Das Domarchiv beherbergt Urkunden, Predigten, Augenzeugenberichte und vieles mehr. Domarchivar Reinhard Gruber hat die "Schätze des Stephansdoms" in mühsamer Kleinarbeit in Laufe von 13 Jahren geordnet. Radio Stephansdom-Redakteur Stefan Hauser hat das Domarchiv besucht.
Ein unspektakulärer Raum im zweiten Stock des Curhauses am Stephansplatz ist das Archiv der Domkirche St. Stephan. Für den Besucher ist dieses nicht zugänglich. Sechs Längen Regale und Schriftwerke, die in Schachteln noch ihrer Bearbeitung harren, lagern hier.
"Der Name Domarchiv ist vielleicht ein bisschen irreführend", rückt Reinhard Gruber das Bild des Archivs zurecht, "weil man sich darunter vorstellt, das sämtliche Archivalien, die mit dem Dom zu tun haben, hier lagern, doch diese finden sich auch im Stadt- und Landesarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, sowie im Diözesanarchiv", ergänzt der Domarchivar. Diese umfassen Eintragungen über kaiserliche Stiftungen, von Domherren, aber auch Stiftungen von Wiener Bürgern.
Darunter auch sehr berührende Einträge, wie folgender den Gruber erwähnt: "Eine Frau hat Anfang des 20. Jahrhunderts für die Grabpflege ihres einzigen Sohnes eine Stiftung getätigt, dass dieses Grab des Sohnes gepflegt wird. Sie hat sich also nicht gesorgt um ihr eigenes Grab, sondern um das Gedächtnis ihres Sohnes." Ein weiteres Beispiel zeigt eine Stiftung von Wiener Postbeamten nach dem Tod von Kaiserin Elisabeth. "Diese haben mehreren Messen für die Kaiserin lesen lassen", schildert Archivar Gruber.
Die erwähnten Stiftungsurkunden zeigten immer auch "sehr viel Liebe, die zum Ausdruck gebracht werde", so Domarchivar Gruber, "freilich ist das immer auch in der Theologie und Spiritualität der Zeit zu sehen."
Das Domarchiv von St. Stephan ist ein kein Sammelsurium, sondern ein klar gegliedertes Archiv. In mühsamer Kleinarbeit hat es Domarchivar Reinhard Gruber seit 13 Jahren erstellt. Darunter eine große Sammlung, die die Jahre 1945 bis 1952 betrifft, nach den Kriegs- und Brandschäden am Dom, die Zeit des Wiederaufbaus und der Restaurierung, darunter Pläne, Bautagebücher, Korrespondenzen, Aufzeichnungen, Augenzeugenberichte. Aber auch viel Historisches findet sich hier, wie Priesternachlässe, Predigtsammlungen von Predigern und Dompfarrern an der Domkirche St. Stephan und auch viele sogenannte "Stephanensia". Darunter werden Publikationen verstanden, die den Dom zum Inhalt haben, oder in denen ein Artikel über den Dom erschienen ist. "Das versuchen wir, so gut wie möglich zu sammeln, damit man auch eine gute Bibliothek zum Nachschlagen und zum Recherchieren hat", unterstreicht Domarchivar Reinhard Gruber.
Im Bestand des Archivs der Domkirche von St. Stephan befindet sich auch die "Doninsche Curhausbibliothek", eine historische Bibliothek in schönen Kästen des 19. Jahrhunderts. Benannt ist sie nach ihrem Gründer Ludwig Donin. Er war Domkurat von St. Stephan und Katechet am Dom. "Er hat seine eigene Bibliothek und die Reste der alten Priesterbibliothek im Curhaus sowie auch Bestände der Erzbischöflichen Bibliothek schön geordnet in diesem historischen Komplex des Curhauses aufbewahrt", so Domarchivar Gruber.
Weiters gibt es im Domarchiv eine kleine theologische Sammlung, Akten des Pfarrarchivs, Domeigene Publikationen und auch Funeralwappen, die mit Begräbnissen zusammenhängen. Dazu verrät der Domarchivar: "Die kaiserliche Familie hat in St. Stephan nicht geheiratet, sie hat sich auch hier nicht taufen lassen, aber das Requiem war immer in St. Stephan! Und zu diesem Anlass hat man das Hauptportal und die verschiedenen Altäre schwarz verhangen und mit den Wappen des Verstorbenen geschmückt. Wir haben hier zum Beispiel auch noch die Funeralwappen vom Begräbnis der Kaiserin Elisabeth."
Es gibt im Domarchiv zu St. Stephan auch das Matrikenarchiv der Dompfarre, das derzeit aber digitalisiert wird. Ein Projekt, welches mehrere Diözesen umfasst, darunter das Bistum Passau, die Diözese Linz, St. Pölten und die Erzdiözese Wien. Dieses Projekt soll bis spätestens September 2014 abgeschlossen sein.
Um den Inhalt vieler Archivalien auch lesen zu können, bedarf es einiger Kenntnis historischer Schreibe unterstreicht Reinhard Gruber: "Gerade mittelalterliche Urkunden oder Chronikaufzeichnungen sind in St. Stephan meistens nicht sehr schön geschrieben. Wenn man sich Archivalien zum Beispiel aus dem Schottenstift anschaut, merkt man die schöne benediktinische Schreibschule. In St. Stephan hat man auf gut deutsch ausgedrückt, "geschmiert".
Der geborene Tiroler Reinhard Gruber studierte in Innsbruck und Wien Theologie und kam, wie er sagt, als "Mädchen für alles" im Herbst 1995 an den Stephansdom: "Ich habe den Dom dadurch sehr gut kennengelernt. Hab als Aufseher, als Mesner, in der Türmerstube, im Domshop ausgeholfen, Ausstellungen auf der Westempore organisiert und dann den Auftrag bekommen, den bis heute noch existierenden und in zwölf Sprachen übersetzten offiziellen Domführer für St. Stephan zu verfassen.
Mit 1. Jänner 2000 ernannte das Domkapitel zu Stephan, Reinhard Gruber offiziell zum Domarchivar. Seine Aufgabe war es zu Beginn, die Archivalien soweit wie möglich, wieder zusammenzuführen und zu ordnen, so dass man sie benutzen kann. In nächster Zeit wird es Grubers Aufgabe sein, den Bestand genauer zu sortieren und zum Teil im Internet zugänglich zu machen.
Das Domarchiv und der Reliquienschatz von St. Stephan.
Mittwoch, 4. September 2013, 19.00-19.25 Uhr.
Eine Sendung von Stefan Hauser
Radio Stephansdom, 107,3