"Wir brauchen menschlich orientierte Pflege für jeden, durch einheitliche Standards bei Qualität, Versorgung und Finanzierung", so der Wiener Caritas Direktor Michael Landau bei einer Pressekonferenz.
"Wir brauchen menschlich orientierte Pflege für jeden, durch einheitliche Standards bei Qualität, Versorgung und Finanzierung", so der Wiener Caritas Direktor Michael Landau bei einer Pressekonferenz.
Küberl: Politik muss Altern in Würde sicherstellen. Landau: Aufgaben der nächsten Regierung bei Pflege "groß wie Gebirgszüge".
Die Erhöhung des Pflegegelds und neue Strategien im Umgang mit Demenz sind für die Caritas wesentliche Aufgaben der nächsten Regierung. "Ziel muss sein, dass Menschen in Würde alt werden können und wir uns in den großen gesellschaftlichen Veränderungen weiterbewegen", so Caritas-Präsident Franz Küberl am Donnerstag, 22. August 2013, bei einer Pressekonferenz in Wien.
Für Wiens Caritas-Direktor Michael Landau sind die Aufgaben dazu groß wie "Gebirgszüge": "Wir brauchen menschlich orientierte Pflege für jeden, durch einheitliche Standards bei Qualität, Versorgung und Finanzierung." Am 6. September macht die Caritas im Rahmen eines "Pflegetages" am Wiener Stephansplatz auf die Situation Pflegebedürftiger und ihrer Angehörigen aufmerksam.
Über eine Million Österreicher - mehr als doppelt so viele wie heute - werden Prognosen zufolge im Jahr 2050 über 80 Jahre alt sein. Zugleich steigen der Pflegebedarf und dessen Kosten, von heute 3,9 Milliarden Euro auf geschätzte 5,4 Milliarden im Jahr 2030. Investitionen auf diesem Gebiet seien jedoch "kein verlorenes Geld, sondern ein ökonomischer Mehrwert", wie Küberl betonte: Laut eine Studie des NPO-Institutes der Wiener Wirtschaftsuniversität bringt jeder Euro, der in Wien in mobile Betreuungs- und Pflegedienste investiert wird, einen Gesellschaftsnutzen von 3,70 Euro, etwa durch Schaffung von Arbeitsplätzen und Binnennachfrage, Beiträge ins Sozialsystem oder Steuern.
Mehr Aufmerksamkeit fordert die Caritas für die Angehörigen, die laut Landau die "wichtigsten Pflegeanbieter Österreichs" sind: Vier Fünftel aller Pflegebedürftigen werden heute zu Hause betreut, 53 Prozent ohne und 29 Prozent mit professionellen Diensten sowie zwei Prozent mit 24-Stunden-Betreuung, die restlichen 16 Prozent im Pflegeheim. "Die Politik darf die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen nicht im Stich lassen", so der Wiener Caritas-Direktor.
Lob gab es von der Caritas für die Pflegekarenz, Pflegeteilzeit und das Pflegekarenzgeld. Manches bleibe jedoch noch ungeregelt, wie etwa der weiterhin fehlende Rechtsanspruch für Pflegekarenz, das lange Genehmigungsverfahren, bei dem in den Augen der Caritas schon eine Arztbescheinigung ein vorläufiges Inkrafttreten ermöglichen sollte, sowie Regelungen bei langjährigem Pflegebedarf. Die nächsten Regierung sollte, so Küberl, den Pflegefonds über 2016 hinaus verlängern und einen Stufenplan vorlegen, wie der Wertverlust des Pflegegeldes - seit 1993 beträgt dieser bereits 29 Prozent - aufgeholt werden kann, "sonst verkommt das Pflegegeld zum Taschengeld". Die Pflegegeld-Einstufung müsse zudem den tatsächlichen Unterstützungsbedarf der Betreuten mehr berücksichtigen.
Die Möglichkeiten des Pflegefonds gelte es auszubauen und besser zu nutzen, vor allem durch Koordination und Absprache zwischen Ländern und Bund sowie Vereinheitlichung der Angebote. "Derzeit gibt es neun unterschiedliche Nutzungsbedingungen, was die Alltagsbegleitung, Beratung der Pflegenden oder demenzfreundliche Lebensraumgestaltung betrifft", verdeutlichte Küberl. Die Gestaltung der Pflegefonds-Novelle sei bisher noch unklar. "Gar nicht berücksichtigt sind das Hospiz- und Palliativwesen, dessen Ausbau und Finanzierung gesetzlich gesichert werden sollten, denn die Nachfrage übersteigt klar das Angebot."
Die tägliche Praxis der Caritas-Angehörigenberatung zeige viele weitere Lücken auf. "Um nicht zu vereinsamen, brauchen pflegende Angehörige leistbare Unterstützung und Möglichkeiten stunden- oder tageweiser Auszeit für Erledigungen oder Erholung. Sonst treiben wir sie in Isolation", warnte Landau. Groß sei die Lücke speziell zwischen Angeboten der 24-Stunden-Betreuung und den Mobildiensten, ebenso bei der Hospiz- und Palliativversorgung, für die es derzeit kein leist- und erreichbares Angebot gebe; Initiativen wir die mobile Kinderhospiz "MOMO" sind nur spendengestützt.
Aufwertung der Pflege brauche auch ein besseres Image der Pflegeberufe, wobei sich heute laut Caritas die Karrieremöglichkeiten deutlich verbessert hätten. Eine Schieflage gebe es hier jedoch bei Sozialbetreuungsberufen wie Fachalten-, Behinderten- und Familienhilfe. Für die 24-Stunden-Betreuung - ein Berufsfeld mit 41.000 Tätigen - forderte Landau mehr Qualitätssicherung: Er sei besorgt, dass bei den bereits rund 300 in Österreich tätigen in- und ausländischen Vermittlungsagenturen das Angebot im Billigsegment am stärksten zunehme, ohne dass es Mindeststandards gebe. Ein Qualitätssiegel für Agenturen könne hier Abhilfe schaffen, so der Vorschlag der Caritas, die selbst laut Landau "strenge Kriterien" anlegt und in der fachlichen Weiterbildung in Herkunftsländern wie Slowakei und Slowenien aktiv ist.
Mehr Aufmerksamkeit und eine klarere politische Strategie brauche zudem das Thema Demenz, so beide Caritas-Vertreter: Für 2040 rechnet die EU mit zehn statt heute sechs Millionen Erkrankten, in Österreich wird eine Verdoppelung der heute 120.000 Betroffenen bis 2050 prognostiziert. Bund und Länder müssten heute Weichen für eine krankheitsgerechte und bezahlbare Pflege der Demenzkranken von morgen stellen, vor allem mehr Betreuungs- und Hilfsangebote sowie Information und Aufklärung, um das Tabu zu brechen. Die Caritas leiste bisher einen Beitrag durch kostenlose Beratung von Angehörigen, demnächst auch mit der österreichweit ersten Gesprächsgruppe für Männer.