"Nichts stärkt unseren Glauben mehr als Gott täglich zu danken", so Kardinal Christoph Schönborn.
"Nichts stärkt unseren Glauben mehr als Gott täglich zu danken", so Kardinal Christoph Schönborn.
Gedanken von Kardinal Schönborn zum Evangelium am Sonntag, am 6. Oktober 2013 (Lk 17, 5-10)
Wie oft habe ich diese Bitte schon an Gott gerichtet: "Stärke meinen Glauben!" Ich habe großen Respekt vor Menschen, die einen starken Glauben haben. Vielleicht denken Sie jetzt: Wer, wenn nicht ein Bischof, hat einen starken Glauben? Und doch kommt mir mein Glaube oft recht klein und schwach vor. Da tröstet es mich, dass auch die Apostel offensichtlich dieses Empfinden hatten, sonst hätten sie ja Jesus nicht gebeten: "Stärke unseren Glauben!"
Die Antwort Jesu auf diese Bitte ist überraschend. Er meint, wir bräuchten gar keinen großen, starken Glaube. Es genüge schon ein Glaube so groß (genauer: so winzig klein) wie ein Senfkorn. Schon ein kleiner Glaube kann Großes bewirken. Das Sprichwort, das auf Jesus zurückgeht, spricht von einem "Glauben, der Berge versetzten kann". Der Glaube, selbst schon, ein kleiner Glaube, hat eine große Kraft. Heute gebraucht Jesus dafür ein anderes Bild: Er kann sogar einen Maulbeerbaum, der bekanntlich besonders tiefe Wurzeln hat, aus dem Boden heben und ins Meer verpflanzen. Das heißt doch: Der Glaube schafft das Unmögliche!
Spätestens jetzt stellt sich die Frage: Was ist das denn, der Glaube? Ich denke, er ist vor allem Vertrauen. Glaube ist zuerst Gottvertrauen. Wir reden von "Glauben schenken", wenn wir einander vertrauen. Das ist natürlich ein Risiko. Kann ich dem anderen vertrauen? Werde ich nicht von ihm "über den Tisch gezogen"? Deshalb sagen viele: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Aber wenn das Misstrauen größer wird als das Vertrauen, dann ist das Miteinander schon zerbrochen.
Gott vertrauen, heißt darauf bauen, dass Er uns gut gesonnen ist. Der Glaube wird auf die Probe gestellt, wenn uns schwere Prüfungen treffen. Vertraue ich Gott auch dann noch, wenn ich mit Ihm hadere: Warum lässt du dieses Leid zu? Warum diese Krankheit, diesen Todesfall? Das sind die Momente, in denen ich sage: "Stärke meinen Glauben!" Hilf mir, zu vertrauen, auch wenn es unbegreiflich ist! Ich erinnere mich an das Begräbnis eines jungen Mannes. Viele waren erschüttert, tief betroffen. Am gefasstesten waren die Eltern. Der Glaube hat ihnen geholfen. Sie konnten ihr Vertrauen auf Gott auch in diesen Stunden durchhalten. Ich habe ihren Glauben bewundert.
Der zweite Teil des heutigen Evangeliums zeigt einen Weg, wie unser Glaube stärker werden kann. Wer Gott vertraut, nimmt sich selbst nicht so wichtig. Oft hindert uns am Glauben eine Haltung, die uns selbst zu sehr zum Mittelpunkt macht. Wir nehmen alles für selbstverständlich, als hätten wir auf all das ein Anrecht: auf Gesundheit bis ins hohe Alter, auf Glück in allen Lebenslagen.
Jesus erinnert uns mit der Geschichte vom Sklaven, der einfach seine Pflicht tun muss, daran, dass wir kein automatisches Anrecht auf all das haben, was unser Leben glücklich und zufrieden macht. Es ist und bleibt Geschenk, für das wir dankbar sein sollen. Wer so lebt, hat schon einen echten Glauben, ein gutes Gottvertrauen. Nichts stärkt unseren Glauben mehr als Gott täglich zu danken. Es ist ja alles Sein Geschenk.
In jener Zeit baten die Apostel den Herrn: Stärke unseren Glauben! Der Herr erwiderte: Wenn euer Glaube auch nur so groß wäre wie ein Senfkorn, würdet ihr zu dem Maulbeerbaum hier sagen: Heb dich samt deinen Wurzeln aus dem Boden, und verpflanz dich ins Meer!, und er würde euch gehorchen. Wenn einer von euch einen Sklaven hat, der pflügt oder das Vieh hütet, wird er etwa zu ihm, wenn er vom Feld kommt, sagen: Nimm gleich Platz zum Essen? Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Mach mir etwas zu essen, gürte dich, und bediene mich; wenn ich gegessen und getrunken habe, kannst auch du essen und trinken. Bedankt er sich etwa bei dem Sklaven, weil er getan hat, was ihm befohlen wurde? So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Sklaven; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan.