionek. Für ihn sind ähnliche Fälle angesichts der "unhaltbaren Zustände im Jugendvollzug leider vorprogrammiert".
Die "Allianz gegen Gleichgültigkeit" sieht zwar erste Schritt seitens des Justizministeriums - die Zweierbelegung in der Justizanstalt Josefstadt, Beschränkung der Einschlusszeiten, Errichtung einer Taskforce - gesetzt. Ein Bündel an Reformen sei jedoch nötig, um einen menschenwürdigen Jugendstrafvollzug zu ermöglichen.
Primäre Forderung von Caritas, "Weißer Ring" und Rechtsexperten ist die Wiedererrichtung eines Jugendgerichtshofes in Wien und die Schaffung von Jugendkompetenzzentren in den Ballungsräumen. Die nun bekanntgewordenen Missstände seien letztlich "eine Folge der geringeren Aufmerksamkeit, die jugendliche Straftätern zuteil wird", so die "Allianz gegen Gleichgültigkeit".
Weiters müssten Alternativen zur Untersuchungshaft bei Jugendlichen etabliert werden, weil: "Jugendliche gehören nicht ins Gefängnis", so die Generalsekretärin der Vereinigung der österreichischen Strafverteidiger, Alexia Stuefer. Alternativmodelle wie die Unterbringung in Wohngemeinschaften, Krisenstellen und bei Pflegeeltern hätten sich bereits in Ländern wie Schweden, Schweiz oder Italien bewährt.
Bedenklich ist für Caritasdirektor Landau die stetige Abnahme der Zahl der im Strafvollzug eingesetzten Pädagogen, Therapeuten, Psychologen und Sozialarbeiter. Diesem Trend müsse durch Personalaufstockung entgegengewirkt werden. Genügend Personal brauche es auch zur Verringerung der Einschlusszeiten.
Die "Allianz gegen Gleichgültigkeit" fordert außerdem den Ausbau der Beschäftigungs- und Ausbildungsmöglichkeiten, die gesetzliche Ausweitung der Besuchsregelungen sowie die Vermeidung kürzerer Freiheitsstrafen durch freiwillige gemeinnützige Arbeit, da mit dieser ein tatsächlicher erzieherischer Wert verbunden sei.