"Die Spaltung, die Jesus bringt, ist nicht die der Religionskriege, sondern hat in Wirklichkeit eine ganz andere Ursache", so Kardinal Christoph Schönborn.
"Die Spaltung, die Jesus bringt, ist nicht die der Religionskriege, sondern hat in Wirklichkeit eine ganz andere Ursache", so Kardinal Christoph Schönborn.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 18. August 2013.
Spaltung, nicht Frieden! Das ist fast überall auf Erden die Wirklichkeit. Konflikte, wohin wir schauen. Kriege in vielen Teilen der Welt. Kämpfe in allen Bereichen des Lebens, in den Beziehungen, im Beruf, in der Politik. Konkurrenz in der Wirtschaft, der Kultur, dem Sport. Und da kommt Jesus und fügt zu allem noch hinzu: "Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf Erden zu bringen? Nein, sage ich euch, nicht Frieden, sondern Spaltung."
Zu all den Konflikten, die es sowieso schon gibt, bringt der Stifter der christlichen Religion auch noch die religiösen Spaltungen hinzu? Er, der gesagt hat: "Selig, die Friedensstifter", erweist sich gar selber als Unfriedensstifter? Bei diesen doch recht verwunderlichen Worten Jesu kommen mir gleich eine ganze Reihe von Vorwürfen in den Sinn, die heute von Atheisten gegen die Religionen im Allgemeinen und gegen das Christentum im Besonderen erhoben werden. Die Worte Jesu scheinen sie geradezu zu beweisen.
Hat es nicht immer wieder Spaltungen wegen der Religionen gegeben? Religionskriege sind kein geringer Teil der Menschheitsgeschichte. Woher kommen sie? Sind die Religionen die Ursache von Kriegen? Oder geht es in Wirklichkeit meist um ganz andere Konflikte? Ging es in den Kriegen zwischen Katholiken und Protestanten nur um Religionsfragen? Haben nicht oft ganz andere Interessen mit hereingespielt? Und wie ist es mit den blutigen Konflikten im Islam, die heute viele Opfer kosten, wenn Sunniten und Schiiten einander bekriegen? Werden da nicht vor allem politische und wirtschaftliche Machtansprüche im Namen der Religion ausgefochten?
Die Gegner des Christentums haben noch ein viel schärferes Argument gegen unseren Glauben. Sie sagen: Die wahre Ursache all der Konflikte ist euer Anspruch, die wahre Religion zu sein oder, wie uns gerne vorgeworfen wird, "die allein selig machende Kirche".
Die Spaltung, von der Jesus spricht, hat in Wirklichkeit eine ganz andere Ursache. Wer Jesus konsequent nachfolgt, kommt unweigerlich in Konflikte. Das habe ich sehr anschaulich in einer Pfarre erlebt, die ich vor kurzem auf meiner Südamerikareise besuchen konnte. In einem sehr armen Pfarrgebiet herrschen Drogenbanden. Der Pfarrer kämpft tapfer für Frieden und Gerechtigkeit. Kein Wunder, dass er immer wieder Morddrohungen erhält.
Die Spaltung, die Jesus bringt, ist nicht die der Religionskriege und der Ansprüche, allein gültig zu sein. Jesus sagt, er sei gekommen, um ein Feuer auf die Erde zu werfen, und er sehne sich danach, dass es brenne. Es ist das Feuer der Liebe, der Gerechtigkeit, der Vergebung, der Barmherzigkeit. Wer immer sich um dieses Feuer bemüht, weiß, oft schmerzlich, dass das nicht nur Lob bringt, ja dass es oft auf heftigen Widerstand stößt. Wer versucht, für mehr Gerechtigkeit einzutreten, muss damit rechnen, dass das Spaltung, Konflikt und Kampf bedeuten kann. Und Jesus sehnt sich danach, dass es mehr Menschen gibt, die den Mut für diesen Kampf aufbringen. Er gibt dazu das Feuer.
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen! Ich muss mit einer Taufe getauft werden, und ich bin sehr bedrückt, solange sie noch nicht vollzogen ist. Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, nicht Frieden, sondern Spaltung. Denn von nun an wird es so sein: Wenn fünf Menschen im gleichen Haus leben, wird Zwietracht herrschen: Drei werden gegen zwei stehen und zwei gegen drei, der Vater gegen den Sohn und der Sohn gegen den Vater, die Mutter gegen die Tochter und die Tochter gegen die Mutter, die Schwiegermutter gegen ihre Schwiegertochter und die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter.